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Geldanlage Der unheimliche Dax‑Rekord

Die Angst vor dem Dax-Absturz ist groß. Gerechtfertigt ist sie nicht. Wer es clever angeht, kann jetzt noch einsteigen. Von Nadine Oberhuber
Bulle und Bär: Seit der Dax die Marke von 11.000 übersprungen hat, fragen viele bang: Klettert er tatsächlich noch höher – oder übertreibt er schon? (Foto: Deutsche Börse AG)
Bulle und Bär: Seit der Dax die Marke von 11.000 übersprungen hat, fragen viele bang: Klettert er tatsächlich noch höher – oder übertreibt er schon? (Foto: Deutsche Börse AG)

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

Irgendwann geht jedem einmal die Puste aus, jedem Gipfelstürmer und jedem Langstreckenläufer. Selbst Apnoetaucher müssen irgendwann nach Luft schnappen. Auch, wenn sie mit den paar Litern in ihrer Lunge viel weiter kommen als andere. Warum sollte der Dax also ewig durchhalten auf seinem Weg nach oben? Wir alle saugen Luft ein, atmen aus, atmen wieder ein, bei Aktienindizes läuft das nicht anders. Nun reden an den Börsen ohnehin alle dauernd von sehr viel Luft und fragen regelmäßig, wann sie wohl wieder entweicht – und wo. Seit dem Dax-Rekord von 11.000 Punkten sind die Befürchtungen groß: Ist das nun eine neue Blase? Und wann platzt sie wohl?

Sicher ist: Die 11.000er-Marke markiert den höchsten Stand, den der Index je gesehen hat. Dass er diese Hürde so scheinbar mühelos nehmen würde, obwohl Europa und die Welt mit so vielen Schwierigkeiten kämpfen, hatten die wenigsten noch vor kurzem gedacht. Bis 2013 galt die 8000er-Linie als magische Grenze, an der sich der Index dreimal versuchte – aber jedes Mal langfristig scheiterte. Im Jahr 2000 warf ihn das Platzen der New-Economy-Blase zurück. 2007 dann die Finanzkrise. Später drückte die Eurokrise mehrfach die Kurse. Doch seit 2013, so scheint es, gibt es kein Halten mehr. Inzwischen hat der deutsche Leitindex nicht nur die 8000-er Marke geknackt, sondern auch die 10.000 und sogar die 11.000-Punkte-Marke. Das wird vielen langsam unheimlich.

DAX Index

DAX Index Chart
Kursanbieter: L&S RT

Und das nicht ganz zu Unrecht. Denn der große Kursaufschwung, den wir gerade erleben, läuft bereits seit 2009. Seit rund sechs Jahren prescht der Dax also voran und – von drei kleineren Dämpfern einmal abgesehen – große Atempausen gönnte er sich dabei nicht. Sehr viel länger hat der Index in den vergangenen 25 Jahren noch nie durchgehalten auf seinem Weg nach oben. Oft genug ging ihm schon viel schneller die Luft aus, seit 1990 waren die Börsenaufschwungphasen einmal sieben Jahre lang, zwei Jahre, fünf Jahre – und nun sind es sechs Jahre. Selbst Aktienhändler finden, das sei „eine ungewöhnlich lange Zeit“.

Wer das Tempo verschärft, macht kurz darauf schlapp

Nun schafft es der menschliche Körper nach einer Reihe von kurzen Sprints, daraus enorme Stärke zu schöpfen. Es ist ein Intervalltraining, das praktizieren schließlich auch Leistungssportler und verbessern damit ihre Kraft-Ausdauer und die Sauerstoffaufnahme. Beim nächsten Rennen halten sie länger durch und besser. Ob das aber für Aktienindizes gilt, darf man bezweifeln.

Zudem hat der Dax gerade in jüngster Zeit noch mächtig Gas gegeben. Seit Jahresbeginn legte er zweistellig zu, bevor er im Februar die 11.000er-Marke knackte. Spätestens das ist verdächtig. Denn die Statistik weiß, dass es dem Index bisher nicht anders erging als menschlichen Langläufern: Wer das Tempo verschärft, macht kurz darauf schlapp. In den vergangenen 35 Jahren gab es 15 kurze Zeiträume, in denen der Dax zweistellig zulegte. In der Regel brach er im Monat darauf stark ein.

Aber bedeutet das nun, dass der Index nur verschnauft, bevor er erneut das bisherige Allzeithoch überspringt und noch viel weiter steigt? Oder steht gar ein größerer Absturz bevor, wie derzeit viele fürchten? Zurzeit ist der 11.000er-Dax vielen Anlegern unheimlich und sie halten es für fahrlässig, sich jetzt noch am Aktienmarkt zu beteiligen. Die Frage „Jetzt noch einsteigen?“ beantworteten etliche von ihnen mit der Gegenfrage: „Meinen Sie, wir hätten nichts aus den Crashs der vergangenen Jahre gelernt? Wäre es etwa gut gewesen, im Frühjahr 2000 oder Anfang 2007 noch in den Markt einzusteigen?“ Also an dem Punkt, an dem die magische 8000er-Marke fiel - und kurz danach auch der Dax. Er krachte damals um 4000 oder sogar 5000 Punkte nach unten.

