Kontaktlinsen dienen längst nicht mehr nur als Sehhilfen. Intelligente Linsen sollen bald die Blutzuckerwerte von Diabetikern messen und per Smartphone oder Smartwatch Alarm schlagen, wenn die Werte in einen kritischen Bereich rutschen. Die Technologie für die sogenannte Smart Lens stammt vom Internetriesen Google. Der Schweizer Pharma- und Biotechnologiekonzern Novartis hat im Sommer die Rechte daran erworben und will über sein Tochterunternehmen Alcon in fünf Jahren die erste intelligente Kontaktlinse auf den Markt bringen.
Der Trend, in dem sich Gesundheits- und IT-Branche vereint finden, heißt Mobile Health. Gemeint sind damit mobilfunkgestützte Gesundheitsdienstleistungen. Das Spektrum der Mobile-Health-Lösungen ist groß: Simple Pulsuhren oder Fitness-Apps gehören ebenso dazu wie Analysegeräte, die man am Körper trägt und die in naher Zukunft Krebserkrankungen diagnostizieren und Schlaganfälle erkennen sollen. Solche Erfindungen seien keine Spielerei, betont Michael Burkhart, Pharmaspezialist bei der Beratungsgesellschaft PwC. Sie ermöglichten es vielmehr, der Lücke in der Gesundheitsversorgung vorzubeugen, die sich in den kommenden Jahrzehnten durch den demografischen Wandel auftun dürfte.
Der Mobile-Health-Markt sortiert sich noch
Weil die Menschen immer älter werden, betrachten Analysten die Gesundheitsbranche insgesamt als einen der größten Wachstumsmärkte, und damit als spannendes Terrain für Langfrist-Anleger. Mobile-Health-Lösungen dürften den Umsatz vieler Pharma-Unternehmen zusätzlichen steigen lassen. Bis zum Jahr 2018 könnte der Markt für mobile Gesundheits- und Fitnessdienstleistungen um rund 40 Prozent wachsen, heißt es in einer Studie des Analysehauses Research and Markets. Noch steckt der Markt allerdings in den Kinderschuhen. Pharma- und Biotech-Firmen werden voraussichtlich noch viel Geld in Forschung und Entwicklung stecken müssen, ehe sich ihre Mobile-Health-Produkte auf breiter Front durchsetzen.
Bislang ist völlig unklar, welche Unternehmen auf dem jungen Markt das Rennen machen werden. Zurzeit finden Aktienanalysten neben Novartis unter anderem das US-Unternehmen Omnicell interessant, das Software anbietet, mit der Pflegeheime und Krankenhäuser die Gabe von Medikamenten managen können. Oder auch den französischen Konzern Sanofi, der eine App namens „Diabetes Manager“ entwickelt hat.
Die Branche ist in Bewegung
Bis sich die Kräfteverhältnisse geklärt haben, sollten Anleger bei der Entscheidung für oder gegen eine Pharma-Aktie allerdings nicht nur darauf schauen, wie stark das betreffende Unternehmen auf mobile Gesundheitslösungen setzt. Zwei andere Faktoren beeinflussen die Kurse von Pharma-Aktien momentan weitaus stärker: die Marktreife besonders gefragter Medikamente sowie Fusionen und Übernahmen. Die Pharma-Branche ist im Fusionsfieber. Hoher Margendruck, schwächelnde Nachfrage auf etablierten Märkten und Konkurrenz durch günstige Generika setzen den Unternehmen zu. Viele von ihnen wollen sich stärker spezialisieren und geben einzelne Geschäftsfelder ab oder kaufen Geschäftseinheiten von Konkurrenten zu. Novartis und GlaxoSmithKline etwa spielten zuletzt Bäumchen-Wechsel-Dich mit einzelnen Geschäftsbereichen, Roche und Merck gingen bei der Konkurrenz auf Einkaufstour.
Fusionen und Übernahmen haben die Aktienkurse vieler Pharma-Unternehmen in den vergangenen Monaten in die Höhe getrieben. Die Titel US-amerikanischer Pharmaunternehmen etwa sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass der US-Aktienindex S&P 500 seit Jahresbeginn kräftig gestiegen ist. Wer jetzt noch in Pharma-Aktien einsteigen will, muss also einen vergleichsweise hohen Preis zahlen.
Weil Pharma-Investments immer mit viel Unsicherheit verbunden sind, sollten Privatanleger eher über einen Fonds als mit einzelnen Aktien in die Branche investieren. Denn Fonds streuen das Risiko. Die Wertentwicklung von Healthcare-Fonds kann sich sehen lassen: In den vergangenen drei Jahren erzielten die Produkte im Schnitt ein Plus von 28 Prozent pro Jahr, wie Zahlen der Fondsratingagentur Morningstar zeigen. Seit Jahresbeginn legten sie durchschnittlich um knapp 29 Prozent zu. Biotech-Fonds entwickelten sich mit einem durchschnittlichen Plus von rund 39 Prozent seit Januar noch besser, auf Dreijahressicht legten sie im Schnitt um 44 Prozent pro Jahr zu. In Biotech-Fonds finden Anleger mehr Unternehmen, die am Mobile-Health-Trend teilhaben wollen, als in klassischen Healthcare-Fonds. Ein Investment in Biotech-Fonds ist allerdings auch mit höheren Risiken verbunden.