Es gibt im Grunde zwei Arten von Menschen, die Problemorientierten und die Lösungsorientierten, und die Wahrheit ist: Sie können nicht miteinander. Das merkt man deutlich, wenn plötzlich größere Probleme gelöst werden müssen, wie jetzt beim Brexit. Der ist ein ziemlich großes Problem, inzwischen für die gesamte Europäische Union. Und obwohl dringender Handlungsbedarf besteht – denn eigentlich gilt als Austrittsfrist der 29. März – so diskutieren beide Seiten noch immer. Inzwischen dauert die Diskussion um den Ausstieg gefühlt schon länger als die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU. Denn beide Lager blockieren sich gegenseitig: Die einen versuchen, eine Lösung zu finden, statt im Dauerdisput Probleme zu wälzen. Die anderen wollen erst einmal Großproblemen wie der Irlandfrage auf den Grund gehen, statt eine Lösung übers Knie zu brechen. Klar scheint: Bis zum 29. März werden die Briten keinen Weg finden, sie brauchen länger. Das heißt auch für deutsche Sparer und Anleger: Sie müssen sich gedulden, welche Folgen der Brexit für sie haben wird, denn einige Fragen zu Bankkonten und Fondsanlagen sind noch offen.
Zumindest kann man einigen britischen Fondsmanagern aber nicht vorwerfen, sie seien nicht lösungsorientiert. Sie haben nämlich längst neue Wege ins Ausland beschritten, um selbst bei einem harten Brexit den Geschäftsbetrieb sicherzustellen. Sie verlagern ihre Fonds. Die Frage ist nur, ob das tatsächlich in vollem Umfang gut für die Anleger ist – oder ihnen nicht auch schaden kann.
Die Sachlage ist folgende: Für deutsche oder europäische Fondsanleger, die in der Vergangenheit in britische Fonds investiert haben, ändert sich auch durch den Brexit zunächst einmal nichts. Selbst wenn die Fonds von Gesellschaften in Großbritannien aufgelegt worden sind und dort verwahrt werden, so kann das bei den bereits gekauften Papieren weiterhin so bleiben. Auch steuerlich ändere sich bei diesen Fonds nichts, so informierte der Fondsverband BVI die Anleger dieser Tage. Er gab insgesamt Entwarnung für Fondsanleger, denn der BVI findet, die gut 200 britischen Produkte seien gemessen an den hierzulande 10.700 zugelassenen Fonds mengenmäßig vernachlässigbar. Tatsächlich aber betrifft der Brexit immerhin rund 622 Fondstranchen in Franken, Euro oder Dollar, in denen Geld von Anlegern aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz steckt, ermittelte die Ratingagentur Morningstar. Diese 622 Fondstranchen mit dem Heimatstandort Großbritannien hätten allein in der deutschsprachigen Region eine Vertriebszulassung gehabt. Sie kommen zusammen auf eine Anlagesumme von rund 57,4 Mrd. Euro.
Fondsanbieter gründen EU-Niederlassungen
Was nun passieren würde, wenn Großbritannien mit dem Brexit auch aus dem Europäischen Wirtschaftsraum ausschiede, weil es die Freihandelszone ebenfalls verlassen will, wäre dies: Die britischen Gesellschaften könnten dann keine neuen Fondsanteile mehr in Europa verkaufen. Zumindest nicht mehr einfach so. Denn Großbritannien wäre dann nur ein Drittstaat wie die Vereinigten Staaten oder die Schweiz. Damit wären die Produkte der Fondsgesellschaften hierzulande nicht mehr zum Vertrieb zugelassen, sondern sie müssten zuerst neu bei den Aufsichtsbehörden angemeldet werden. Britische Fonds müssten also erst einmal eine Genehmigung der Bafin oder anderer europäischer Zulassungsstellen einholen, um ihre Anteile weiterhin in Umlauf bringen könnten. Das wäre aufwendig und würde eine Weile dauern.
