Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Für Ende nächster Woche steht nun der nächste Report über den europäischen Bankenstresstest an und von den Kontrollbehörden sickerte bereits durch: Für mindestens zwei italienische Banken sieht es derzeit nicht gut aus. Das wird an der gesamten Branche nicht spurlos vorübergehen. Denn italienische Banken liehen sich insgesamt zwischen 500 und 550 Mrd. Euro von europäischen Geldgebern, Staaten und der Europäischen Zentralbank. Vor allem französische Banken gaben ihnen Geld, rund 250 Mrd. Euro. Auch deutsche Banken waren mit 84 Mrd. Euro beteiligt. Nun stellt sich die Frage, wie viel davon die europäischen Banken womöglich bald abschreiben müssten, wenn es zum Kollaps italienischer Banken käme. Insgesamt, so sagen Daten der Bank für internationalen Zahlungsausgleich, stehen in Italien Kredite für rund 360 Mrd. Euro im Feuer, von denen niemand weiß, ob sie wirklich zurückgezahlt werden können. Könnte das am Ende gar eine neue Finanzkrise auslösen?
Wenn das alles auf einen Schlag passierte und abgeschrieben werden müsste, wäre das bedrohlich, ja. Und es gibt Marktteilnehmer, die derzeit sehr skeptisch sind, was die europäische Bankenbranche betrifft, etwa die Großbank UBS. Sie rät derzeit zum zweiten Mal nacheinander Bankaktien unterzugewichten. Was nichts anderes heißt als: Raus damit aus dem Depot! Klingt nicht so, als würden die Banker ihre Branche selbst als sehr stabil einschätzen. Die Aktionäre tun es derzeit auch nicht: Innerhalb der vergangenen Woche zeigten sich die Papiere im Eurostoxx 600 Banks zwar erstaunlich stabil und der Kurs drehte sogar leicht nach oben. Auf einen Monat gesehen gab der Index „nur“ von 145 auf 135 Euro nach. Doch unübersehbar ist der Einbruch seit Ende Juni, der dem Brexit geschuldet ist und der Sorge um Italiens Banken, die zeitgleich damit wieder lauter wurde. Denn auch Großbritannien und Italien sind eng verfochten. Auf Halbjahressicht verlor der Banken-Stoxx 600 fast mehr als 20 Prozent, auf Jahressicht zwischenzeitlich sogar 45 Prozent. Das ist ein deutliches Votum, was das Vertrauen in den Sektor betrifft.

Im Moment wirkt auch eher unwahrscheinlich, dass der Optimismus so schnell zurückkehrt. Zuerst wird wohl erst einmal das gesamte Ausmaß der Misere in der Branche auf den Tisch kommen und es müssen zwei Fragen geklärt werden: Wie gefährdet sind die italienischen Banken wirklich? Und wie stabil stehen Europas übrige Banken da?
Italien ächzt unter schwachen Wachtumsraten
Die italienischen Institute sind in Summe chronisch unterfinanziert, sagen die Statistiken. Zudem ist die Quote der ausfallgefährdeten Kredite bei ihnen im Europavergleich sehr hoch, wie die Kontrollbehörden bereits warnten. Während deutsche und französische Banken auf eine Quote von drei bis vier Prozent gefährdeter Kredite kommen, sind es in Italien 15 Prozent, bei den Krediten an Privatleute sollen es sogar 21 Prozent sein. Das ist enorm. Zudem ist davon nicht einmal die Hälfte der Risikokredite durch Rückstellungen bei den Banken gedeckt. Das bedeutet: Werden viele dieser Kredite tatsächlich nicht mehr bedient, dann könnte es Banken geben, die nicht in der Lage sind das abzufangen. In diesem Zuge werden zwei Banken genannt, von denen eine die Monte dei Paschi die Siena ist, die laut Medienberichten bereits ums Überleben ringt. Mit einer Marktkapitalisierung von 970 Mio. Euro gehört sie jedoch zu den kleinen Instituten.
Es sind wohlgemerkt nicht die Altlasten der vergangenen Finanzkrise von 2007/2008, die diese Institute drücken. Italiens Banken waren kaum in die US-Kredite und die Subprime-Krise verstrickt. Das waren deutsche und schweizerische Banken ungleich stärker, zum Teil auch französische und britische Institute. Italien leidet derzeit vielmehr an der Rezession, die das Land seit 2008 nicht loslässt und die das Niveau der Industrieproduktion auf das Niveau der 80er-Jahre gedrückt hat.
Außerdem hat die Gesamtbranche der Finanzinstitute ein Problem: Mit den Niedrigzinsen sind ihr die Erträge und die Renditen weggebrochen. Die Kapitalanforderungen durch neue Europarichtlinien sind hoch, die Kosten steigen enorm und die Profitabilität sinkt europaweit. Am stärksten übrigens bei den großen Instituten, die viele Filialen und Mitarbeiter haben und diesen Kostenblock nicht schnell genug herunterfahren können. Was der Weg aus dieser Situation ist, wird derzeit diskutiert. Manche sagen, das Kleinklein auf dem europäischen Bankenmarkt muss beendet werden, man müsse endlich unprofitable Banken zerschlagen und verkaufen – länderübergreifend. Andere sagen: Die Banken müssten sich über die Ausgabe neuer Aktien und Schuldverschreibungen rekapitalisieren.
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Nur, wer traut diesen Papieren künftig noch? Vor allem wo Italiens Privatsparer gerade um 200 Mrd. Euro bangen, die sie den Banken gutgläubig für deren Schuldscheine in die Hand gedrückt haben. Den offensiven Verkauf womöglich fauler Papiere kritisieren Verbraucherschützer zurzeit heftig. Es muss Reformen im Sektor geben und wieder andere mahnen dazu die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle an. Doch es wird dauern, sie an den Markt zu bringen und die Frage ist, welches Institut noch kann.
Einen Vorteil sehen Branchenanalysten immerhin und zwar gerade in der hohen Zahl privater Kredite, die in Italien gefährdet sind. Sollten die wirklich ausfallen, wäre das für Institute immerhin kein 100-Prozent-Verlust. Denn die allermeisten davon sind Immobilienkredite und über den Verkauf der Häuser ließe sich noch einiges an Geld erlösen. Insgesamt muss man also sagen: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Nur nach einer Kaufempfehlung für Bankaktien klingt all das nicht gerade.
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