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Geldanlage Die neue Welt der Zinsen

Die US-Zinsen steigen, doch die Aktienkurse klettern weiter. Noch können Anleger das ausnutzen. Von Nadine Oberhuber
Fed-Chefin Janet Yellen
Fed-Chefin Janet Yellen
© Getty Images

Das mit dem Gleichgewicht an den Märkten ist manchmal so eine Sache. Zwar strebt der Markt stets nach dem Punkt, an dem er ausbalanciert ist, aber den trifft er in Wahrheit nur sehr selten und oft nur für kurze Zeit. Momentan jedenfalls hat er eine leichte Schlagseite, die ihm die US-Notenbank Fed in dieser Woche verpasst hat: Sie hat die Zinsen in einem weiteren Schritt erhöht, was viele gehofft hatten. Sie liegen nun bei 0,75 bis 1,0 Prozent. Und damit nicht genug: Die Notenbank kündigte zwei weitere Zinsanhebungen für das laufende Jahr noch an. Das heißt, der Leitzins könnte zum Jahresende auf 1,5 Prozent steigen. Bis 2019 sollen es dann schon rund drei Prozent sein. Drei Prozent, das klingt schon fast wieder nach den guten alten Zeiten, in denen Anleger noch Erträge für Ihr Erspartes bekamen. Zunächst einmal war die Erleichterung über diese Ankündigung groß, auch an den Weltbörsen.

Der amerikanische Dow Jones Index zuckte am Verkündigungstag um rund 100 Punkte in die Höhe. Was allerdings bei einem derzeitigen Stand von gut 20.950 Punkten gerade einmal einem Anstieg um 0,5 Prozent entsprach. Der deutsche Dax legte vergleichsweise stärker zu: Er gewann knapp 140 Punkte am vergangenen Mittwoch, das waren gut 1,1 Prozent. Dabei knackte er sogar eine neue Rekordmarke und kletterte auf ein neues Allzeithoch. Allerdings hüpfte der Börsenindex auch aufgrund des Wahlausganges in Holland ein kleines Stückchen zusätzlich in die Höhe, er war also nicht allein von der amerikanischen Leitzinsanhebung begeistert. Am Folgetag sackten auch beide Indizes wieder ein wenig ab, dennoch bleibt als Gesamtbild der Woche: Die Aktienmärkte freuen sich über die steigenden Zinsen.

DAX Index

DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RT

Was auf den ersten Blick so logisch klingt - weil doch alle seit Jahren klagen, die Welt müsse endlich wieder zu normalen Zinsniveaus zurückfinden, da die Niedrigzinsphase gefährlich für Sparer, Altersvorsorgeanleger und die Finanzbranche sei – wundert auf den zweiten Blick. Denn bedeuten steigende Zinsen nicht üblicherweise, dass die Aktienkurse sinken? Weil schließlich wieder mehr Anleger ihr Geld in „sichere“ Zinspapiere umschichten, da die nun endlich wieder Rendite abwerfen? Das stimmt auch grundsätzlich. Man könnte es in diesem Fall so erklären: Vorerst beweist die Zinsanhebung von Amerikas zurückhaltender Notenbankchefin Janet Yellen, dass die Wirtschaft in den USA wieder ordentlich brummt. Das stand zuletzt häufiger zur Disposition und viele Experten munkelten, die bereits erfolgten Zinsanhebungsschritte könnten das zarte Wachstum wieder abwürgen. Das ist offenbar nicht passiert. Stattdessen läuft die Produktion, die Amerikaner sind in Kauflaune und die Arbeitslosigkeit ist gesunken auf nunmehr 4,7 Prozent. Das alles deutet auf ein recht solides Wachstum hin, das zurzeit bei 2,5 Prozent liegt. Viele Anleger sahen die Leitzinsanhebung also als Beleg, dass es weiter aufwärts geht – und dass die Firmen künftig gute Gewinnaussichten haben werden. Deshalb steigen die Aktienkurse.

Trump ist an niedrigen Zinsen interessiert

Wie lange der Anstieg allerdings dauern wird, darüber sind sich Marktbeobachter uneins. Einige sagen, es wird noch lange so weitergehen. Andere bezweifeln das. Denn es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Denn auf längere Sicht heißen die gestiegenen Zinsen, dass es teurer wird, wenn sich Unternehmen Geld für Wachstum und Investitionen leihen wollen. Das wiederum bremst das Wachstum. Zudem wird der Dollar wegen der guten Konjunktur stärker – womit amerikanische Produkte im Ausland teurer werden.

