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Altersvorsorge Gezerre um die Frühstartrente – gehen Neobroker doch leer aus?

Neobroker wie Trade Republic hoffen auf Zulauf durch die Frühstartrente
Neobroker wie Trade Republic hoffen auf Zulauf durch die Frühstartrente
© Thomas Trutschel/photothek via www.imago-images.de / IMAGO
Mit der Frühstartrente soll jedes Kind ab sechs Jahren Geld auf ein Depot bekommen. Neobroker wie Trade Republic hoffen auf großen Zulauf. Doch jetzt gibt es plötzlich andere Pläne in der Bundesregierung

Der Aufschlag war groß. Im Mai startete der Neobroker Trade Republic ein Kinderdepot, mit dem Eltern für ihren Nachwuchs am Aktienmarkt anlegen können. „Das Rentensystem ist in Zukunft nicht sicher. Unseren Kindern werden eine marode Altersvorsorge und hohe Staatsschulden hinterlassen“, hieß es dazu in einer Mitteilung. Aus Sicht des Brokers könne „nur der eigene, frühe Vermögensaufbau der jungen Generation helfen, in Sicherheit alt zu werden“. Wettbewerber wie Scalable Capital oder Finanzen.net Zero wollen nachziehen: auch sie kündigten ein Depotangebot speziell für Kinder an. 

Ein Grund für die Produktoffensive war auch die von der Bundesregierung geplante Frühstartrente. Das Modell sieht laut dem Koalitionsvertrag vor, dass jedes Kind ab sechs Jahren von 2026 an monatlich zehn Euro für die Altersvorsorge erhält – eingezahlt auf ein privatwirtschaftlich organisiertes Depot. Es soll der langfristige Grundstein für eine eigenverantwortliche Altersvorsorge sein. Für die Neobroker würde dies einen enormen Schub bedeuten: Der Zustrom neuer Kunden wäre ihnen damit praktisch sicher.

Frühstartrente: SPD erwägt Staatsfonds

Doch womöglich kommt das Geld der Bundesregierung gar nicht erst bei den Neobrokern an. So gibt es vor dem geplanten Start der Frühstartrente weiter Streit um die Ausgestaltung des Projekts. Während das SPD-geführte Finanzministerium noch an einem Gesetzentwurf arbeitet, zeichnet sich ab, dass neben der ursprünglich vorgesehenen privatwirtschaftlichen Lösung auch ein staatlich verwaltetes Modell auf dem Tisch liegt. Dies erfuhr Capital aus Koalitionskreisen.

Nach Erwägungen der SPD sollen die Mittel nicht in individuelle Depots fließen, sondern in den staatlichen Kenfo-Fonds, der das Geld zentral verwaltet und an die Kinder ausschüttet, sobald sie das 18. Lebensjahr erreichen. Befürworter sehen darin einen schnellen und unbürokratischen Weg, die Frühstartrente umzusetzen. Andererseits würde dies wohl bedeuten, dass keine privaten Zuzahlungen möglich sind – etwa durch Eltern oder Angehörige. 

SPD-Finanzpolitiker Michael Thews betonte auf Anfrage, es liege bislang kein Referentenentwurf des Finanzministeriums vor. Zwar stehe seine Partei einer privatwirtschaftlichen Lösung nicht entgegen. Wichtig sei aber, dass alle Kinder einer Altersgruppe beteiligt würden. „In diesem Sinne könnte ein öffentlich verwalteter Fonds als Auffanglösung sinnvoll sein“, so Thews. Das Finanzministerium wollte sich auf Anfrage von Capital nicht zu Details äußern.

Nur ein Jahrgang soll profitieren

Daneben gibt es offenbar noch einen weiteren Zankapfel: Nach den bisherigen Überlegungen soll die Förderung zunächst nur Kinder erfassen, die im kommenden Jahr ihren sechsten Geburtstag feiern – also den Jahrgang 2020. Der Aufbau soll dann schrittweise erfolgen: 2027 käme der Jahrgang 2021 hinzu, und so weiter. Ältere Kinder würden damit allerdings ausgeschlossen. Begründet wird dies mit den begrenzten Haushaltsmitteln: Im Etat 2026 sind zunächst 100 Mio. Euro für die Frühstartrente eingeplant, genug, um einen einzigen Jahrgang mit rund 700.000 Kindern abzudecken. Ob und wann weitere Altersgruppen berücksichtigt werden, ist offen.

Bei der Union stoßen die jüngsten Pläne der SPD auf Kritik. Ein kollektives Modell lehne man grundsätzlich ab, heißt es von Beteiligten aus dem Finanzausschuss. Dies würde der Vereinbarung im Koalitionsvertrag widersprechen und den Kern der Frühstartrente verfälschen: Wettbewerb zwischen verschiedenen Produkten und die Chance, Kinder früh an den Umgang mit Geld und Finanzbildung heranzuführen. Statt einer einmaligen Auszahlung mit 18, so die Argumentation, müsse es darum gehen, junge Sparer langfristig an ein privatwirtschaftlich organisiertes Vorsorgedepot heranzuführen.

Kritik von Neobrokern: „zum Fremdschämen“

In der Finanzbranche zeigt man sich ebenfalls irritiert von den Staatsfonds-Plänen. Der Neobroker Scalable Capital erklärte auf Anfrage, es sei „essentiell, an der vereinbarten privatwirtschaftlichen Lösung festzuhalten“. Nur so ließen sich die Vermögen dauerhaft vor staatlichem Einfluss schützen und die Finanzbildung in der Gesellschaft stärken. Eine „Kollektivierung“ könne allenfalls für nicht abgerufene Mittel sinnvoll sein.

Ähnlich äußerte sich Thomas Soltau, Chef des Neobrokers Smartbroker. Er warnte davor, dass bei einer staatlichen Fondslösung der Lerneffekt für die jungen Sparer verloren gehe: „Finanzielle Bildung lässt sich so nicht fördern, und ohne individuelle Zuzahlungsmöglichkeiten bleibt jegliche Wirkung aus. Es ist zum Fremdschämen“. Dass außerdem nur ein Jahrgang – nämlich die Kinder, die jetzt sechs Jahre alt werden – gefördert werden sollen, hält Soltau angesichts eines neuen Haushalts mit 140 Mrd. Euro zusätzlicher Schulden für ein politisches Armutszeugnis. „Die Prioritäten könnten kaum falscher gesetzt sein.“

Mit einem Gesetzentwurf zur Frühstartrente wird in Koalitionskreisen frühestens im November gerechnet. Bis dahin bleibt Zeit für politische Einigungen.

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