Bessere Rendite als beim Tagesgeld

Die Antwort mag überraschend klingen, aber sie lautet: Ja, das wäre keine schlechte Idee gewesen. Es wäre natürlich noch besser gelaufen, hätten die Anleger die Crashs abgewartet und erst Ende 2001 oder im Frühjahr 2008 investiert – doch wer weiß das schon im Voraus? Selbst wer aber zum Höchststand 2000 den Aktienkauf wagte – und bis heute tatsächlich auch investiert blieb -, der konnte mit einem breit gestreuten Dax-Investment sein Geld um rund 37 Prozent vermehren. Trotz zweier historischer Crashs bedeutet das eine Rendite von 2,6 Prozent pro Jahr.

Das ist nicht die Welt, aber allemal mehr als beim Tagesgeld, das im gleichen Zeitraum durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr brachte. Für die Einsteiger von 2007 sieht die Bilanz noch viel besser aus: Für sie waren seitdem sogar 5,2 Prozent Rendite jährlich drin. Wie gesagt: im schlimmsten anzunehmenden Fall. Wer es dagegen geschafft hätte, den Crash tatsächlich abzuwarten und dann erst einzusteigen, der käme sogar auf 19 bis 25 Prozent Rendite pro Jahr.

Solche Rechnungen sollen nun nicht die Gier wecken und zum Spekulieren auf den richtigen Einstiegstermin animieren, sondern vor allem eine beruhigende Nachricht sein. Denn wie Verhaltensökonomen warnen, schaffen es Anleger nie, zum richtigen Zeitpunkt ein- und auszusteigen. Manche meinen zwar, die richtigen Kennzahlen dafür zu kennen. Sie verweisen darauf, dass längst Alarmzeichen aufleuchten, die einen Kurssturz prognostizieren, etwa das Shiller-KGV, benannt nach dem amerikanischen Nobelpreisträger Robert Shiller. Diese Zahl gibt das Kurs-Gewinn-Verhältnis wieder, also das Verhältnis von derzeitigen Aktienkursen zu den erwarteten Unternehmensgewinnen. Dabei werden die Gewinne über zehn Jahre geglättet – was gerade in Konjunkturabsturzjahren erheblich aussagekräftiger ist – und zudem um die Inflation bereinigt. Augenblicklich mahnt das Shiller-KGV, dass Aktien in Europa und Amerika überbewertet sind. Denn mit einem Wert von 26 weicht es stark nach oben vom langjährigen Mittel ab. In dieser Intensität sei das erst dreimal passiert: 1929, 1999 und 2007, sagen Pessimisten.

Langfristig ging es noch immer bergauf

Optimisten halten dagegen, das Shiller-KGV liege in den allermeisten Jahren über dem 130-jährigen Durchschnitt von 16,5 und überhaupt nur sehr selten darunter. Nicht einmal in der Superkrise 2007/2008 habe es sein angebliches Mittel nennenswert unterschritten. Folglich sei eine Abweichung nach oben auch nicht so schlimm. Zudem könne die Kennziffer keine Crashs vorhersagen, sondern beziffere lediglich, wie hoch die künftigen Aktienrenditen ausfallen würden. Und die seien angesichts stark gestiegener Kurse eben bald geringer.

Noch etwas anderes stimmt optimistisch: Während Kleinanleger bangen, ist das Vertrauen der Großinvestoren in den Markt nach wie vor hoch, sowohl in den deutschen als auch in den amerikanischen. Und genau die bewegen letztlich die Kurse. Das ist der große Unterschied zu den früheren Blasen, bei denen am Ende jeder Kleinsparer noch zu Höchstkursen Unmengen an Geld in Aktien steckte – und sie im Crash entmutigt wieder verkaufte. Aktionärsquoten wie damals hat der Markt seitdem nicht mehr erlebt. Das ist natürlich keine Garantie dafür, dass demnächst kein großer Einbruch folgen könnte. Die Politik der Zentralbanken schwemmt enorm viel Geld in den Markt. Doch selbst wenn immer mal wieder eine Menge Luft entweicht, hat der Markt bisher stets diejenigen belohnt, die einen langen Atem bewiesen. Langfristig ging es noch immer bergauf.

Darum sagen Profis auch bei einem Dax-Stand von 11.000: Es geht nicht um die Frage, ob man Aktien kauft. Sondern nur darum, mit welcher Strategie man es tut und wie viele es sind. Zum jetzigen Zeitpunkt einen großen Einmalbetrag in Aktien zu investieren, wäre eine gewagte Strategie. Das Geld aber ängstlich auf dem Tagesgeldkonto zu lassen, bis ganz sicher ist, dass dieser Aufschwung andauert, ist gewiss nicht die bessere. Lieber in kleinen Tranchen investieren – aber dafür ständig. So verteilt man das Risiko, zu überhöhten Kursen einzusteigen. Geht dem Dax irgendwann die Puste aus, gibt´s in der Folgezeit mehr Aktien fürs gleiche Geld. Das rechnet sich, wenn man bis zum nächsten Aufschwung durchhält.

Voraussetzung ist, dass man das Geld breit streut. Mit Einzelaktien ist das schwer, zehn bis 15 verschiedene Werte müsste man da schon haben. Fonds und Indexfonds auf den Dax dagegen bieten langfristig die besten Chancen, davon zu profitieren, dass der Index auch in Zukunft weitere Höchstmarken überspringt.

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