Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen
In den vergangenen fünf Jahren gab es kaum einen Tag, an dem nicht das Bild des „sicheren Hafens“ bemüht wurde. Ob Presse, Politiker, Analysten – unisono stimmten sie das hohe Lied des stabilen Deutschlands an, das sich inmitten des dürren Wirtschaftslebens seiner Nachbarländer behauptet.
In- und ausländische Investoren flohen ins „sichere“ Deutschland und kauften alles, was Stahl, Glas und Beton zu bieten hatten: Bürotürme, Wohnungspakete, Shopping-Center. Immobilien zwischen Kiel und München machten den Mythos vom Betongold lebendig. Der Wert der Objekte stieg und stieg, während Sparvermögen dahinvegetierten.
Das ließ selbst den deutschen Michel, der Aktiengeschäften höchst skeptisch gegenüber steht, frohlocken und mutig werden: Noch nie haben so viele deutsche Privatanleger Anteile an Immobilienaktiengesellschaften gekauft wie in den vergangenen zwei Jahren. Beim Duisburger Gewerbeimmobilienunternehmen Hamborner REIT ist der Anteil an Privatanlegern in diesem Zeitraum von 18 auf 30 Prozent gestiegen. Und selbst das börsennotierte Wohnungsunternehmen Gagfah mit dem „Heuschrecken“-Image zählt inzwischen mit 3,3 Prozent sogar ein Drittel mehr Privatanleger als noch im Mai dieses Jahres. Auch Immobilienaktienfonds steigen im Ansehen bei privaten Anlegern: Das Bankhaus Ellwanger & Geiger verzeichnet aktuell einen Anteil an Privatanlegern von 33 Prozent bei seinem Immobilienaktienfonds Europa.
Amerikaner ziehen Geld ab
Ist doch alles prima, oder? Leider nicht ganz. Zurzeit holt uns die Realität des globalen Miteinanders ein. Wir müssen feststellen, dass „Sicherheit“ ein relativer Begriff ist. Denn die Preise für Bürotürme steigen nicht mehr. Der fast vier Jahre währende Boom hat seinen Zenit fast erreicht, sagen Immobilienexperten. In den Bestlagen der Metropolen Berlin, Frankfurt und München stagnieren die Preise für Büroimmobilien, in Düsseldorf sinken sie bereits.
Was Profis bürokratisch als „Trendwende“ bezeichnen, ist nichts anderes als die Tatsache, dass man künftig auch im sicheren Deutschland Geld mit Immobilieninvestments verlieren kann. Und wer ist Schuld daran? Na, klar, die Amis.
Verliert der Euro weiterhin gegenüber dem US-Dollar an Wert, werden immer mehr Amerikaner und andere ausländische Investoren ihr Geld vom europäischen Immobilienmarkt abziehen. Stoßen sie Objekte ab, bevor der Euro noch weiter fällt, dürften die Preise für Gewerbeimmobilien deutlich sinken. Das Ergebnis: bröckelnde Renditen aufgrund von Wertberichtigungen in den Unternehmensbilanzen und zunehmender Druck auf die Aktienkurse der Immobilienunternehmen. Anleger werden das zu spüren bekommen.
Der Treck zieht Richtung Westen
Kommt die Entwicklung überraschend? Nein, denn Deutschland ist nun mal keine Oase, sondern liegt als Herzstück der Eurozone mitten in Europa. Und die kämpft seit immerhin sechs Jahren gegen Stagnation, hohe Arbeitslosigkeit und Deflationsgefahr an. In den USA, wo einst die Immobilienkrise ihren Ausgang genommen hat, geht es hingegen längst wieder bergauf: Die Arbeitslosenquote liegt bei weniger als sechs Prozent; die Inflationsrate liegt mit 1,7 Prozent deutlich über der in der Eurozone (0,4 Prozent). Viele Immobilieninvestoren hierzulande wünschen sich nichts mehr als eine höhere Inflationsrate. Aber auch wenn Weihnachten vor der Tür steht: Dieser Wunsch wird unerfüllt bleiben.
Jetzt sind ohnehin erst einmal die Amis dran. Während in der Eurozone der Leitzins ins Uferlose zu sinken scheint, spekuliert man weltweit darauf, dass die US-Notenbank im kommenden Jahr die Leitzinsen erhöhen wird. Immerhin hat sie bereits aufgehört, Anleihen und verbriefte Finanzierungen aufzukaufen. Stabilisiert sich die amerikanische Wirtschaft weiter, werden auch immer mehr deutsche Profi-Investoren in Richtung Westen ziehen und dem heimischen Markt den Rücken kehren.
Einziger Trost: Bei geringerer Immobiliennachfrage hierzulande werden die Preise für Gewerbeimmobilien fallen. Eine neue Chance für alle, die endlich mal wieder Objekte zu höheren Anfangsrenditen als in den vergangenen Jahren kaufen wollen. Zuletzt lagen sie bei weniger als vier Prozent.