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Christoph Bruns Warum an den Finanzmärkten Nüchternheit eingekehrt ist

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
Die Euphorie an den Finanzmärkten ist zum Jahresauftakt einer nüchternen Bestandsaufnahme gewichen. Und da zeigt sich: Die Aussichten sind trübe. Trotzdem ergeben sich für Anleger gute Chancen

Nach der fulminanten Jahresendrally prägt Nüchternheit den Jahresauftakt. Auf die Euphorie der Monate November und Dezember hat eine sachliche Bestandsaufnahme zu den Themen Wachstum, Inflation und Politik eingesetzt. Dabei zeigt sich ein eher trübes Makrobild, denn die Wachstumsraten der Volkswirtschaften schwächen sich ab, während die Inflation nach wie vor zu hoch ist und zuletzt sogar mit Anstiegen und Hartnäckigkeit auffiel. 

Überdies werfen die zumeist schwierigen politischen Konstellationen einen Schatten auf das Jahr 2024. Vor allem der amerikanische Wahlkampf erweist sich dabei erwartungsgemäß als Medienmagnet. Es vergeht kein Tag, an dem nicht Donald Trump die Schlagzeilen der Medien beherrscht. Als Medien-Genie versteht es der Ex-Präsident wie kein Zweiter, die Emotionen seiner Gegner und seiner Verehrer für sich in Aufmerksamkeit und Prominenz umzumünzen. 

Für die Kapitalmärkte ist der amerikanische Wahlkampf ein bedeutsames Ereignis. Man sollte sich stets zu Bewusstsein bringen, wie dominant amerikanische Emittenten auf den Aktien-, Anleihen-, Währungs- und Rohstoffmärkten sind. Am viel beachteten Weltaktienindex MSCI Welt weisen amerikanische Aktien ein Gewicht von fast zwei Dritteln auf. Bei den Anleihenmärkten sind es knapp 40 Prozent und der US-Dollar dominiert als Hauptreservewährung der Welt den internationalen Devisenhandel. Ferner sind die USA der größte Erdölförderer der Welt und zunehmend auch ein wichtiger Exporteur von Energie; vor allem Erdgas.

Inflation – Spätfolge der Anleihenkäufe

Zur gleichen Zeit sind die Markterwartungen auf mehrere Leitzinssenkungen durch die Notenbanken riesig und bereits in die Kurse eingepreist. Umso verwunderlicher ist es, dass die Bond-Hausse der letzten Wochen nicht von Fed, EZB und Co. genutzt wurde, um nicht durch Anleihenverkäufe etwas Luft aus ihren mächtig aufgeblähten Bilanzen zu lassen. Möglicherweise scheuen die Notenbanken vor diesem Schritt zurück, um nicht die dabei entstehenden hohen Verluste öffentlichkeitswirksam werden zu lassen. Denn es darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Dauerniedrigzinsphase und den exzessiven Anleihekäufen um ein riesiges Experiment handelte, dass schließlich einer hohen Geldentwertung Vorschub geleistet hat. 

Übrigens sollte man an dieser Stelle erwähnen, dass nicht alle Notenbanken diesbezüglich den gleichen Weg gegangen sind. In der Schweiz und vor allem in Japan hielten es die dortigen Notenbanken für klüger, in großem Umfang Aktien anstatt Anleihen zu kaufen. Heute lässt sich dieser Weg als erfolgreicher kennzeichnen. Dabei bewies die Schweizerische Nationalbank einen sehr guten Riecher, indem signifikante Position in Apple, Microsoft, Nvidia, Amazon und Alphabet aufgebaut wurden, während in Japan ausschließlich heimische Aktien erworben wurden. Vielleicht ist es Zufall, aber beide Länder haben kein Inflationsproblem.

Chancen für Anleger

Die kluge langfristige Politik der Schweiz hat dem Land Bedingungen für enormen Wohlstand, und zwar in großer Breite geschaffen. Davon können wir in Deutschland nur träumen. Denken wir etwa an eine dritte – kapitalgedeckte – Säule der Altersvorsorge: Während bei den Eidgenossen ein solches System seit Jahrzehnten zum Wohle der Bürger betrieben wird, gelingt dem Nachbarland Deutschland der Einstieg seit dem Pillenknick in den 60er-Jahren auch nach fünf verschlafenen Jahrzehnten nicht.

Ungeachtet dessen bringt das Jahr 2024 für Aktienanleger durchaus gute Chancen mit sich. Auch deutsche Aktiengesellschaften, die oftmals einen Großteil ihrer Umsätze und Gewinne im Ausland erwirtschaften, bieten mitunter gute Einstiegsgelegenheiten. Anleger, die Mut haben, außerhalb der ausgetretenen Pfade unterwegs zu sein, treffen hier und da auf attraktive Geschäftsmodelle zu sehr annehmbaren Preisen. Die aktive Suche nach solchen Gelegenheiten könnte den Nährboden für eine Renaissance aktiven Managements einleiten. Es gibt ein Leben jenseits der amerikanischen „Big 7“.

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