Kolumne Die DWS und die Kunst des Wachsens und Sparens

Der bisherige DWS-Chef Nicolas Moreau muss gehen.
Der bisherige DWS-Chef Nicolas Moreau muss gehen.
© dpa
Die DWS hat es nicht geschafft, in zwei Jahren Vorlaufzeit eine spannende Börsenstory zu entwickeln. Das rächt sich nun in einer niedrigen Bewertung. Christian Kirchner über die Börsenpläne der Deutschen-Bank-Tochter

Man könnte es für eine Lappalie halten, dass es im Wertpapierprospekt zum Börsengang des DWS in Sachen Rechtschreibung und Kommasetzung bunt zugeht. Da ist in einem Organigramm die Rede von einer „Geschäftsfuhrüng“, in der Gewinn/Verlust-Bilanz von „zinsunanbhängigen“ Erträgen und bei den Fonds von der „überduchschnittlichen“ Performance. Geschenkt, Medien sind oft auch nicht besser. Und einen Wertpapierprospekt zu erstellen, das ist immer auch ein Rennen gegen die Zeit mit vielen Beteiligten.

Dummerweise fügt es sich in das Bild des DWS-Börsengangs, dass es für eine Rechtschreibprüfung im zentralen Dokument für das Einsammeln von knapp 2 Mrd. Euro bei Anlegern nicht gereicht hat. Am Ende kam dann doch nur eine Preisspanne heraus, die auf einen Marktwert 6,0 bis 7,2 Mrd. Euro für den Gesamtkonzern DWS hinausläuft. Das liegt unter den Erwartungen, welche die DWS nicht zuletzt über ein mediales Feuerwerk an guten Nachrichten und noch besseren Gerüchten geschürt hat. Das untere Ende der Preisspanne liegt zudem noch unter jenem Wert, zu dem die Aktien in der Bilanz der Mutter Deutsche Bank stehen.

Ein bisschen sparen, rascher wachsen

Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens bietet die DWS keine strategisch spannende Börsenstory. Das hätte etwa eine klare Fokussierung auf Regionen, Marktsegmente oder gar einer Restrukturierung sein können. Herausgekommen ist nun: Ein bisschen sparen, rascher wachsen, „Positioned for the future“ – das ist nicht unbedingt kreativ für 18 Monate Vorlaufzeit.

Es ist auch nicht unbedingt glaubwürdig für einen Konzern, dessen verwaltetes Vermögen in den letzten drei Jahren in einem Wachstumsmarkt um 700 Mrd. Euro pendelt und dessen Kostenquote gemessen am Ertrag branchenüberdurchschnittlich ist. Der selbst im Vorfeld des Börsengangs bei den Kosteneinsparungen nicht deutlich vorwärts kam und im Vertrieb außerhalb Deutschlands nicht in den zweiten Gang. Der über Analysten durchblicken lässt, dass der operative Gewinn erst 2019 so richtig anzöge. Der zur Verwunderung von einigen Investoren von einem im Deutsche-Bank-Vorstand nicht eben unterbeschäftigten Aufsichtsratschef Karl von Rohr kontrolliert wird, der kein ausgewiesener Experte im Asset Management ist. Ein Konzern, der sich im Verkaufsprospekt rühmt, dass zuletzt 74 Prozent seiner Fonds den Vergleichsindex geschlagen hätten, aber in der Fußnote erwähnt, dass diese Betrachtung die Kosten der Fonds außen vor lasse.

Aber das sind Einzelheiten. Im Kern geht es darum, dass die Story der DWS ist: Wir wollen künftig zugleich sparen und wachsen. Aber wer will das nicht? In der Regel haben Konzerne schon genug damit zu tun, eines von beiden zu schaffen: Entweder zu sparen, ohne dass die Umsätze wegfliegen. Oder zu wachsen, ohne dass die Profitabilität leidet.

Margen unter Druck

Die ist bei der DWS der zweite Grund, warum es mit der einst angepeilten Bewertung von 8 Mrd. Euro oder gar mehr nichts wurde. Die Positionierung als Dividendenzahler – 65 bis 75 Prozent des Gewinns sollen künftig bei Aktionären landen – ist zwar klug im Niedrigzinsumfeld. Aber wie nachhaltig ist der Gewinn, den die Gesellschaft erwirtschaftet? Die DWS ist in einem wettbewerbsintensiven Umfeld unterwegs, in dem die Margen unter Druck stehen. Sie sitzt, bildlich gesprochen, mit 500-Pfund-Gorillas wie Blackrock, Vanguard oder State Street in einem Raum, die für Preiskämpfe einen längeren Atem haben. Denn die Vermögensverwaltung ist auch ein Skalengeschäft.

Über die Hälfte des verwalteten Vermögens der DWS liegen in Segmenten, in denen die Margen ohnehin schon niedrig sind und weiter sinken: den aktiv verwalteten Anleihenfonds (35 Prozent des Vermögens) und den passiven Lösungen wie ETFs (16 Prozent). Bei den Anleihenfonds sank die Marge über Managementgebühren zuletzt von 15 Basispunkten auf 14 Basispunkte 2017, bei passiven Produkten von 27 auf 24 Basispunkte.