Einige große Kapitalgesellschaften wollen nicht riskieren, dass das Geschäft brachliegt. Sie haben nämlich noch andere Möglichkeiten: Wenn die Fondsanbieter eigene Niederlassungen in der EU gründen oder bereits bestehende EU-Niederlassungen nutzen, können sie demnächst von dort aus weiter Fondsanteile mit EU-Pass vertreiben. Und diese Niederlassungen in anderen europäischen Staaten haben schon sehr viele der Gesellschaften, vor allem in Luxemburg haben zahlreiche Kapitalanlagefirmen in den vergangenen Jahren neue Investmenttöchter geschaffen.
Nun handhaben es die beiden großen britischen Investmentgesellschaften Threadneedle und M&G – die übrigens zusammen rund 49 der 57 Mrd. Euro im deutschsprachigen Raum eingesammelt haben - so: Sie haben bereits einen Teil ihres Kapitals oder ihrer Fonds nach Luxemburg übertragen. Luxemburger Fonds nämlich haben ja bereits den europäischen Vertriebspass und können ihre Anteile auch weiterhin EU-weit handeln und anbieten, sowie in Norwegen, Liechtenstein und Island, egal was nun in England passiert. Zudem ist sichergestellt, dass die Fonds den OGAW-Richtlinien entsprechen, die europaweit vorschreiben, welche Arten von Wertpapieren in welchen Produkten zu welchen Anteilen erhalten sein dürfen. Also bleibt bei den ehemals britischen und jetzt nach Luxemburg migrierten Fonds alles wie gehabt, könnte man meinen. Das klingt nach einer guten Idee, hat aber einen Haken.
Was bei einem Fonds-Umzug passiert
Wie passiert dieser Transfer nun konkret? Die Übertragung von Fonds funktioniert dabei entweder per Fondsumzug, indem der gesamte britische Fonds seinen Sitz ändert und eine Luxemburger Herkunft erhält. Dabei ändert sich aber lediglich die ISIN des Fonds, also vor allem das Länderkürzel. Das Produkt an sich ändert sich dadurch nicht. Möglichkeit zwei ist: Es erfolgt eine Fondsverschmelzung, bei der die britischen Anteile in einen bestehenden Luxemburger Fonds eingebracht werden, das dann meist vom gleichen Anlageteam und mit der gleichen Strategie geführt wird. Dadurch soll das Endprodukt auch weitestgehend identisch mit dem vorherigen Produkt sein. Natürlich ändert sich hier aber die Gesamtgröße des Fonds. Vor allem bei kleineren Fonds nutzen Fondsgesellschaften solche Verschmelzungen, um sie mit größeren zusammenzuführen und wirtschaftlicher betrieben zu können. Der Anleger erhält bei solchen Verschmelzungen zu gleichen Konditionen neue Fondsanteile. Das klingt ebenfalls, als ob sich dadurch für ihn nichts ändere. Doch beide Verfahren haben oft zwei Konsequenzen für Anleger:
Erstens können die Kosten der Produkte dadurch steigen. In Luxemburg nämlich gilt beim Fondsvertrieb eine Abonnementsgebühr, die 0,05 Prozent beträgt und zusätzlich zu den übrigen Kosten gezahlt werden muss. Das ist nicht sehr viel, schmälert aber dennoch dauerhaft die Rendite für Sparer. Zudem kommt es bei solchen Fondsfusionen meist zu Steueränderungen, wenn sie über Ländergrenzen hinweg erfolgen. Zwingend sind sie zwar nicht, in diesem Fall aber höchst wahrscheinlich: Denn steuerneutral lassen sich nur Fonds innerhalb eines Landes verschmelzen, oder wenn beide Fonds trotz unterschiedlicher Länder exakt demselben Recht unterliegen. Wird aber ein Fonds ins Ausland übertragen und gelten dort andere Finanz- und Steuerregeln, dann gilt so ein Transfer als „steuerwirksam“, wie es im Amtsdeutsch heißt. In diesem Fall heißt es: Für die zwangsweise umgezogenen Anteile werden wohl höhere Steuern fällig.
