Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Es gibt diese Momente, in denen man nicht weiß, wie es weitergeht. Am Kapitalmarkt vielleicht noch öfter als im Rest des Lebens. Man steht da und muss eine Entscheidung treffen, möchte das sogar. Nur, welche wird die richtige sein? Beim Aktienmarkt zum Beispiel: Traut man ihm in den kommenden Monaten noch Steigerungspotenzial zu, oder nicht? Soll man also in diesem Moment noch Aktien kaufen, oder setzt sich der Abwärtstrend der vergangenen Wochen fort? Wenn man das wüsste!
Nun hat der Kapitalmarkt noch für jede Börsen- und Lebenslage das passende Produkt erfunden, so auch für diesen Fall. Es gibt Papiere für unsichere Zeiten – und für chronisch unentschlossene Anleger dazu: Wandelanleihen. Man kauft sie als Anleihen, streicht jahrelang feste Zinsen ein und kann sich am Ende der Laufzeit überlegen, ob man sie nicht doch lieber in Aktien umtauscht. Dann nämlich, wenn der Aktienkurs des betreffenden Unternehmens stark gestiegen ist. Viele Marktbeobachter halten das derzeit für eines der cleversten Investments, das Anleger tätigen können.
Allerdings haben die Papiere auch gerade gezeigt, dass sie nicht nur eine extrem gute Gelegenheit für Anleger sein können, sondern auch eine ziemlich unberechenbare. Einige Investoren verlieren nämlich demnächst sehr viel Geld, obwohl sie auf ein sehr solides und zugkräftiges Unternehmen setzten, auf VW. Im Jahr 2012 platzierte der Wolfsburger Autobauer für 2,5 Mrd. Euro eine Wandelanleihe am Markt, deren Höhe er später auf 3,7 Mrd. Euro aufstockte. Dafür zahlte er drei Jahre lang 5,5 Prozent Zinsen. Nicht nur für die heutige Zeit ist das eine Menge, es war auch für damalige Verhältnisse schon viel und mehr als das Doppelte dessen, was Anleger mit zehnjährigen Staatspapieren hätten einstreichen können.
Herbe Verluste für Investoren
Warum VW so hohe Zinsen versprach? Weil es eine Zwangswandelanleihe war, bei der Investoren nicht – wie sonst üblich – am Ende der Laufzeit das Wahlrecht haben, ob sie den Nennwert der Anleihe zu 100 Prozent ausbezahlt bekommen möchten, oder ob sie lieber Aktien des Unternehmens erhalten wollen. Bei Zwangswandelanleihen muss das Geld in Aktien getauscht werden.
Genau das rächt sich für die VW-Anleger jetzt: Denn vor drei Jahren konnte sich noch niemand vorstellen, dass sich der Aktienkurs nicht nach oben bewegen würde. Im November 2012 stand der Kurs bei 150 Euro. Selbst vor wenigen Monaten noch galt der Konzern als einer der aussichtsreichsten seines Sektors, weil er über Jahre gewachsen ist. Das Gleiche tat der Aktienkurs, er stand im April 2015 noch bei 250 Euro. Da sah es noch so aus, als würden die Wandelanleihenbesitzer einen großen Gewinn einstreichen. Inzwischen notiert die Aktie bei etwa 100 Euro und in wenigen Wochen müssen die Investoren ihre Anleihen nun zwangsumtauschen. Der Kurs, zu dem das geschieht, wurde bereits bei Auflage des Papiers festgelegt und später noch einmal moderat angepasst. Der Umtauschkurs beträgt 144 Euro. Das heißt: Jede Aktie kommt die Anleger gut 40 Euro teurer zu stehen, im Vergleich zu dem Preis, den sie beim Kauf an der Börse aktuell dafür bezahlen würden.
Für alle Investoren bedeutet das einen herben Verlust, schließlich hat jeder von ihnen mindestens 100.000 Euro in die Wandelanleihe investiert. Denn – und das ist zumindest aus Privatanlegersicht die gute Nachricht an dieser Stelle – es waren überwiegend Großinvestoren, die dieses Papier gezeichnet hatten. Die strichen pro 100.000-Euro-Anteil zwar jedes Jahr 5500 Euro Zinsen ein, also 16.500 Euro, aber sie zahlen für den Zwangserwerb der Aktien rund 30.000 Euro zu viel. Unterm Strich machen sie also etwa 13.500 Euro Verlust.
