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Kolumne Was der Stresstest geleistet hat – und was leider nicht

Europa hat den Zeitpunkt verpasst, eine Bereinigung der Bankenlandschaft einzuleiten der Niedrigzins ist die eigentliche Gefahr. Von Christian Kirchner
Christian Kirchner
Christian Kirchner
© Gene Glover

Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen

Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Aufseher haben mit dem Banken-Stresstest einen guten Job gemacht: Eine Durchfallquote von 25 von 124 Banken konterkariert den Vorwurf, der Test könnte von Anfang an zu zahm gewesen sein. Und die Tatsache, dass neun der im Test gescheiterten Banken aus Italien kommen, nimmt all jenen Kritikern den Wind aus den Segeln, die von einem Italiener geführte EZB könnte die heimischen Banken protegiert haben. Auch hielten die Aufseher lange genug dicht, so dass sich sämtliche Spekulationen über Kapitallücken deutscher Großbanken wie der HSH Nordbank, der Deutschen Bank oder der Commerzbank als Quatsch erwiesen.

Soweit die guten Nachrichten. Die schlechte ist: Ob der Stresstest sein eigentliches Ziel erreichen wird – unter dem Strich für mehr Vertrauen in und eine höhere Kreditvergabe durch Banken zu sorgen – ist eher unwahrscheinlich. 28 Monate in Folge ist die Kreditvergabe in der Eurozone zuletzt geschrumpft, und das in einer zeitweise wieder expandieren Wirtschaft. Einer der Gründe für die Kreditkontraktion liegt in der Angebotsseite: Bei der Kreditvergabe zu knausern ist eine der einfachsten Wege für Banken, ihre Kapitalquoten zu verbessern, nachdem sie Aktionäre schon zu oft um frisches Eigenkapital angepumpt haben. Das illustriert auch: Aufseher befinden sich in einem schwer zu lösenden Interessenskonflikt: Mehr Eigenkapital vorzuhalten macht Banken krisenfester, hat aber auch seinen Preis.

Im englischen Sprachgebrauch gibt es die schöne Metapher des „Elefants im Wohnzimmer“ über Sachverhalte, die offensichtlich sind, aber dennoch leicht übersehen werden. Im Zusammenhang mit Europas Banken ist dieser Elefant der Zins, der den wahren Stresstest darstellt – und nicht weniger als die Existenz von vermutlich mindestens jeder dritten Bank der Eurozone in Frage stellt. Denn bei Leit- und Kapitalmarktzinsen, die sich am kurzen Ende der Nullinie genähert haben, schrumpft die Zinsmarge der Banken dramatisch.

Es sind nicht neue Wettbewerber, die Banken vor neue Probleme stellen

Eine der wichtigsten Gewinnquellen – Geld für einige Prozentpunkte mehr zu verleihen oder anzulegen, als man seinen Sparern zahlen muss – versiegt allmählich. Konnten Banken einst Sparern zwei oder drei Prozent Zinsen zahlen, aber ihrerseits für fünf und mehr Prozent verleihen oder anlegen, so zeigt schon in Deutschland ein Blick auf den geringen Abstand zwischen Sparzinsen (selbst wenn diese nahe Null sind) und den Zinskosten für Baugeld (1,8 Prozent für zehn Jahre) oder der Rendite deutscher Staatsanleihen (0,8 Prozent für zehnjährige Papiere) das Dilemma auf einen Blick. Dass dies kaum jemand aufgefallen ist, lag daran, dass in den vergangenen drei Jahren die Gewinne aus einer relativ einfachen Strategie – man nehme das Geld der Sparer und der EZB zu Nahe-Nullzinsen und stecke es in Staatsanleihen – die andernorts wegbrechenden Zinsmargen zukleistern konnte. Doch auch diese Strategie bietet nur zeitlich befristet Aussicht auf fast risikofreie Gewinne.

Auch das macht Banken anfälliger für Krisen, lässt sie vorsichtiger werden bei der Kreditvergabe – und forciert vor allem den Wettbewerbsdruck. Es sind nicht notwendigerweise neue Wettbewerber, die Banken vor neue Probleme stellen – zerstörerische Kräfte hat vor allem das Geschäftsmodell der Banken selbst entwickelt, das bei Ultraniedrigzinsen nicht mehr so funktioniert wie in den Jahrzehnten zuvor. Und in dieser Hinsicht darf sich auch Deutschland nicht auf den Ergebnissen des Stresstests ausruhen, denn bei unveränderter Zinslage wird es auch in Deutschland gerade bei regionalen Häusern ein heute kaum vorstellbares Institutssterben geben (was im übrigen auch der eigentliche Grund ist - und nicht etwas die Sorge um die Altersvorsorge ihrer Kunden - warum das Sparkassen- und Genossenschaftslager so vehement für höhere Zinsen trommelt).

Scheitern von Banken war bislang keine Option

Zwar begegnen einige Institute den Stresstestergebnissen mit einer geplanten Abwicklung. Doch generell war in den vergangenen gut fünf Jahren der Post-Lehman-Ära ein Scheitern von Banken – anders als in den USA, wo seit 2008 über 500 Banken von der Bildfläche verschwanden - für Politik und Aufseher in Europa keine Option. Den Zeitpunkt, über eine Bereinigung der europäischen Bankenlandschaft nachzudenken, ohne dafür einen hohen realwirtschaftlichen Preis zu zahlen, könnte man nun bereits wieder verpasst haben. Denn gleich eine Reihe von Frühindikatoren deutet wieder auf einen drohenden Abschwung der Euro-Zone hin.

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