Genau das ist der Grund, weswegen sich Präsident Donald Trump bisher vehement gegen Zinserhöhungen ausgesprochen hat. Er fürchtet genau diese beiden Effekte, die seinen selbst-initiierten Aufschwung durch höhere Staatsausgaben dämpfen könnten. Der Markt könnte also kaputtmachen, was sich der Präsident gern selbst auf die Fahnen schreiben würde: für einen Konjunkturschub gesorgt zu haben. Wer von beiden diesen Kampf gewinnen wird auf der anderen Seite des Atlantiks, ob es Notenbankchefin Yellen ist oder Politikchef Trump, das bleibt abzuwarten, so unbefriedigend das auch sein mag.

Draghi rührt sich nicht

Was aber heißt die Fed-Erhöhung nun für Europa? Bisher nichts. Oder zumindest wenig. Denn abgesehen von den Aktienmarktzuckungen stehen hierzulande noch immer keine Zinserhöhungen an. Bisher galt zwar die Regel: Spätestens sechs bis neun Monate nach der Fed zieht auch die Europäische Zentralbank nach und hebt den Zins an. Doch der Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi macht derzeit keine Anstalten. Muss er auch nicht. Er argumentiert, die Wirtschaft Europas sei noch nicht einheitlich aus der Krise hinausgekommen.

Zwar geht es Staaten wie Deutschland gut – hier wird ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent erwartet. Doch noch immer sind da die Südländer, die unter hoher Arbeitslosigkeit leiden und deren Staaten angesichts höherer Leitzinsen sofort wieder in die Schulden-Bredouille geraten könnten. Das Thema Staatsbankrott wäre wieder virulent. Das will Draghi unter allen Umständen verhindern.

Zudem meldet sich zwar die Inflation hierzulande mit rund zwei Prozent wieder zurück, doch europaweit liegt die Kerninflationsrate noch bei lediglich 0,5 Prozent. Und sie ist in dieser Hinsicht das entscheidende Kriterium, anhand dessen die Notenbank über Zinserhöhungen entscheidet. In diesem Jahr scheinen insofern keine Anhebungen anzustehen.

Dennoch wird die Fed-Entscheidung auch Europa helfen. Wie das? Der starke Dollar ist das, worauf Draghi spekuliert. Verteuern sich amerikanische Waren im Ausland, werden EU-Produkte im Gegenzug billiger und attraktiver auf dem Weltmarkt. Das könnte auf indirekte Weise die Wirtschaft hierzulande beflügeln und endlich wieder den Export und das Wachstum anspringen lassen. Es wäre wie ein kleines Konjunkturprogramm, zumindest hofft die EZB-Spitze das. Und wenn es eintritt, dann wäre tatsächlich der Weg zu höheren Zinsen frei.

Tagesgeldzinsen werden mau bleiben

Bis es soweit ist, könnten sich Anleger wie folgt positionieren: Die Konsumgüterproduktion wird die erste sein, die vom kleinen Sonderkonjunkturprogramm profitieren würde. Automobil- und Pharmafirmen aber auch Lebensmittelhersteller und große Industrieunternehmen wie Siemens würden den Mehrabsatz vermutlich verbuchen können. Wer sein Aktiendepot aufstocken will, sollte daher in diese Richtung denken. Vorsicht aber bei Werten aus der Chemieindustrie: Sie würden den starken Dollar zu spüren bekommen, weil sich für sie Roh- und Grundstoffimporte verteuern, auch das Öl wird bei steigendem Dollar teuerer.

Zudem wird die Anlageklasse der Anleihen wieder interessant, zumindest die der US-Staatsanleihen. Sie rentieren derzeit schon bei rund 2,6 Prozent, bis Jahresende sehen manche Experten sie rund 3,1 Prozent Rendite abwerfen. Auch europäische Titel wie Portugals und Italiens Staatsanleihen könnten dann wieder Renditen um 2,3 beziehungsweise 4 Prozent abwerfen. Auf deutsche Bonds schlägt das Zinsniveau vorerst noch nicht wirklich durch.

Genauso wenig sollte man hoffen, dass es beim Tagesgeld schnell aufwärts geht. Die Zinsen werden weiter sehr mau bleiben. Die Kredite allerdings könnten das Anziehen des Niveaus schon früh merken. Voraussichtlich Mitte des Jahres könnten die Kreditzinsen sich verteuern, sagen Hypothekenmarktbeobachter. Sie preschen bei angekündigten Anhebungen und der Aussicht auf höhere Staatsanleihenrenditen üblicherweise vorweg. Und das kann recht schnell teuer werden für Kreditnehmer: Bereits ein Anstieg um 0,5 Prozentpunkte bei den Kreditzinsen bedeutet für ein 200.000-Euro-Darlehen auf 15 Jahre gerechnet Mehrausgaben von 8290 Euro. Von daher: Noch ist der Zinsmarkt im Ungleichgewicht zwischen Amerika und Europa. Wer schnell ist, kann das noch ausnutzen. Bevor er sich wieder einpendelt.

Geldanlage: Die neue Welt der Zinsen

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

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