Volker Brühl ist Geschäftsführer des Center for Financial Studies in Frankfurt
Capital: Start-ups aus der Finanzbranche, sogenannte FinTechs, machen Banken und Finanzdienstleistern zunehmend Konkurrenz. Wird es für etablierte Banken langsam eng?
Volker Brühl: Seit einiger Zeit werden zwar so viele neue FinTechs gegründet, dass man fast schon von einem Hype sprechen kann. Man muss allerdings bei den Geschäftsmodellen differenzieren: Viele FinTechs positionieren sich in erster Linie als potenzielle Dienstleister der Banken. Diese Firmen versuchen, Prozesse aus der Wertschöpfungskette der Banken schlanker und besser abzubilden. Arbeiten sie mit etablierten Geldhäusern zusammen, kann das eine Win-Win-Situation sein. Andere FinTechs stehen in direkter Konkurrenz zu Banken und bieten zum Beispiel neue Lösungen für das Anlagemanagement an. Die Gefahr, die von diesen FinTechs für etablierte Banken ausgeht, wird überschätzt.
Warum?
FinTechs beschäftigen deutschlandweit vielleicht tausend Mitarbeiter, auch ihre Erträge sind hierzulande noch sehr niedrig. Das wird sich nicht über Nacht ändern. Die größte Gefahr für die etablierten Banken geht derzeit von Internet- und Telekommunikationskonzernen aus.
Inwiefern?
Unternehmen wie Facebook, Google und Amazon sind bereits im Bereich Zahlungsverkehr aktiv und sind deutlich finanzstärker als FinTechs. Banklizenzen haben sie auch, sie könnten den etablierten Geldhäusern also in Zukunft gefährlich werden. Ähnlich sieht es bei Telekommunikationsunternehmen aus. Viele wissen nicht, dass der Online-Bezahldienstleister Click and Buy eine Tochter der Deutschen Telekom ist. Wenn Konzerne wie die Telekom oder Vodafone ihre Aktivitäten in diesem Bereich ausbauen wollen, könnten sie das dank ihrer Finanzstärke und ihrer Kundenbasis schnell tun. Start-ups haben es dagegen in Deutschland schwerer, Wachstumskapital einzusammeln. In den USA kommen sie leichter an Geld, deshalb sind FinTechs dort bereits viel stärker etabliert.
FinTechs beleben das Geschäft
Wie ist die Lage in den USA?
Dort kooperieren viele FinTechs mit Großbanken. Das könnte auch in Deutschland so kommen.
Wäre es für Verbraucher von Vorteil, ihre Finanzen noch stärker über Apps und Online-Dienste zu managen?
Das bieten heute auch alle etablierten Banken an. Das wäre ohne die FinTechs vielleicht nicht so schnell gegangen. Konkurrenz belebt nun mal das Geschäft. Der Wettbewerb unter Banken und Finanzdienstleistern wird schärfer.
Wie können es etablierte Banken schaffen, ihre Kunden zu halten?
Die Loyalität zu einer bestimmten Bank ist in der jungen Generation kaum noch vorhanden. Banken müssen es mit einer Multikanalstrategie schaffen, online Präsenz zu zeigen und gleichzeitig ihre Stärke, den persönlichen Kundenkontakt, zu erhalten. Das wird nicht einfach.
Welche FinTech-Leistungen, die man bei Banken nicht bekommt, finden Sie besonders nützlich?
Mich beeindrucken vor allem innovative Start-ups. Es gibt beispielsweise Start-ups, die die Bedeutung der Social-Media-Aktivitäten von Unternehmen für den Aktienkurs analysieren. Sie wollen also herausfinden, was es für den Aktienkurs bedeutet, wenn ein Unternehmen zum Beispiel auf Twitter sehr aktiv ist, und diese Erkenntnisse für das Anlagemanagement nutzbar machen. Das ist eine völlig neue und spannende Idee. Diese FinTechs sehen sich übrigens eher als Dienstleister der Banken und wollen diese als Vertriebskanal nutzen, statt ihnen Konkurrenz zu machen.