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Kolumne Befreiungsschlag für die Deutsche Bank

Die Deutsche Bank steht vor massiven Einschnitten
Die Deutsche Bank steht vor massiven Einschnitten
© Getty Images
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Milliardenvergleich des Instituts mit den US-Behörden

Die Deutsche Bank hat in der Aufarbeitung ihrer Rechtsstreitigkeiten einen großen Fortschritt erzielt: Wie das Institut in der vergangenen Nacht bekannt gab, hat sich die Deutsche Bank grundsätzlich mit dem US-Justizministerium verglichen. Für die Platzierung und Emission so genannter hypothekengedeckter Wertpapiere (RMBS) in den Jahren 2005 bis 2007 zum Nachteil der Kunden zahlt die Deutsche Bank eine Zivilbuße von 3,1 Mrd. US-Dollar.

Zudem stellt die Bank über die kommenden fünf Jahre hinweg weitere 4,1 Mrd. US-Dollar an so genannten „Verbrauchererleichterungen“ zur Verfügung. Dazu zählten in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit etwa niedrige Tilgungsleistungen und Förderprogramme für von der US-Häuserkrise besonders stark betroffenen Kunden und Regionen. Anders als die Zivilbuße von 3,1 Mrd. US-Dollar sind diese Erleichterungen nicht direkt cash- und kostenwirksam.

Capital beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Vergleich, der noch nicht endgültig unterschrieben ist, über den Bank wie Justizministerium allerdings einen grundsätzliche Einigung erzielt haben.

Fällt die Summe höher oder niedriger aus als erwartet worden war?

Niedriger. Analysten hatten zuletzt mit einer Zahlung von zwei bis fünf Milliarden Euro gerechnet, auch, weil das US-Justizministerium im Herbst öffentlichkeitswirksam eine Gesamtforderung von 14 Mrd. US-Dollar hatte verlauten lassen. Die 3,1 Mrd. US-Dollar bewegen sich in der unteren Hälfte der geschätzten Bandbreite.

Ist die existenzielle Gefahr für die Deutsche Bank damit gebannt?

Bezogen auf die Rechtsstreitigkeiten: ja. Eine Beilegung des Konflikts mit dem US-Justizministerium galt stets als größte und teuerste Rechtsstreitigkeit, deren Kosten womöglich die finanziellen Kapazitäten der Bank überfordern könnte. Das Institut hatte und hat zwar keinerlei Liquiditätsprobleme, verfügt aber im Vergleich mit anderen Banken mit ähnlichem Geschäftsmodell über eine ohnehin eher dünne Eigenkapitalaustattung. Deutlich höher als erwartete Bußgeldzahlungen hätten das Institut in große Schwierigkeiten bringen können.

Die Bank schlüsselt zwar nicht genau auf, welche genauen Beträge ihrer rund 5,9 Mrd. Euro (6,2 Mrd. US-Dollar) Rückstellungen auf welche Rechtsstreitigkeiten entfällt. Da das Institut aber bekannt gab, aufgrund des Vergleichs im vierten Quartal nochmals eine Belastung von knapp 1,2 Mrd. US-Dollar vor Steuern hinnehmen zu müssen, sind die zeitweise kursierenden Horrorszenarien nun vom Tisch, die getätigten Rückstellungen für die US-Hypotheken waren somit in etwa angemessen.

Warum ging es zuletzt doch so schnell in Sachen der Einigung?

Die Deutsche Bank ist ein Gewinner des US-Wahlausgangs: Nach der US-Präsidentschaftswahl und der Amtseinführung, die für den 20. Januar 2017 vorgesehen ist, werden traditionell Posten in den Behörden neu besetzt. Die bisherige Administration im Justizministerium hatte laut Analysten großes Interesse, die noch schwebenden Verfahren in ihrer Amtszeit zu Ende zu bringen, damit nicht ihre Nachfolger die Früchte jahrelanger Verhandlungen in Form milliardenschwerer Vergleichszahlungen ernten. Damit zogen sowohl die scheidenden Mitarbeiter des US-Justizministerium als auch der Deutsche-Bank-Chef John Cryan an einem Strang. Der hatte zuletzt stets als Ziel ausgegeben, die größten Rechtsstreitigkeiten schnellstmöglich beizulegen. Annähernd zeitgleich mit der Deutschen Bank gab heute auch die schweizerische Credit Suisse bekannt, sich mit den US-Behörden verglichen zu haben.

Wie fällt die Reaktion von Aktien und Anleihen der Deutschen Bank aus?

Positiv. Die Kurse von Nachranganleihen des Institut legten zu, auch die Deutsche-Bank-Aktie stieg im frühen Handel um 4,5 Prozent, obwohl sie in den vergangenen Wochen bereits eine starke Kursrally um über 80 Prozent verzeichnen konnte. Seit Jahresbeginn steht allerdings immer noch ein Verlust von rund einem Fünftel zu Buche.

Muss die Deutsche Bank mehr oder weniger zahlen als andere Banken in vergleichbaren Fällen?

Seit 2013 hatten sich bereits fünf Banken mit den US-Behörden in Sachen der Platzierung hypothekengedeckter Wertpapiere in den Jahren vor der Finanzkrise verglichen. Der Deutschen Bank wurde häufig vorgeworfen, mit einer eher zögerlichen Haltung zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten die Gesamtsumme eher in die Höhe zu treiben.

