Putins Vermögen Die Angst der russischen Kleptokraten

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Nichts fürchten Putin und die mit ihm verbundenen Oligarchen mehr als Berichte über ihre zusammengeraubten und im Westen geparkten Milliardenvermögen

Die Russen nennen es „Kompromat“ – und sie sind Meister darin, ihre Gegner damit zu bekämpfen. Der seltsame Begriff steht für „kompromittierendes Material“, das der Geheimdienst in Moskau streut, um das eigene Volk und die Weltöffentlichkeit hinters Licht zu fürchten. Man mischt dabei Fakten und Fiktion, gefälschte Dokumente und geschickt manipulierte Fotos. Den jetzigen Militäraufmarsch an der Grenze zur Ukraine begleitet Wladimir Putin mit immer mehr „Kompromat“ gegen die Regierung in Kiew, beispielsweise mit angeblichen Beweisen für Massengräber im umkämpften Donbass, die als Beleg für den „Genozid“ an der russischsprachigen Bevölkerung herhalten sollen.

Der Westen sollte das Spiel umdrehen – allerdings nicht mit Fälschungen, sondern mit Transparenz. Nichts fürchten Putin und die mit ihm verbundenen Oligarchen mehr als Berichte über ihre Milliarden Dollar auf westlichen Bankkonten. Sie tun alles, um ihre Vermögenswerte zu verstecken und vor westlichen Sanktionen zu schützen. Vermögensverwalter in England, in der Schweiz, in Österreich, den Niederlanden, aber auch in Deutschland halfen dabei – wissentlich oder unwissentlich. Es wird höchste Zeit, den Verbleib der versteckten Vermögenswerte zu recherchieren. Wie wäre es mit einem Gesetz zur Verfolgung von russischen Kleptokraten, auf dessen Grundlage westliche Geheimdienste und westliche Banken Putins Geld aufspüren? Allein die Ankündigung eines solchen Projekts würde den russischen Herrscher in Angst und Schrecken versetzen. Die Aufdeckung seiner Konten wäre wirksamer als fast alle bisher diskutierten Sanktionen.

Putin fürchtet Enthüllungen über sein Privatvermögen

Als gute Grundlage dafür bietet sich der „Magnitzki Act“ an, der 2020 zwar das EU-Parlament passiert hat, bisher jedoch nicht in Kraft getreten ist. Der amerikanische Russland-Investor Bill Browder kämpft seit Jahren darum, entsprechende Gesetze in allen westlichen Staaten durchzusetzen. Seine Initiative ist nach dem russischen Steuerberater und Freund Browders, Sergej Magnitzki, benannt, der 2009 in einem Gefängnis Putins ermordet worden war, nachdem er einen räuberischen Steuerbetrug in Höhe von 230 Mio. Dollar durch Putins Beamte aufgedeckt hatte. Das Gesetz eröffnet die Möglichkeit, die Vermögen jedes Bürgers einzufrieren, der Menschenrechtsverletzungen begeht. In den USA und in anderen Staaten ist der „Magnitzki Act“ bereits Gesetz.

Wie sehr Putin und seine korrupten Freunde Enthüllungen fürchten, die unter den „Magnitzki Act“ fallen, zeigt das Schicksal Alexej Nawalnys. Mit simplen Bordmitteln und ohne westliche Hilfe ist es dem mutigen Russen gelungen, einen Teil des sagenhaften Reichtum Putins zu enthüllen. Sein Video mit dem Titel „Putins Palast“ sorgte weltweit und vor allem in Russland selbst für großes Aufsehen, wurde millionenfach im Internet heruntergeladen und auf allen möglichen Kanälen weiterverbreitet. Der Diktator reagierte mit einer bis dahin beispiellosen Repressionswelle, die zunächst Nawalny selbst traf und danach die letzten Reste der Zivilgesellschaft im Lande. Trotzdem gelingt es Putin nicht, die Informationen wieder einzufangen.

Russland führt seit langem auf vielen Ebenen einen Kompromat-Krieg gegen den Westen. Der Westen stellt sich dieser Herausforderung bisher kaum. Das sollte sich jetzt ändern. Informationen sind eine wichtige Waffe gegen Putin und zugleich zur Verteidigung unserer westlichen Werte. Die deutsche Wirtschaft darf sich nicht länger von Putin korrumpieren lassen wie bei Nord Stream 2. Eine deutsche Stiftung mit Gazprom-Geld, die einzig und allein russischen Interessen dient und sich dabei sogar eine Geldwäscheanzeige einfängt, ist das Gegenteil der dringend geforderten Transparenz. Der Bundestag sollte einen Untersuchungsausschuss einsetzen, um die Machenschaften eines Gerhard Schröders zu untersuchen. Nur so begreift Putin, dass wir es ernst meinen.

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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