Tesla ist unbestritten der große E-Auto-Pionier. Aber sein Vorsprung auf dem Markt ist mit zunehmendem Wettbewerb geschrumpft. Kann der Cybertruck Tesla wieder nach vorn bringen?
FERDINAND DUDENHÖFFER: Musks Idee war schon, mit dem Cybertruck den amerikanischen Elektro-Automobilmarkt zu dominieren. Pick-ups sind in Amerika das Nonplusultra. Sie werden in großen Stückzahlen verkauft. Gleichzeitig hat er auf die Elektromobilität in den USA gesetzt. Jetzt ist es allerdings so, dass hier Probleme auftauchen. Die E-Mobilität in den USA läuft nicht ganz so gut, wie er gedacht hat. Elektro-Pick-ups lassen sich in Amerika im Unterschied zu Verbrenner-Pick-ups nicht gut verkaufen. Die Käufer sind in der Regel ältere und konservative Autofahrer, die sich nicht so schnell auf Elektromobilität umstellen. Die E-Mobilität könnte auch an Bedeutung verlieren, wenn Joe Biden nicht wiedergewählt und Trump Präsident der USA werden sollte. Trump ist ein Öl-Mann und die Amerikaner würden ihm folgen, weil Verbrenner preisgünstiger sind. Das ist ein politisches Risiko, das Musk vor Jahren, als die Idee zum Cybertruck geboren wurde, so nicht absehen konnte. Von daher hat Elon Musk jetzt sowohl ein Markt- als auch ein politisches Risiko
Musk hat noch mehr Probleme. Da ist der Preis: Ein mittleres Modell kostet 61.000 US-Dollar – vor Steuern, Rabatten und Zuschüssen. Geplant waren 40.000 Dollar. Wer kann sich das leisten?
Den Preis hat Musk deshalb hoch angesetzt, weil er jetzt zu Anfang wenige Autos verkauft. Das sind Einzelstücke. Wenn das Angebot knapp ist, kann man auch höhere Preis verlangen. Musk hat seine Fans, daher war es nicht ungeschickt von ihm, ihn so hoch zu veranschlagen. Ich glaube, wenn er wirklich den Produktionsprozess hinkriegt, dann wird der Preis um die 50.000 Dollar liegen. Dann wird der Cybertruck durchstarten.
Wie kann dieses Gefährt mit seinen speziellen Features denn günstig und wirtschaftlich sein?
Das hängt vom Produktionsprozess ab. Beim Model 3 arbeitet Musk mit einer riesigen Aluminium-Druckgussmaschine, die ihm große Kostenvorteile bei großen Volumina bringt. So was sehen wir beim Cybertruck bisher noch nicht. Aber Elon Musk wäre nicht Elon Musk, wenn er nicht ein Konzept in der Schublade hätte, das er umsetzen will, um in die größere Serie zu gehen. Er braucht eine Produktionstechnik, die deutlich preisgünstiger ist. Heute sind es einzelne zusammengeschweißte Autos, die weit weg sind von Kosteneffizienz. Genau die ist im Markt aber notwendig.
Die lange Anlaufphase wäre das nächste Problem. Das Gros der Kaufinteressenten muss noch ein auf seinen Cybertruck warten. Nur etwa zehn Lkw wurden Donnerstag übergeben. Es wird bis 2025 dauern, bis Musk den sogenannten Light Truck in einer Menge von 250.000 pro Jahr produzieren kann. Was bedeutet diese Verzögerung?
Dass der Cybertruck später kommt, ist kein Problem. Verzögerungen haben Elon Musk noch nie wehgetan. Die Kunden wissen, dass Termine bei Elon Musk wachsweich sind. Damit hat er in seinem Investitionsplan für den Cybertruck Finanzierungskosten, die nicht eingeplant waren. Aber das wird Tesla nicht umwerfen. Diese Vorfinanzierung oder zusätzlichen Verluste, die da möglicherweise auf ihn zukommen, kann er wegstecken. Das größere Problem für ihn könnte sein, den Produktionsprozess überhaupt so hinzukriegen, dass er 250.000 Cybertrucks pro Jahr bauen kann. Und zwar kosteneffizient. Das ist die ganz große offene Frage.
