Seit dem 30. Oktober befindet sich der S&P 500 im Aufwärtstrend. In den vergangenen zehn Tagen kletterte der Index um knapp 5 Prozent auf einen aktuellen Stand von rund 4383 Punkten. Auch der deutsche Dax erholte sich in diesem Zeitraum um immerhin knapp 4 Prozent. Der Aufschwung folgt auf einen längeren Bärenmarkt: Auf Dreimonatssicht stehen beide Indizes noch heute 2,59 respektive 3,46 Prozent im Minus.
Dass es nun wieder bergauf geht, lässt so manchen Ökonomen frohlocken: So rief Ed Yardeni, Präsident des US-Beratungsunternehmens Yardeni Research, schon vergangene Woche die sogenannte Weihnachtsrallye aus. „Es gibt immer noch Leute, die eine Rezession erwarten, aber die Realität ist: Die US-Wirtschaft und die Konsumenten waren bisher bemerkenswert widerstandsfähig. Das wird auch so bleiben“, sagte er in einem Interview mit dem kanadischen Fernsehsender BNN Bloomberg. „Die Weihnachtsrallye hat in den vergangenen Tagen begonnen.“
Streng genommen bezeichnen die Begriffe „Jahresendrally“ oder „Weihnachtsrally“ (englisch: Santa Claus Rally) sieben Handelstage rund um den Jahreswechsel: die fünf letzten im alten und die zwei ersten Tage im neuen Jahr, in denen die Börsen geöffnet sind. Statistisch gesehen verbuchte der S&P 500 in diesem Zeitraum zwischen den Jahren 1971/1972 und 2021/2022 jährlich einen durchschnittlichen Gewinn von 1,3 Prozent, so die Tagesschau. Eine weitere Definition umfasst einen Zeitraum ab Mitte Dezember, wo sich in der Vergangenheit ebenfalls eine saisonale Outperformance des S&P 500 gegenüber dem restlichen Jahr gezeigt hat.
Luxusfirmen treiben die Kurse
Branchen, die in der Regel vom Weihnachtsgeschäft besonders profitieren, sind beispielsweise Luxusunternehmen und Schokoladenhersteller, sowie Online-Händler und Logistikunternehmen. Logisch: Pralinen und Designer-Stücke sind klassische Weihnachtsgeschenke. Diese saisonalen Schwankungen im Geschäft haben aber viele Aktienkurse bereits eingepreist – zumal das erhoffte Umsatzplus dieses Jahr ohnehin von Konjunktursorgen getrübt wird. Schließlich hat die anhaltend hohe Inflation das Portmonee vieler Verbraucher geschmälert.
Investmentchancen sieht Yardeni deshalb unter anderem in einer anderen Branche: dem Technologie-Sektor. Tech-Titel gelten als zinssensitiv und fallen in der Regel mit steigenden Zinsen – sie könnten also im Zuge einer Zinswende deutlich gewinnen. Und tatsächlich scheinen Investoren schon darauf zu spekulieren: Der Tech-Index Nasdaq 100 verbucht auf Wochensicht 4,4 Prozent Plus, womit er den S&P 500 ( plus 3,42 Prozent) schlägt.
Jähes Ende in Sicht?
Hoffnung auf eine Zinswende sät zumindest die zurückliegende geldpolitische Sitzung der US-Zentralbank Federal Reserve. Vergangene Woche ließ die Fed ihre Leitzinsen erneut unverändert, einige Investoren halten den Zinshöhepunkt für erreicht. Eine Zinswende hätte für Unternehmen den Vorteil, dass sie sich wieder günstiger refinanzieren könnten. Sie würden mehr Gewinn machen – was in der Regel den Aktienkurs treibt.
Eine Zinswende würde aber auch indirekt über den Anleihemarkt wirken: Fallen die Zinsen, sinken damit auch die Anleiherenditen, was die Anlageklasse unattraktiver macht. Die sogenannte Aktienrisikoprämie wächst wieder – das ist die Differenz zwischen Aktienrenditen und vergleichsweise risikolosen Anleihen wie US-Staatsanleihen. Investoren haben dann eher einen Anreiz, in Aktien statt Anleihen zu investieren, sodass die Aktienkurse wieder steigen.
Dieser Effekt zeigte sich in den vergangenen Monaten: Wochenlang steigende Renditen bei Anleihen belasteten die Aktienkurse. Nun fallen die Anleihekurse angesichts einer potenziellen Zinswende, wenn auch zunächst gering: Zwischen dem 31. Oktober bis zum 7. November verloren beispielsweise zehnjährige US-Staatsanleihen knapp 36 Basispunkte und stehen derzeit bei 4,55 Prozent statt zuvor 4,93 Prozent Rendite. Ob der Aufwärtskurs der Aktienmärkte nachhaltig ist, hängt also maßgeblich von der Geldpolitik ab – vorrangig in den USA. Hinzu kommen unter anderem geopolitische Risiken, die Lage am Arbeitsmarkt und die Konjunkturentwicklung.
Nicht alle sind optimistisch, was die nahe Zukunft der Aktienmärkte betrifft. Mike Wilson, Investment-Chef bei Morgan Stanley, prognostizierte am Dienstag, dass sich die Wirtschaft bald verlangsamen werde. „Die Gewinnrezession ist nicht vorbei“, betont er. Alles deute darauf hin, „dass die Rally der letzten Woche in den kommenden ein bis zwei Wochen im Sande verlaufen sollte, da klar wird, dass das Wirtschaftswachstum weder eine Zinssenkung der Fed noch eine signifikante Beschleunigung des Gewinnwachstums in naher Zukunft unterstützt“.