Im einzigen Segment, das eine nennenswerte Margenausweitung verzeichnete – den alternativen Anlagen, also Immobilien, Infrastruktur und andere nicht gelistete Anlagen – liegen lediglich zehn Prozent des DWS-Vermögens. Hier gibt es seit Ende 2014 keine Nettozuflüsse mehr. Dabei erwarten Branchenexperten genau hier künftig die höchsten Wachstumsraten.

Das erklärt natürlich auch, warum DWS-Chef Nicolas Moreau genau in diesem Segment laut über Zukäufe nachdachte. Doch der Emissionserlös des Börsengangs fließt in Gänze an die Mutter Deutsche Bank, die zudem für die DWS eine Gesellschaftsstruktur – eine Kommanditgesellschaft auf Aktien - gewählt hat, die ihr weiter großen Einfluss sichert. Die DWS-Investoren wollen die nun versprochenen Kapitalrückflüsse über Dividenden sehen. Und: Die eigenen Aktien sinnvoll als Akquisemittel zu nutzen, das setzt eine höhere Bewertung voraus. Schön wären dafür auch eine breitere Aktionärsbasis und ein damit liquiderer Handel. Mit beidem ist nicht zu rechnen bei einem eher kleinen Börsengang mit zwei künftigen Großaktionären.

Die DWS ist eine Gewinnmaschine für die Deutsche Bank

Doch bei aller Kritik: Selbst wenn es mit den hehren Zielen von Wachsen und Sparen zugleich schwierig wird: Innerhalb des Deutsche-Bank-Konzerns ist die DWS eine hochprofitable und verlässliche Gewinnmaschine. Sie ist zudem stark kapitalisiert. Bei Erlösen von 2,5 Mrd. Euro blieb alleine im letzten Jahr ein Gewinn von rund 630 Mio. Euro übrig. Von diesen Renditen können andere Sparten der Bank nur träumen. Die regelmäßigen Erträge der DWS dürften der Deutschen Bank vor allem in den Krisenmonaten im Jahr 2016 die Existenz gerettet haben.

Hinzu kommt, dass sie in den vergangenen Jahren unter schwierigen Bedingungen erwirtschaftet wurden, etwa raschen Führungs- und Strategiewechseln sowie prominenten Abgängen im Fondsmanagement. Schließlich hat die DWS stets ihre Erträge geliefert, während der Gesamtkonzern in den letzten fünf Jahren aufaddiert zwei Kapitalerhöhungen über zusammen 16,5 Mrd. Euro benötigte und trotzdem unter dem Strich 6 Mrd. Euro Verlust erwirtschaftet hat. Kritikern der Praxis, dass die Bank mit vollen Händen ausgegeben hat, was die Fondsbranche erwirtschaftet hat, dürfte es heruntergegangen sein wie Öl, dass der Name „Deutsche“ heute eher stigmatisiert denn verkaufsfördernd ist und die Gesellschaft noch rechtzeitig vor dem Börsengang von Deutsche Asset Management wieder in DWS umbenannt wurde.

Der Maßstab für die DWS wird aber künftig nicht mehr sein, wie man sich im Vergleich zu anderen Segmenten der Deutschen Bank schlägt. Sondern wie die DWS im Vergleich zu anderen börsennotierten Wettbewerbern abschneidet bei Absatz und Profitabilität. In der Mitte der angepeilten Bewertungsspanne, also bei 6,6 Mrd. Euro Unternehmenswert, wäre die DWS gemessen an der Ratio Unternehmenswert zu verwaltetem Vermögen exakt gleich bewertet wie der Rivale Amundi. Der hatte im vergangenen Jahr aber viermal so hohe Zuflüsse wie die DWS und schon heute mit 51 Prozent eine Kosten-Ertrags-Ratio, die 14 Prozentpunkte unter jenem Ziel liegt, wo die DWS erst noch hin will.

Deutsche Bank profitiert künftig weniger von DWS-Erträgen

Das zeigt auch, dass die DWS-Aktie nicht automatisch ein Schnäppchen ist, weil die Deutsche Bank die Aktien zu einem Unternehmenswert platziert, der unterhalb selbst vorsichtiger Schätzungen von Analysten lag. Eine im Branchenvergleich eher niedrige Bewertung gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (siehe Grafik) ist auch Ausdruck der Skepsis, die Investoren in der Preisfindungsphase gegenüber der Strategie geäußert haben. Zu verschenken hat auch die Deutsche Bank nichts, auch wenn der Börsengang bilanziell zusätzliches Kapital über den Emissionserlös hinaus freisetzt.

Und ob der Börsengang für Deutsche-Bank-Aktionäre netto überhaupt Wert schaffen wird, ist ebenfalls nichts sicher: Die Deutsche Bank tauscht ihren Anteil an einem lange verlässlichen Gewinnlieferanten gegen Cash. Das heißt auch, dass sie künftig weniger von den Ertragsströmen profitiert, die sie mit den neuen Aktionären teilen muss. Das bleibt perspektivisch nicht ohne Folgen für die Refinanzierungskosten, erst Recht für ein Institut, das einen, um es vorsichtig zu formulieren, verbesserungswürdigen Umgang mit dem ihm zur Verfügung gestellten Eigenkapital hat.

Wer sich für die DWS-Aktie interessiert, sollte lieber warten, bis die DWS in harten Zahlen beweist, dass Sparen und Wachsen zugleich kein hehres Ziel, sondern machbar ist.

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