Musk selbst hat sich ein Preisziel gesetzt, das für viele Menschen erschwinglich sein soll. Ist das realistisch, allein angesichts des Materials?
Diese Frage kann heute, glaube ich, niemand beantworten, weil niemand den geplanten Produktionsprozess von ihm kennt. Das, was Musk heute macht, sieht nach Einzelfertigung aus. Zehn ausgelieferte Autos, das ist Nischenproduktion. Das ist Ferrari, aber nicht Tesla. Die Produktprobleme mit der Edelstahlkarosse, dass man vom Preis weit weg von dem ist, was man ursprünglich gedacht hat, und nur Einzelstücke fertigt, das ist alles schon eine Bürde. Aber insgesamt wissen wir zu wenig über seine Kosten- und seine Produktionsstruktur. Das ist eine große Unsicherheit. Das Produkt ist völlig anders, als er sich das vorgestellt hat. Kriegt er das in die Reihe? Da kann etwas schiefgehen. Andererseits kann man aber auch nicht ausschließen, dass es klappt.
Das Produkt muss man ja erst einmal verstehen. Ein Material, das ultrahart ist und nicht lackiert werden muss, resistent gegen Dellen. Das hört sich vernünftig an. Aber kugelsicher? Das scheint doch etwas absurd. Wofür braucht man denn so ein Auto?
Bei Elon Musk muss man wissen, dass er anderen nicht hinterherläuft, sondern eigene Trends setzen will. Und eigene Trends kann er nur setzen, wenn er einen eigenen Pick-up hat. Das ist kein Standard-Pick-up. Der Standard-Pick-up ist so was wie der Ford Series 150. So was nachzubauen, das ist nicht das Ding von Elon Musk. Sein Ding ist es, etwas zu machen, was Aha-Effekte auslöst. Genau das soll dieses neue oder ungewohnte Design, was ja auch eher ein Anti-Design ist, auslösen. Kugelsicherheit ist brandaktuell. In Amerika kann sich ein 16-Jähriger ein Maschinengewehr kaufen. Die Einstellung zu Waffen ist anders als bei uns. Ich glaube, Musk hat das Thema gut aufgegriffen. Kugelsicherheit hat niemand sonst. Damit kann er einen Mythos aufbauen.
Musk ist überzeugt, dass sein Cybertruck das Straßenbild der Zukunft verändern wird. Können Sie sich das vorstellen?
Wenn er seine Pläne umsetzen kann, und der Cybertruck sagen wir mal für 50.000 Dollar zu haben ist, kann ich mir vorstellen, dass er mit diesem Anti-Design, das er da geschaffen hat, einen Trend setzt. Die Amerikaner springen schnell auf Trends auf, das könnte den Cybertruck erfolgreich machen. Wie groß diese Chance ist, ist allerdings schwer einzuschätzen. Aber man sollte das bitte nicht ausschließen. Elon Musk war schon immer für Überraschungen gut. Er kämpft wie ein Löwe. Und er arbeitet wie ein Verrückter an diesen Dingen. Und es hat sich immer wieder gezeigt, dass er Dinge umgesetzt hat, an die kein Mensch geglaubt hat.
Werden wir den Cybertruck in Zukunft auch auf anderen Weltmärkten sehen?
Den Truck in Europa zu verkaufen ist Unsinn, in China nach meiner Einschätzung auch. Musk muss das Thema in Nordamerika, in den USA und Kanada, spielen. Ich will nicht ausschließen, dass ihm das gelingt. Aber er steht vor großen Problemen, das muss man auch ganz klar sagen. Er muss die Serienfertigung hinkriegen und die Förderung der Elektromobilität darf in Amerika nicht abreißen, dann hat er gute Chancen, den Cybertruck erfolgreich zu machen.
Das Interview ist zuerst bei ntv.de erschienen