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Geldanlage Der tiefe Fall der Anleihen

Wer Bundesanleihen kauft, bekommt jetzt keine Rendite mehr. Wie Privatanleger trotzdem profitieren können. Von Nadine Oberhuber
Geldanlage: Der tiefe Fall der Anleihen

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Mal angenommen, ein Bekannter von Ihnen möchte sich von Ihnen Geld leihen. Er hat mehr ausgegeben, als er verdient und das für eine geraume Zeit. Sein Einkommen ist aber sehr solide. Er will nun zehn Jahre lang brav seine Schulden abtragen und Ihnen dann Ihr Geld zurückzahlen. Würden Sie das tun? Wenn er in größeren Schwierigkeiten wäre und Sie ihm einen Freundschaftsdienst erweisen wollen, dann vielleicht. Wenn er sich dafür erkenntlich zeigen würde, etwa durch Zinszahlungen oder andere Aufmerksamkeiten, dann vermutlich noch ein bisschen eher.

Was aber wäre, wenn er Ihnen zusätzlich verraten würde, dass es ihm wirtschaftlich zurzeit gut geht – und dass er gar nicht beabsichtigt, Ihnen das ganze geliehene Geld zurückzuzahlen, sondern nur einen Teil davon? Und dass Sie für Ihre Leihgabe sogar über mehrere Jahre noch Geld draufzahlen, weil er Jahr für Jahr ein wenig davon für sich selber einsacken würde? Dann würden die meisten von uns so einem Menschen wohl einen Vogel zeigen und ihm nahelegen, sich sein Geld woanders zu besorgen. Was wirtschaftlich auch clever wäre.

In einem Fall aber gehen viele von uns trotzdem auf so ein Angebot ein: Wenn dieser alte Bekannte nämlich Vater Staat ist, also die Bundesrepublik. Ihr leihen Millionen von Anlegern regelmäßig viel Geld, indem sie ihr Bundesanleihen abkaufen. Sie bringen seit der vergangenen Woche keine Rendite mehr, zumindest keine positive. Die zehnjährigen Papiere notierten zwischenzeitlich bei minus 0,03 Prozent, das heißt: Anleger, die dem Staat für zehn Jahre einen Kredit geben, werden dafür nicht einmal mehr mit Minizinsen entschädigt wie bisher. Sondern sie bezahlen sogar noch Geld dafür, dass sie ihr Geld umsonst verleihen. Das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die nun seit den 60er-Jahren solche Staatsanleihen ausgibt. Und es klingt absurd.

Brexit-Angst erhöht Unsicherheit

Allerdings ist es nur die logische Folge der anhaltenden Politik der Europäischen Zentralbank. Die hat sich nämlich auf die Fahnen geschrieben, die Zinsen für Staatsanleihen im Euroraum so niedrig wie möglich zu halten – deshalb kauft sie derzeit auch Monat für Monat für rund 80 Mrd. Euro selbst Anleihen auf. In erster Linie dachte sie dabei an die Anleihen von Sorgenstaaten wie Griechenland, Portugal und auch Italien. Denn die niedrigen Zinsen machen deren Staatspapiere uninteressanter für Spekulanten. Aber auch die Anleihenzinsen der übrigen Länder sind seitdem dramatisch gesunken. Aus Sicht der Zentralbank ist das auch so gewollt, denn aufgrund der Niedrigzinsen investieren Banken weniger in Staaten, sondern leihen lieber den Unternehmen das Geld für nötige Investitionen, um die Wirtschaft anzukurbeln. So zumindest lautet das Ziel.

Neuerdings kommt nun auch noch die Angst vor dem Brexit dazu, möglichen Austritt der Briten aus der EU. Auch sie bewegt den Markt der Staatsanleihen, denn in der allgemeinen Unsicherheit sind gerade die Papiere der wirtschaftlich stabilen Staaten so gefragt wie nie. Sie gelten als „sichere Häfen“, weil bei ihnen die Ausfallwahrscheinlichkeit gering ist und das Kapital der Investoren hier geschützt scheint. Während niemand prognostizieren kann, wie sich die Aktienmärkte nach dem Referendum verhalten werden. Kommt es gar zu einem größeren Börsencrash, wenn die Briten sich für den Austritt entscheiden? Deshalb kaufen gerade sehr viele Anleger Staatsanleihen – trotz der niedrigen Zinsen. Ob das langfristig eine gute Idee ist, wird sich zeigen.

Das augenblickliche Bild sieht so aus: Neben den deutschen Bundesanleihen notieren auch die Renditen langlaufender Papiere Österreichs und der Niederlande nur noch knapp über null Prozent. Die von Japan liegen ebenfalls unter Null. Bei den Kurzläufern haben sich zumindest deutsche Anleger schon daran gewöhnt, dass sie keine positiven Erträge mehr erzielen, denn die zweijährigen Bundesanleihen dümpeln schon seit 2014 im negativen Bereich herum. Für die Bundesrepublik ist das gut, sie spart dadurch jedes Jahr rund 20 Mrd. Euro an Zinszahlungen, die sie ihren Geldgebern sonst überweisen müsste. Sie kann sich also billiger entschulden. Wer ihr dabei helfen will, der kann auch weiter kräftig Anleihen kaufen. Alle anderen sollten von diesen Papieren lieber die Finger lassen – spätestens jetzt.

