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Geldanlage Vollbremsung bei Autoaktien

Lange waren Autoaktien die Dax-Stars. Der Abgasskandal sorgt für einen herben Rücksetzer. Aber was passiert als nächstes? Von Nadine Oberhuber
Geldanlage: Vollbremsung bei Autoaktien

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Nach einer Vollbremsung kommt in manchen Fällen die Erleichterung, wenn man sieht, dass der Aufprall ausgeblieben ist. So ähnlich war es diese Woche bei den Autoaktien. Seit Ende April legten viele Autowerte an den Börsen eine deutliche Bremsspur hin. Denn es sind weitere Details zum Abgasskandal ans Licht gekommen. Sie nähren neue Zweifel an der Dieseltechnologie, werfen die Frage auf, welche Marken wohl noch Unstimmigkeiten bei Abgasmessungen aufweisen, wie gut Prüfmessungen überhaupt funktionieren und auf welche Rückrufaktionen sich Verbraucher einstellen müssen. Nicht nur VW hat bei den Abgaswerten getrickst, so viel ist nun klar. Es gibt ein größeres Problem in der Branche. Viele Aktionäre verließen auf die jüngsten Meldungen hin fluchtartig den Sektor und trennten sich massenhaft von ihren Autoaktien.

Die BMW-Aktie fiel um 17 Prozent in nur zwei Wochen von 84 Euro auf rund 70 Euro. Daimler bremste von 66 Euro auf 57 runter. Der Dax-Sector-Automobile-Index verlor seit Ende April vier Prozent, von 1425 Punkten auf 1300. Zeitweise zog die Autobranche den gesamten Deutschen Leitindex mit in die Tiefe, schließlich haben die Autobauer inklusive ihrer Zulieferer ein gehöriges Gewicht. Auch international zeigten sich deutliche Spuren in den Indizes, weil inzwischen sehr viele Automobilkonzerne an der Börse einen Gang zurückgeschaltet haben: General Motors, Porsche, Volvo, Honda, Mazda, Hyundai, und Peugeot – Autoaktien notieren derzeit im Minus. Der europäische Sektorindex Stoxx Europe 600 Automobiles bremste zuletzt von 50 auf 45 Punkte herunter.

Ist das nur eine vorübergehende Leerlaufphase, von der sich die Branche schnell wieder erholt? Schließlich waren die Autopapiere in den vergangenen Jahren der absolute Renner an den Börsen. Wer auf sie setzte, fuhr damit über lange Zeit garantiert Gewinne ein: Der Sektor legte in Deutschland und Europa sehr verlässlich pro Jahr um rund zehn Prozent zu. Auf Zehnjahressicht schaffte er sogar 176 Prozent Wertentwicklung. So rasant war sonst kaum eine Branche.

VW legte gegen den Trend zu

Auch die VW-Aktie übrigens gab inzwischen wieder mächtig Gas, obwohl nach Auffliegen des Abgasmanipulation im Herbst so mancher Analyst unkte, der Skandal könne vielleicht sogar den Motor des Gesamtkonzerns ins Stottern bringen. Von wegen! So scheint bisher der Kurs zu sagen: Im September brach die Aktie jäh von 162 Euro auf 92 Euro ein, das waren rund 45 Prozent Wertverlust. Inzwischen aber steht das Papier wieder bei einem Kurs von 129 Euro. Es hat den Einbruch erstaunlich gut wieder wettgemacht. Die VW-Aktie war übrigens eine der wenigen, die in den vergangenen Wochen nicht mit der Gesamtbranche verloren, sondern sie hat sogar gegen den Trend zugelegt. Daran sieht man, wie schnell der Markt große Negativereignisse wieder vergisst.

Noch im März stellten viele Analysten den Autobauern glänzende Prognosen für die Zukunft aus: Von geläuterten Vorständen war die Rede, die künftig alles besser machen würden, damit sich so eine Manipulation nicht wiederhole. Zudem träumen viele zurzeit von selbstfahrenden Autos und vom Konzept der autonomen Mobilität, das den Herstellern schon bald ein gigantisches Absatzpotenzial eröffnen soll. Selbst wer auf herkömmliche Technik setzt, geriet ins Schwärmen angesichts der neuen Modelle, die gerade beim Genfer Autosalon präsentiert wurden. Der März gab der Branche einen Euphorieschub.