Der Vorwurf ist mit Blick auf die Zahlen gerechtfertigt: Nimmt man die bisherigen Vergleichszahlungen als Maßstab und setzt sie in Bezug zum Marktanteil der Institute im Markt für hypothekengedeckte Wertpapiere in den betroffenen Jahren 2004 bis 2007, haben die Institute zwischen 1,7 Millionen US-Dollar je Basispunkt Marktanteil (JP Morgan, 2013) und 8,9 Millionen US-Dollar (Morgan Stanley, 2016) gezahlt, wie die Ratingagentur Moody’s errechnet hat.

Da die Deutsche Bank einen Marktanteil von 6,4 Prozent innehatte, errechnet sich eine Vergleichssumme von rund 4,8 Mio. US-Dollar je Basispunkt Marktanteil. Damit fällt die Belastung im Institutsvergleich zwar etwas niedriger als zuletzt erwartet, aber historisch betrachtet eher überdurchschnittlich aus. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank hat mit den 3,1 Mrd. US-Dollar eine Zahlung in gleicher Höhe wie JP Morgan im Jahr 2013 zu leisten - das US-Institut kam jedoch 2005-2007 auf einen fast dreimal so hohen Marktanteil im Markt für hypothekengedeckte Wertpapiere wie die Deutsche Bank.

Worauf kommt es nun an bei der Deutschen Bank?

Nachdem das größte Rechtsrisiko aus dem Weg geräumt ist, kommt es nun für die Bank mehr denn je darauf an, seine operative Leistungsfähigkeit zu beweisen. Das gilt umso mehr, als dass das Institut seine im Bankenvergleich eher schwache Kapitalbasis laut eigenen Plänen nicht etwa mit einer weiteren Kapitalerhöhung, sondern vor allem mit der Thesaurierung von Gewinnen stärken will.

Viele Analysten treibt die Sorge um, der personelle Aderlass durch die Aufräumarbeiten des neuen Vorstandschef John Cryan könnte die Profitabilität nicht erhöhen, sondern senken, weil die Umsätze noch schneller fallen als die Kosten. Gerade im Investmentbanking hängen die Erlöse häufig von der Leistung einiger weniger Personen ab. Die Ende Oktober vorgelegten Zahlen zum dritten Quartal 2016 bestätigten diesen Verdacht jedoch nicht; in jenem Quartal erwirtschaftete die Bank rund 600 Mio. Euro Gewinn vor Steuern.

Ihr vorläufiges Ergebnis für das Gesamtjahr 2016 veröffentlicht die Bank am 2. Februar 2017, dann wird auch deutlich werden, inwieweit die teils existenziellen Sorgen um die Bank im Vorfeld des heutigen Vergleichs das Geschäft beeinflusst haben.

Muss die Bank frisches Kapital aufnehmen?

Die Vergleichssumme bewegt sich unterhalb des Niveaus, ab dem die Bank laut Analysten um eine kurzfristige Kapitalerhöhung nicht herum gekommen wäre. Den drastische Kursverlust der Aktien vor allem im Herbst haben viele Analysten bereits als das Einpreisen einer solchen Kapitalerhöhung samt Verwässerung interpretiert.

Vom Tisch ist das Thema Kapitalerhöhung aber auch nach dem Vergleich mit den US-Behörden nicht.

Paradoxerweise galten die schwelenden Verhandlungen auch als Hauptgrund, warum die Bank unter keinen Umständen vor einem möglichen Vergleich ihr Kapital hätte erhöhen können. Hintergrund: Mit einer praller gefüllten Kasse hätte sich ihre Verhandlungsposition gegenüber dem US-Justizministerium eher geschwächt denn gestärkt. Bildlich gesprochen hätte sie die Erlöse vermutlich gleich in den USA abliefern können, da das US-Justizministerium dann höhere Forderungen hätte durchsetzen können, ohne gleich die Existenz der Bank zu gefährden. Die Begleichung von Rechtsrisiken ist zudem kein überzeugendes Argument für potenzielle Investoren, einem Institut Eigenkapital zur Verfügung zu stellen.

Auch nach dem Vergleich ist die Kapitalaustattung der Deutschen Bank mit einer Kernkapitalquote von zuletzt 11,1 Prozent im Branchenvergleich schwach, der Verschuldungsgrad zudem hoch. Im Schnitt wiesen europäische Banken hier laut dem letzten „Stresstest“ eine Quote von 12,4 Prozent auf. Von Banken, die wie die Deutsche Bank im Investmentbanking tätig sind, erwarten Investoren in der Regel Kernkapitalquoten, die nochmals deutlich über diesem Durchschnittsniveau liegen, nicht darunter.

Daher ist unumgänglich, dass die Bank ihre Kapitalaustattung verbessern muss, um das Vertrauen von Kunden und auch der Investoren in die eigenen Anleihen und Aktien zu stärken. Doch wie? Die Bank geht davon aus, dies über einbehaltene Gewinne zu schaffen. Ob ihr dies gelingt, muss sie mit den kommenden Quartalszahlen beweisen – oder aber sich mit einer Kapitalerhöhung auf einen Schlag die dringend gewünschte Ruhe verschaffen.

Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen

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