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Geldanlage "Inflationstiefpunkt liegt hinter uns"

Johannes Müller von Deutsche Asset Management rechnet bei der Inflationsrate bald wieder mit einer Eins vor dem Komma.

Capital: Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für die Eurozone eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Im Mai lag sie bei minus 0,1 Prozent, also weit davon entfernt. Warum ist es so schwierig, die Inflation anzukurbeln?

Johannes Müller: Die EZB bestimmt nicht die Konsumentenpreise, deshalb sind ihre Handlungsoptionen begrenzt. Damit die Inflation steigt, müssten zum Beispiel die Löhne steigen. In vielen Euro-Ländern ist die Arbeitslosigkeit aber so hoch, dass es kaum Spielraum für Lohnerhöhungen gibt. Auch der niedrige Ölpreis hat dazu beigetragen, dass die Gesamtinflation derzeit negativ ist.

Ist das überhaupt schlimm?

Vorübergehend ist eine leichte Deflation kein Problem. Wenn die Preise aber über längere Zeit hinweg sinken, schieben Verbraucher Investitions- und Konsumentscheidungen auf, denn sie rechnen damit, dass die Preise weiter fallen. Dann gerät die Wirtschaft in Schwierigkeiten. Japan steckt seit den 1990er Jahren in einer Deflationsspirale. Man will ein ähnliches Szenario in der Eurozone vermeiden.

Warum will die EZB die Inflation ausgerechnet bei zwei Prozent sehen?

Inflation hat immer eine zyklische Komponente. Läuft die Konjunktur gut, ist die Arbeitslosigkeit gering, die Löhne steigen, die Inflation ebenfalls. Läuft die Konjunktur schlecht, ist es umgekehrt. Mit einer Inflationsrate, die um den Wert von zwei Prozent herum schwankt, will die EZB vermeiden, dass die Teuerung in wirtschaftlich schlechten Zeiten unter die Nulllinie rutscht.

Kerninflationsrate bei knapp unter ein Prozent

Für welche Anlageklassen wäre eine Inflationsrate von zwei Prozent gut, für welche schlecht?

Aktien haben damit kein Problem, denn Unternehmen können steigende Kosten häufig an Kunden weitergeben. Für Anleger, die nominalverzinsliche Staatsanleihen im Depot haben, wäre eine steigende Inflationsrate dagegen von Nachteil. Wenn eine Anleihe einen Kupon von 0,25 Prozent hat und die Teuerung zwei Prozent beträgt, hat man einen Kaufkraftverlust von 1,75 Prozentpunkten pro Jahr.

Wird die Inflation im laufenden Jahr endlich steigen?

Wir denken ja. Der Tiefpunkt liegt hinter uns. Wenn man den Ölpreis und andere stark schwankende Komponenten herausrechnet, bekommt man die sogenannte Kerninflationsrate. Diese bewegt sich derzeit bei knapp unter einem Prozent. In den kommenden zwölf Monaten werden wir voraussichtlich wieder eine Eins vor dem Komma sehen.

Besteht das Risiko, dass die Inflation nicht bei zwei Prozent Halt macht, sondern unkontrolliert weiter steigt?

Das Risiko ist äußerst gering. Zeitweise kann die Inflationsrate zwar etwas höher liegen als erwünscht. Eine Hyperinflation sollte es aber nicht geben, solange eine rationale Geldpolitik gemacht wird. Letztlich ist Inflation ein monetäres Phänomen. Wenn zu viel Geld gedruckt wird, wie es etwa in der Weimarer Republik der Fall war, steigen die Preise und die Situation kann außer Kontrolle geraten. Das steht jetzt nicht zu befürchten.

Liegt es immer noch an den Erfahrungen aus der Weimarer Republik, dass Inflation in Deutschland ein angstbesetztes Phänomen ist?

Das ist anzunehmen. Die Hyperinflation in den 1920er Jahren hat die Ersparnisse breiter Bevölkerungsschichten vernichtet und den Boden für tragische politische Ereignisse bereitet. Die Angst sitzt tief.

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