Auch die Verkaufszahlen im April passten dazu: Tatsächlich machte die Auto-Absatzstatistik in den ersten Monaten diesen Jahres einen Satz nach vorn. Heimische Autobauer haben 5,6 Prozent mehr neue Fahrzeuge verkauft als im Jahr zuvor. Daraufhin hob die deutsche Autobranche ihre Gesamtprognose fürs laufende Jahr an: Sie will nun drei Prozent mehr einfahren als im Vorjahr, so lautet das Ziel. Das wäre ein gutes Ergebnis und müsste die Kurse vieler Autoaktien bald wieder steigen lassen. So gesehen wären viele Einzelaktien und erst recht Indexpapiere auf den Automobilsektor gerade jetzt eine gute Kaufgelegenheit. Denn wenn der europäische Automobilsektor-Index Stoxx 600 Automobiles auch nur ansatzweise wieder aufholt, was er in den vergangenen Monaten eingebüßt hat (nämlich 30 Prozent), dann wäre eine gigantische Rendite für Neueinsteiger drin.

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Nur ist die Frage, ob die Branche künftig wirklich noch so viel Gas geben kann. Es gibt nämlich auch warnende Stimmen, die sagen, der jüngste Absturz könnte erst der Anfang sein. Der Anfang einer Abwärtsbewegung im Sektor, die daraus resultieren würde, dass sowohl die Gewinne als auch die Kurse der Unternehmen demnächst einen Gang zurückschalten. Die Probleme der Branche sind die hohen Investitionen. Außerdem lässt der positive Effekt der sinkenden Ölpreise langsam nach, er senkte zuletzt die Herstellungskosten und beflügelte den Absatz. Für Preiserhöhungen bleibt aber kaum Spielraum, denn die Autobauer überboten sich zuletzt gegenseitig mit Rabatten. Als Folge der Skandalmeldungen sinkt außerdem spürbar das Vertrauen der Konsumenten. Zumindest müssen sich Autohersteller der Tatsache stellen, dass ihr Image branchenweit enorm eingebüßt hat, wie aktuelle Umfragen belegen.

Vorsicht beim Kauf von Autoaktien

Das schwerwiegendste Argument jedoch ist: Der Automobilsektor ist eine extrem zyklische Branche. Das heißt: Sollte sich die Konjunktur demnächst eintrüben, weil die Weltwirtschaft tatsächlich in der letzten Phase eines langjährigen Aufwärtstrends angekommen ist, der irgendwann sein Ende finden wird, dann wird die Autobranche eine der ersten sein, die davon getroffen wird. Mit dem großen Kursanstieg der Vergangenheit könnte also schon bald Schluss sein.

Schaut man sich den Wert des Automobilsektors über extrem lange Zeit an, seit 1989, so sieht es tatsächlich danach aus, als hätte diese Verlangsamung oder Bremsbewegung bereits eingesetzt. Die nervöse Phase, in die der Gesamtsektor seit März 2015 eingetreten ist, begann weit vor dem Aufdecken des VW-Skandals und kann gewiss auch nicht nur mit den Problemen dieses einen Unternehmens zu tun haben und genährt worden sein. Von daher scheint es eher realistisch als pessimistisch, wenn einige Marktbeobachter derzeit dazu raten, lieber vorsichtig beim Autoaktienkauf zu sein.

Wer Einzelaktien hat, soll sie halten. Wer trotzdem einsteigen will, sollte sich am besten einen Indexfonds auf den Stoxx 600 Automobiles zulegen oder auf den Dax-Sector Automobile – dann aber auch die Nerven bewahren, wenn beide in den kommenden Monaten auch mal den Rückwärtsgang einlegen. Denn der Dax-Sector zum Beispiel schwankt heftig, nach oben wie nach unten: Noch 2010 stand er bei 460 Punkten, fünf Jahre später bereits bei 1900. Heute, ein Jahr danach aber wieder bei 1300. Große Ausschläge sind hier also ganz normal. Und wer unbedingt mal Vollgas geben will, aber notfalls eine Vollbremsung verkraftet, der kann sich VW-Aktien kaufen, als spekulativstes Investment zurzeit. Und hoffen, dass ein weiterer Absturz oder gar Aufprall ausbleibt.

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