Wandelanleihenfonds für Privatanleger
Nun sind Zwangswandelanleihen eine Spezialspielart dieser Papiere, die es auf dem Markt nicht allzu oft gibt. Ohnehin sind Wandelanleihen nicht arg verbreitet, ihr Volumen wird weltweit auf etwa 450 Mrd. Dollar geschätzt und nur rund 700 Unternehmen begeben sie. In Europa sind die Stückelungen so hoch – es gibt sie ab 50.000 Euro –, dass Privatanleger sie selten im Depot haben, doch in den USA bekommt man sie bereits ab 1000 Euro.
Zudem gibt es etliche Wandelanleihenfonds, die viele solcher Papiere bündeln und sie deshalb auch Sparern mit kleinem Einsatz zugänglich machen. Und für Anleger lohnen sich diese Papiere gerade jetzt, sagen Marktkenner. Denn sie schwanken weniger als Aktien, bringen aber eine vergleichbare Rendite, zumindest eine bessere Rendite als Anleihen und sie hielten im laufenden Jahr erheblich stabiler ihren Wert als weltweite Aktieninvestments. Die verloren im Schnitt acht Prozent bisher. Wandelanleihen bloß 1,6 Prozent.
Das Marktumfeld, in denen die wandelbaren Papiere ihre Stärke ausspielen können ist: Es herrscht große Unsicherheit, ob ein Abschwung kommt. Anleger möchten aber, falls die Märkte stürzen, auch nicht den darauf folgenden Aufschwung verpassen und an den Kurssteigerungen teilhaben. Deshalb möchten sie dennoch investieren und zwischenzeitlich gern ein paar Zinsen einstreichen. So unmöglich es auch klingt, all diese Ziele zu vereinbaren: Mit Wandelanleihen geht genau das.
am Ende der Laufzeit können Anleger selbst entscheiden
Denn sie vollziehen die Steigerungen am Aktienmarkt mit, nur etwas langsamer. Steigt der Kurs einer Aktie um 1 Euro, dann steigt der Wert der Wandelanleihe um etwa 60 Cent. Bei fallenden Kursen haben Anleger sogar einen großen Sicherheitspuffer, denn Wandelanleihen fallen nur um ein Drittel so stark wie der Aktienkurs. Und am Ende der Laufzeit können Anleger selbst entscheiden: Liegt der Börsenkurs der Aktie über dem der Wandelanleihe, ist es clever, die Aktien zu wählen. Liegt deren Kurs unter dem der Anleihe, lässt man sich den Nennwert auszahlen. Der Kunststoffspezialist SGL Carbon hat zum Beispiel gerade so eine Wandelanleihe aufgelegt und verzinst sie mit 3,5 Prozent.
Wer nun nicht mit der erforderlichen fünf- oder sechsstelligen Summe auf ein einziges Unternehmen setzen möchte oder wem schlicht das nötige Kleingeld dafür fehlt, der sollte sich bei den Wandelanleihenfonds umschauen. Fonds, die auf europäische Firmen setzten, schafften im besten Fall in den vergangenen fünf Jahren 35 Prozent Rendite, also sieben Prozent im Jahr, etwa solche von Parvest, Aberdeen oder der UBS. Letztere ist mit ihrem Fonds bereits seit zwölf Jahren am Markt und schaffte auf Zehnjahressicht sogar 8,3 Prozent Plus. Zudem ist das Papier recht günstig für drei Prozent Ausgabeaufschlag zu haben und einer Gesamtkostenquote von 0,03 Prozent. Bei den anderen beiden Fondsgesellschaften liegen die Ausgabeaufschläge bei fünf beziehungsweise 6,38 Prozent und die Kosten betragen 0,87 und 1,63 Prozent.
Wer auf die vielen US-Unternehmen setzen will, die besonders viele Wandelanleihen begeben, der sollte sich die global ausgerichteten Fonds von M&G ansehen, die in Euro notieren und auf Fünfjahressicht 45 bis 50 Prozent Rendite schafften. Auch beim Ausgabeaufschlag (1,25 Prozent) und den Gesamtkosten (0,91 Prozent) sind sie konkurrenzfähig. Den Anlegern bleibt zu wünschen: Dass sie sich wenigstens zwischen diesen Optionen entscheiden können. Und die Börsen diesem Segment noch länger gewogen bleiben.