Unruhe im Frankfurter Bankenviertel: Die traditionsreiche Commerzbank steht vor einer Übernahme durch den italienischen Konkurrenten Unicredit. Das besorgt viele Mitarbeiter, aber damit nicht genug: Medienberichte über die Anmietung des neu entstehenden „Central Business Tower“ nahe der Alten Oper lösen Spekulationen aus, die Commerzbank könne das eigene Hochhaus am Kaiserplatz aufgeben und dort hinziehen. Allerdings hat die Bank mehrere Standorte in der Mainmetropole.
Der 259 Meter hohe Commerzbank-Tower am Kaiserplatz ist das höchste Bürogebäude der Finanzmetropole; er prägt mit gelb leuchtendem Commerzbank-Logo die Skyline von „Mainhatten“. Der Turm als Statussymbol gab Halt in schwierigen Zeiten, etwa als die Bank Staatshilfe brauchte oder in den MDax abstieg. Inzwischen ist die Bank erfolgreich saniert, notiert wieder im Dax – und ausgerechnet jetzt könnte schneller eintreten, worüber viele in Frankfurt seit Langem mauscheln: eine Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit. Jüngster Indikator dafür ist eine Mitteilung der britischen Investmentbank Barclays: Sie hält nach eigenen Angaben 7,72 Prozent der Commerzbank-Aktien direkt und habe sich über Derivate Zugriff auf weitere 8,33 Prozent der Anteilsscheine verschafft.
Auch die US-Großbank Citi könnte der Unicredit zur Seite stehen, wenn es darum geht, die Commerzbank einzukreisen und am Ende zu übernehmen. Von ihr ist aktuell bekannt, dass sie über Derivate auf 5,1 Prozent der Commerzbank-Aktien zugreifen. Unicredit selbst hatte im Dezember erklärt, sie kontrolliere 28 Prozent der Commerzbank, davon 9,5 Prozent direkt.
Übernahme auf Hauptversammlung im Mai denkbar
Würden die drei Banken – Unicredit, Barclays und Citi – ihre Derivate gegen Aktien einlösen und ihre Stimmrechte auf der Hauptversammlung gemäß den bisherigen Mitteilungen einlösen, kämen sie auf 49,15 Prozent der Stimmrechte. Da erfahrungsgemäß nicht alle Aktionäre an einer Hauptversammlung teilnehmen, insbesondere auch passive Investoren, dürften die drei Banken eine Mehrheit bekommen. Der Bund mit einem Anteil von 12,1 Prozent hätte somit keine Handhabe, auf der Hauptversammlung im Mai die Übernahme der Commerzbank zu verhindern.
Diese Erkenntnis scheint zunehmend in der Bank selbst zu reifen, auch dass schon bald ein offizielles Übernahmeangebot vorliegt. Ein Insider vermutet, Unicredit-Boss Andrea Orcel werde bereits im März die Erlaubnis der EZB für die Übernahme erhalten und dann in Frankfurt seinen großen Auftritt haben. Dann dürfte er erklären, wie er sich das weitere Vorgehen vorstellt.
Weidmann-Statement als Alarmsignal für Verkauf?
Orcel komme dabei die Hängepartie in der Bundespolitik entgegen, so der Insider. Unklar sei noch, wie sich CDU/CSU positionieren, die voraussichtlich die nächste Bundesregierung führen werden. Orcel könne also Fakten schaffen, die es der künftigen Bundesregierung immer schwieriger machen werden, noch ein Veto einzulegen. In diesem Zusammenhang werden die jüngsten Aussagen von Commerzbank-Aufsichtsratschef Jens Weidmann, die Eigenständigkeit des Instituts sei für Deutschland von strategischem Interesse, als Rückzugsgefecht gewertet.

Humanoide Roboter: Feiern sie 2025 ihren Durchbruch?
Die Commerzbank-Übernahme fügt sich in den wachsenden Fusionsdruck innerhalb der Branche in Europa ein, die schon jetzt hart mit großen US-Häusern konkurriert. Dieser wird voraussichtlich noch zunehmen, wenn die neue Regierung unter Donald Trump wie angekündigt die Regeln für deren Geschäft lockert. „Es scheint sicher, dass die Investmentbanker 2025 mit Banken viel Arbeit bekommen werden“, sagte Fondsmanager Patrick Lemmens von Robeco der Nachrichtenagentur Reuters. „Ob es aber eine steigende Zahl von Deals zwischen Banken geben wird, hängt stark von der Politik ab – selbst innerhalb eines Landes.“
Bund könnte sein Staatshilfe-Geld wiederkriegen
Aktuell kauft sich Unicredit nicht nur stückchenweise in die Commerzbank ein, sondern bietet in ihrer Heimat 10 Mrd. Euro für die kleinere Banco BPM. Die spanische Konkurrentin BBVA greift für 12 Mrd. Euro nach Sabadell. Wenn sie sich gegen Widerstände durchsetzen sollten, könnte das eine größere Konsolidierungswelle auslösen, sagen Branchenkenner. Bei grenzüberschreitenden Übernahmen seien die Hürden eher noch größer. Solange es keine echte Bankenunion in Europa gebe, dürfe man die Wahrscheinlichkeit wirklich großer Deals nicht überschätzen, mahnt hingegen Analyst Benjie Creelan Sandford von Algebris Investments.
Insofern wird es spannend, wie Orcel die Commerzbank in den Unicredit-Verbund einbinden wird, zu dem auch die Hypovereinsbank aus München zählt. Insidern zufolge könnte sich das Interesse vor allem auf das deutsche Firmenkundengeschäft richten. Daneben unterhält die Commerzbank ein noch immer recht großes Filialnetz für das Privatkundengeschäft und ist im Besitz der Onlinebank Comdirect wie auch der polnischen BankM.
Immerhin: Bei einer Übernahme könnte der Bund tatsächlich sein Geld wieder bekommen, das er für die Rettung der Commerzbank während der globalen Finanzkrise eingesetzt hat. Die Summe wurde nie genau bekannt, aber Beobachter hatten immer mit einer Spanne von 16 bis 17 Euro pro Aktie gerechnet. Aktuell kostet der Titel gute 17 Euro. Die ganze Bank ist mehr als 20 Mrd. Euro wert
Während auf Fusionsberatung spezialisierte Investmentbanker also vor arbeitsreichen Zeiten stehen, könnte bei vielen Commerzbankern die Erkenntnis reifen, dass viele von ihnen ihren Job verlieren könnten. Da hilft es dann auch nicht mehr, sich am eigenen Tower aufzurichten. Der gehört ohnehin seit 2016 schon nicht mehr der Bank selbs, sondern ist nur noch gemietet.