Besonders ärgern dürften sich deutsche Fondsanleger, die bereits vor 2009 Anteile gekauft haben, also vor Einführung der Abgeltungssteuer. Damals galt noch das Recht: Der Verkauf und der Gewinn aus diesen Anteilen ist steuerfrei und das galt auch bis vor kurzem noch für diese Altanteile. Neuerdings müssen nun zwar auch die Erträge aus den Altfonds versteuert werden, jedoch nur, sofern sie über der Freigrenze von 100.000 Euro je Anleger liegen. Unterhalb dieser Freigrenze bleibt der Verkauf steuerfrei – aber genau das ändert sich für die migrierten Fondsanteile. Denn die Übertragung der alten britischen Anteile auf Luxemburger Fondstöpfe wertet der Fiskus als Verkauf der Altfonds und als Wiederkauf von Neufonds, also als einen kompletten Neuanfang. Diese Übertragung bleibt somit zwar steuerfrei innerhalb der Freigrenze, doch wenn der Anleger dann später endgültig seine Anteile abstößt, zahlt er in vollem Umfang die Abgeltungssteuer von 25 Prozent plus eventueller Kirchensteuer. Das schmerzt sehr, wenn man bereits vor 2009 größere Fondsbestände aufgebaut hatte. Und es bestraft gerade treue Langzeitanleger.
Für die Kunden ändert sich wenig - trotz Brexit
Wehren können sich Anleger gegen solche Verschmelzungen kaum. Zwar muss bei solchen Übertragungen die Zustimmung der Anteilseigner eingeholt werden. Doch um die Fondsfusion wirklich zu verhindern, müssten sich sehr viele Privatanleger auch an den Abstimmungen beteiligen oder stimmberechtigte Vertreter entsenden und mit „nein“ stimmen. Die Mehrheit der Fondsanleger besteht jedoch ohnehin meist aus institutionellen Investoren, die ebenfalls die Übertragung ablehnen müssten, was unwahrscheinlich ist. So sind viele Fondstransfers bereits in den vergangenen Monaten ohne große Aufmerksamkeit abgewickelt worden.
Tröstlich ist zurzeit immerhin für Bankkunden, die ihr Geld in Großbritannien angelegt haben, dass sich für sie trotz Brexit vermutlich wenig ändert. Deutsche Kunden mit deutschen Bankkonten betrifft er ohnehin nicht. Viele Tagesgeldkontoinhaber bei britischen Banken aber haben sich zuletzt gefragt, ob sie handeln müssen. Die Bank of Scotland tat sich zum Beispiel in der Vergangenheit mit hohen Tagesgeldzinsen hervor und dürfte auch hierzulande viele Kunden angeworben haben. Das Geld ist dort weiter sicher, denn auch nach dem Austritt Großbritanniens (in welcher Form er nun auch immer erfolgt) gilt dort erst einmal weiter die europäische Einlagensicherung. Auch ohne weitere Abkommen also bleiben 75.000 Pfund je Anleger abgedeckt, sagt auch der deutsche Bankenverband BdB. Nach aktuellem Umrechnungskurs ist das zwar etwas weniger als die gesamteuropäisch garantierten 100.000 Euro je Sparer, aber es reicht immerhin nahe an diese Summe heran. Die Bank of Scotland garantiert ihren Anlegern nach eigenen Aussagen 85.000 Pfund.
Ist eine britische Bank zudem noch Mitglied im freiwilligen Sicherungsverbund des Bundesverband deutscher Banken (BdB), wie es die Bank of Scotland ist, so stünde der Bankenverband im Insolvenzfall zusätzlich für eine Entschädigung gerade, die insgesamt maximal 250.000 Euro je Anleger abdecken würde. „Momentan“ ergäben sich also keine rechtlichen Änderungen bei britischen Banken durch den Brexit, so sagen die Banken selbst. Und auch der Bundesverband deutscher Banken schließt sich dieser Einschätzung an.
Natürlich könnten die Briten ihre Regeln nach dem Brexit ändern, doch dafür müssten sie erst einmal den Austritt schaffen – und dann zusätzlich zu den 21.000 Bestimmungen, die durch den Austritt aus den europäischen Verträgen neu zu verhandeln sind, auch noch in diesem Bereich neue Lösungen finden. Und damit tun sie sich ja bekanntlich nicht gerade leicht.