Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Teilhaber der Fondsgesellschaft Loys AG.
Die Sparkassenorganisation hat unlängst ihr jährliches „Vermögensbarometer“ veröffentlicht. In einer bundesweiten Erhebung ermittelt dabei ein beauftragtes Wirtschafts- und Finanzmarktforschungsinstitut die Einstellungen der Deutschen zum Thema „Geld“. Schaut man sich die Ergebnisse an, kann man nur entsetzt sein. Sogleich erschließt sich dem etwas kundigen Beobachter, warum sich weltweit das Wort vom „dumb German money“ als Redewendung eingenistet hat.
Zunächst ist erfreulich, dass der größte Teil der Befragten die eigene gegenwärtige finanzielle Situation als sehr gut beziehungsweise gut einschätzt. Ferner erfährt man, dass die meisten Befragten ihren Konsum zuletzt ausgeweitet haben, wenngleich nicht sehr dramatisch. Richtig spannend wird es dann aber beim Thema „Vermögensaufbau“. Dort geben die Probanden an, Sicherheit sei bei Ihnen der wichtigste Einzelfaktor und habe im Lauf der letzten Jahre noch deutlich an Bedeutung zugenommen.
Die Hypothese liegt nahe, dass hinter dieser vermeintlichen Sicherheitsorientierung die zunehmende Überalterung Deutschlands steht. Es ist soziologisch belegt, dass Menschen mit zunehmendem Alter vorsichtiger werden. Während Sicherheit für 57 Prozent der Befragten an erster Stelle steht, nimmt der Faktor „hohe Rendite“ mit 22 Prozent nur einen mittleren Platz ein. Finanzmarktkenner, die Renditeverteilungen über lange Zeitläufe messen, bleiben indes überzeugt, dass das erste Moment einer Renditeverteilung, der Erwartungswert der Rendite, wichtiger als das zweite Moment solcher Verteilungen ist – dem Risiko zum Beispiel verstanden als Schwankung der beobachteten Renditen. Das ist auch logisch so, denn beim Vermögensaufbau muss es primär um den Aufbau gehen, sonst wäre der Begriff Vermögenserhalt besser gewählt.
Wo bleibt die Aktienanlage?
An dieser Stelle ahnt der Leser bereits, dass die unkluge Priorisierung der Anlageziele für die meisten Anleger der Hauptgrund für den enttäuschenden Vermögensaufbau in Deutschland ist, der durch Studien der EZB, der Bundesbank und der Wirtschaftsinstitute empirisch gut belegt ist. Denn wenn die Ziele nicht sinnvoll gewählt werden, wie soll dann der richtige Weg gefunden werden?
Wundern muss sich der Leser des Vermögensbarometers über die Faktoren „Flexibilität“ und „Verfügbarkeit“, zumal in einer Abbildung als am besten geeignete Produkte für den Vermögensaufbau Immobilien zur Selbstnutzung und Immobilien zum Vermieten genannt werden. Auf Platz drei steht dann der Bausparvertrag und auf Platz fünf die klassische Lebensversicherung. Wie passen diese Nennungen zu den oben genannten Zielen? Man kann von Immobilien viel halten, aber den Vorteil der Verfügbarkeit und Flexibilität weisen sie, wie der Name bereits andeutet, weiß Gott nicht auf. Für Bausparverträge und Lebensversicherungspolicen gilt mutatis mutandis das Gleiche.
Daher ist der Betrachter einigermaßen schockiert, wenn er feststellen muss, dass die Vermögensziele, die ihrerseits schon unklug gewählt sind, zu den präferierten Produkten äußerst schlecht passen. Sehr wohl lässt sich dieser Befund als trauriger Beleg für das immer einmal wieder behauptete weitgehende Analphabetentum deutscher Sparer beim Thema Geldanlage deuten. Das Maß wird endgültig voll, wenn man liest, dass das Sparbuch sogar für deutlich geeigneter gehalten wird als die Aktienanlage.
Deutschland wird wohl nie zum Aktienland
Dieses Ergebnis findet obendrein noch seine Bestätigung in einer anderen Abbildung des Vermögensbarometers, wo das Sparbuch nach der Immobilie als zweitwichtigster Weg zur privaten Altersvorsorge genannt wird. Auch hier läuft die Aktienanlage unter ferner liefen. Allein schon aus Sicherheitsgründen empfiehlt sich jedoch die Tätigung von Aktieninvestments, denn der Diversifikationsbeitrag (praktizierte Risikominderung) dürfte angesichts der Zinslastigkeit der seit Jahrzehnten bevorzugten Anlageprodukte sehr hoch sein.
Es ist wohl an der Zeit, die Hoffnung aufzugeben, dass sich Deutschland noch zum Land der Wirtschaftsbeteiligten und zum Land der Miteigentümer an der Wirtschaft entwickeln wird. Die konservativ betriebene Aktienanlage ist seit mehr als zwei Jahrhunderten in den USA und anderenorts der klügste Weg, um langfristig Vermögen durch Geldanlage aufzubauen. Die „verspätete Nation“ findet bis heute nicht den Zugang zu diesem bewährten Weg.
Aus ChicagoIhr
Dr. Christoph Bruns
Newsletter: „Capital- Die Woche“
Jeden Freitag lassen wir in unserem Newsletter „Capital – Die Woche“ für Sie die letzten sieben Tage aus Capital-Sicht Revue passieren. Sie finden in unserem Newsletter ausgewählte Kolumnen, Geldanlagetipps und Artikel von unserer Webseite, die wir für Sie zusammenstellen. „Capital – Die Woche“ können Sie hier bestellen: