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Christoph Bruns Japan wird nicht nur im Fußball unterschätzt

Christoph Bruns
Christoph Bruns
© Lyndon French
Japan gehört zwar zu den größten Volkswirtschaften der Welt, läuft hierzulande aber weitgehend unter dem Radar. Dabei ist das Land für Anleger einen Blick wert. Wer Geld in japanische Aktien investiert hat, ist glimpflich durch das schlechte Börsenjahr gekommen

Über das Land der aufgehenden Sonne wird wenig in den deutschen Medien berichtet. Das Wissen über Japan ist gering und das Interesse ebenso wie das finanzielle Engagement auf dessen Finanzmärkten wohl auch. In Analystenkreisen wird angesichts der Altersstruktur Japans mitunter sogar von einem sterbenden Land gesprochen. Freilich ist bei solchen Aussagen stets zu bedenken, welch prozyklisches Denken diesen in der Regel zugrunde liegt. Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts, als Japans Aktienmarkt größer als sein amerikanisches Pendant war, sahen die Auguren Japan im Besitz eines uneinholbaren industriellen Vorsprungs gegenüber dem Rest der Welt. Der jähe Absturz folgte dann ab 1987. 

Aktuell besteht die Gefahr, das Land zu verkennen und sogar zu unterschätzen. Zuletzt hatten bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar die Altchampions aus Deutschland und Spanien erleben müssen, wie eine disziplinierte japanische Elf ihnen empfindliche Niederlagen zufügte. In beiden Spielen lagen die Japaner übrigens zur Halbzeit zurück. Und auch Vizeeuropameister Kroatien benötigte ein Elfmeterschießen, um die Samurai-Kicker letztlich zu besiegen.

Mehr als 4000 börsennotierte Unternehmen

Auch ökonomisch besteht heutzutage die Gefahr, Japan zu unterschätzen. Das Land verfügt über die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ende August hatte Japan 1,2 Billionen seiner Währungsreserven in amerikanischen Staatsanleihen angelegt und war damit der größte ausländische Gläubiger der USA. Zugleich hält die japanische Notenbank auch ca. 50 Prozent der ausstehenden japanischen Staatsschulden. Des Weiteren wurde Japan nicht von den Kapitalmärkten zu einer Zinswende genötigt, denn die Inflation dort ist – im Gegensatz zu Europa und den USA – angesichts ihres Charakters als importierte Inflation keine unbeherrschbare Problematik.

Zudem beherbergt Japan nach den USA und China die größte Aktienbörse der Welt. Und vor allem: Nirgendwo gibt es mehr börsennotierte Unternehmen als in Japan. Insgesamt finden sich mehr als 4000 Unternehmen an den Börsen in Tokio und Osaka notiert. Insofern lässt sich mit Fug von einer ganz einzigartig reichen Aktienkultur im Land der aufgehenden Sonne sprechen.

Während aber die börsennotierte Aktiengesellschaft weite Verbreitung besitzt, fehlt es Nippon an einer Eigentümerkultur, wie sie z.B. aus den Vereinigten Staaten von Amerika bekannt ist. Hierdurch erklären sich oftmals die erstaunlich geringen Bewertungen, die man bei japanischen Aktien findet. Japanische Unternehmen, zumal aus der zweiten und dritten Reihe, werden oftmals wie Familienbetriebe geführt. Ebenso sind die Leitungsgremien häufig durch bemerkenswert alte Männer besetzt. Es fällt auf, wie wenige Frauen in den Vorständen dieser Unternehmen anzutreffen sind. Ferner zeigt sich die konservative Denkhaltung vieler Unternehmen in extrem starken Bilanzen. Nicht wenige Unternehmen verfügen über Netto-Kassenpositionen, die zuweilen bis zu 50 Prozent der gesamten Börsenkapitalisierung aufweisen. Effiziente Kapitalallokation sieht jedoch anders aus.

Neben Weltmarktführern wie Toyota, Fanuc, Sony, Bridgestone, Shimano etc. beherbergt Japan viele mittelständische Spitzenunternehmen, mit herausragenden Wachstums- und Profitabilitätskennzahlen. Nicht selten findet man derlei Unternehmen in den Sektoren Feinmechanik, Mikroelektronik und Optik.

Immerhin; unter den großen Aktienmärkten führt Japan in diesem Jahr– gerechnet in lokaler Währung – den Tross der Börsen mit einem geringfügigen Kursabschlag von ca. vier Prozent an. Vielleicht ein Anlass, sich tiefergehend mit japanischen Aktien zu befassen.

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