Die USA haben die Stopp-Taste gedrückt. Bis zur Präsidentschaftswahl am 8. November scheint das ganze Land den Atem anzuhalten. Das gilt auch für die US-Notenbank Fed. Auf ihrer Sitzung Mitte September hat sie weder den Leitzins weiter angehoben noch sonstige Schritte unternommen. Eventuell könnten die Zinsen im Dezember steigen, signalisierte das Offenmarktkomitee der Fed. Unterdessen sendet die US-Wirtschaft gemischte Signale: Die Industrieproduktion schrumpft seit Monaten, die Häuserpreise stagnieren. Andererseits läuft es auf dem Arbeitsmarkt gut, und die Inflation ist zuletzt wie geplant gestiegen, wenn auch nur leicht.
Unterm Strich wird die US-Wirtschaft im laufenden Jahr erneut wachsen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Plus von 2,2 Prozent. Das ist zwar weniger als noch zu Jahresbeginn erwartet, aber immerhin mehr als in der Eurozone. Das Wachstum in den USA wird schwächer, aber es endet nicht.
Kein Anzeichen für einen Konjunktureinbruch
Gewisse Ermüdungserscheinungen seien jetzt nicht verwunderlich, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. Der aktuelle Wirtschaftszyklus in den USA ist der viertlängste der vergangenen hundert Jahre. Er läuft bereits seit Juli 2009, das entspricht 86 Monaten. In der Vergangenheit dauerte eine Wachstumsphase im Schnitt nur 46 Monate. Der aktuelle Zyklus hat also definitiv ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Anleger mit US-Aktien im Portfolio müssen trotzdem nicht unruhig werden, sagt Galler: „Ein unmittelbares Ende des Zyklus ist noch nicht in Sicht.“
Weder auf dem Immobilien- noch auf dem Arbeitsmarkt in den USA gibt es Anzeichen dafür, dass ein Konjunktureinbruch bevorsteht. Durchwachsener ist die Lage bei den Unternehmensgewinnen. Die Erzeugerpreise steigen langsamer als die Lohnstückkosten. Deshalb sinken die Gewinne der Unternehmen. Ob die US-Firmen diese Entwicklung ausgleichen können, hängt davon ab, ob es ihnen gelingt, höhere Preise für ihre Waren und Dienstleistungen durchzusetzen. „Wenn die Erholung des Ölpreises und der Rückgang des US-Dollars die erwartete Gewinnerholung nach sich ziehen, ist in diesem Jahr kaum mit einer Rezession oder einer Baisse zu rechnen“, sagt Galler.
US-Substanzwerte sind eine gute Wahl
Für Anleger mit US-Aktien im Portfolio heißt das: Die Kurse könnten unter bestimmten Bedingungen weiter steigen. Mehrere US-Indizes haben im laufenden Jahr bereits neue Rekordstände erreicht. Sollte der aktuelle Konjunkturzyklus weiterlaufen, ist die Rally womöglich noch nicht am Ende. Wer neu einsteigen oder seine Position in US-Aktien ausbauen will, sollte jetzt allerdings nicht wahllos zugreifen. Schließlich sind die Bewertungen bereits sehr hoch, und es ist abzusehen, dass die Lage über kurz oder lang drehen wird.
Anleger sollten sich auf die wenigen Segmente des US-Marktes konzentrieren, die noch vergleichsweise günstig sind, rät Kapitalmarktstratege Galler. Auch Substanzwerte seien jetzt eine gute Wahl, also Aktien von soliden und wenig konjunktursensiblen Unternehmen. Eine solche Auswahl könnte sich gleich doppelt bezahlt machen: Erstens, wenn der aktuelle Konjunkturzyklus früher oder später doch zu Ende geht. Zweitens, falls das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl den Aktienmarkt zum Schwanken bringt. Langfristig sind zwar die Wirtschaftsdaten und die Politik der Fed entscheidend für die Entwicklung der Aktienkurse. Kurzfristig kann der Wahlausgang aber nach Einschätzung von Marktbeobachtern für Unsicherheit und Volatilität sorgen.