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Nun sagen besonders findige Anleger: Wieso, die sinkenden Zinsen sind doch nur eine Seite der Medaille? Sie bedeuten ja bei Staatsanleihen stets, dass umgekehrt die Kurse steigen. Und damit lasse sich kräftig Geld verdienen. Im Prinzip ist das richtig. In Zahlen sah es zuletzt so aus: Wer es schafft, sich im Juni 2015 oder im Herbst 2013 mit zehnjährigen Bundesanleihen einzudecken, der kaufte sie zu einem Kurs von 95 Prozent, also fünf Prozent billiger als der Staat am Ende der Fälligkeit zurückzahlt. Dafür müsste man sie allerdings mehrere Jahre halten. Und ganze zehn Prozent billiger als jetzt. Wer sie jetzt verkaufen würde, der hätte zehn Prozent Kursgewinn realisiert – allerdings nur vor Kosten und wenn er die jeweils günstigsten Zeitpunkte genau abgepasst hätte. Abziehen muss man davon noch die Orderprovisionen, die Banken beim Kauf einstreichen und erneut beim Verkauf; die Gebühren für die Verwahrung der Anleihen; und die 0,4 Prozentpunkte des Kurswertes, die am Ende die Bundesbank kassiert. Das schmälert den Ertrag insgesamt um mindestens 1,5 Prozentpunkte.

Außerdem ist die Frage: Können Anleger, die jetzt Anleihen kaufen, weiterhin mit Kursgewinnen rechnen? Die Kurse steigen schließlich nur, wenn die Zinsen weiter sinken. Aber wie weit können die noch in den negativen Bereich fallen? Freilich hielten viele schon die aktuellen minus 0,03 Prozent nicht für möglich und trauten den Anleihen vor geraumer Zeit nicht einmal die Steigerung zu, die sie jüngst erlebt haben – auf fünf Prozent oberhalb ihres Nennwerts. Realistisch gesehen weiß derzeit kein Finanzmensch, wie es weitergeht und was am Anleihenmarkt noch denkbar ist. Selbst führende Ökonomen drücken es so aus: Es gibt zurzeit mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen.

Experten empfehlen Indexfonds

Eines aber zeichnet sich langsam ab: Je weiter die Zinsen für die deutschen Bunds fallen, desto weniger gefragt sind sie am Markt. Der bisher große Andrang der Käufer droht langsam zu versiegen, davon künden die Zahlen der Bundesbank bei den jüngsten Platzierungen: Allein in diesem Jahr fanden sich bei 11 der 39 Emissionsrunden nicht genug Käufer. Der Bund blieb also auf einigen Anleihen sitzen, zuletzt vergangenen Mittwoch. Auch die EZB wird nicht ewig Bundesanleihen weiterkaufen, denn liegt die Rendite der Anleihen unterm dem Einlagensatz (den die Zentralbank auf minus 0,4 Prozent festgelegt hat), darf sie zu diesen Konditionen selbst keine Anleihen mehr kaufen. Ob die Kurse angesichts dessen also wirklich weiter steigen?

Käufer sollten außerdem wissen: Halten sie solche aktuell gekauften Anleihen dann „aus Versehen“ bis zum Laufzeitende, weil sich zuvor kein günstiger Zeitpunkt für einen Verkauf mit Gewinn ergibt – zum Beispiel weil die Zinsen doch wieder steigen und die Kurse deswegen fallen – bekommen sie für die Papiere den Nennwert ausgezahlt, die derzeitigen fünf Prozent Kursplus wären dann dahin. Die Kosten allerdings bleiben.

Wie volatil der Markt derzeit ist, zeigen diese Zahlen: Auf Jahressicht hätten Anleihenanleger 8,2 Prozent Kursgewinn gemacht (jeweils vor Kosten), auf Dreijahressicht nur 1,7 Prozent pro Jahr, und auf Fünfjahressicht 0,46 Prozent jährlich. Bevor man so etwas wagt, raten Finanzexperten, sollte man sein Geld lieber in einen Indexfonds stecken, der den Rexx-Index für Bundesanleihen verschiedener Laufzeiten nachbildet. Solche Papiere kosten den Anleger erstens nur rund 0,16 Prozent Gebühren, brachten dafür in den vergangenen zehn Jahren aber auch ziemlich stabil fünf bis sieben Prozent Rendite jährlich. Und man kann auch breiter auf europäische Staatsanleihen oder Unternehmenspapiere setzen. Zu diesen Konditionen kann man schon eher drüber nachdenken, sein Geld zu verleihen.

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