Roman Abramowitsch ist ein typischer russischer Oligarch. Er ist auf zweifelhafte Weise immens reich geworden und hat immer auf ein gutes Verhältnis zum Präsidenten geachtet. Erst zu Boris Jelzin und dann zu Wladimir Putin. Diese Nähe ist nun allerdings zu einem Problem für den Oligarchen geworden. Er wird mit Sanktionen belegt, die britische Regierung nimmt ihm seinen Fußballclub Chelsea weg und die portugiesische Regierung überprüft, ob bei der Einbürgerung des Oligarchen wirklich alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Außerdem sorgt jetzt auch noch ein Bericht der BBC für Ärger.
Dabei geht es um ein für Abramowitsch äußerst lukratives Geschäft, das den Grundstein für seinen immensen Reichtum gelegt hat. Zur Einordnung: „Bloomberg“ schätzt sein Vermögen gegenwärtig auf etwa 13,7 Milliarden Dollar, seit Jahresbeginn ist es allerdings um 4,3 Milliarden Dollar geschrumpft.
Als 23-Jähriger begann Abramowitsch 1989, Plastikspielzeug zu verkaufen. Später gründete er Unternehmen, die etwa mit Benzin, Mineralien, Zement und Düngemitteln handelten. Er lernte Boris Beresowski kennen, der damals engen Kontakt zu Jelzin pflegte.
Mit Beresowski tat sich Abramowitsch zusammen, als er 1995 – in der Zeit der wilden Privatisierungen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – in einer windigen Auktion die Hälfte des Öl-Unternehmens Sibneft vom russischen Staat ersteigerte. Dafür zahlte er umgerechnet rund 250 Millionen Dollar und damit offensichtlich sehr viel weniger, als das Unternehmen tatsächlich wert war. Er stockte seine Anteile weiter auf und verkaufte 2003 den Großteil seines Pakets zurück an den Staat – an den staatlich kontrollierten Gazprom-Konzern für satte 13 Milliarden Dollar.
Bei der ersten Auktion ging es ganz offensichtlich nicht mit rechten Dingen zu. Das hatte Abramowitsch schon vor einigen Jahren eingeräumt. Der BBC wurde nun aus Russland ein fünfseitiges Dokument zugespielt, das weitere Belege dafür liefern soll. Dem britischen Sender zufolge soll es sich um ein Dossier handeln, das von russischen Strafverfolgungsbehörden angelegt worden sei. Die BBC konnte die Echtheit nicht überprüfen, aber andere Quellen bestätigten viele der Angaben.
Laut Dokument wurde der russische Staat bei der Auktion um 2,7 Milliarden Dollar betrogen. Das hatte eine Überprüfung des russischen Parlaments 1997 auch festgestellt. Die Behörden wollten dem Dokument zufolge Abramowitsch wegen „bandenmäßigen Betrugs“ vor Gericht bringen. Doch dazu kam es nicht. Denn er sei vom damaligen Präsidenten Jelzin geschützt worden, heißt es weiter. Der Kreml habe eine Untersuchung des damaligen Generalstaatsanwalts Juri Skuratow gestoppt.
Zoff mit Beresowski
Skuratow wurde von Jelzin später entlassen. Zuvor war ein Video aufgetaucht, das den Generalstaatsanwalt beim Sex mit Prostituierten zeigen soll. Skuratow hat stets beteuert, dass es sich um eine Fälschung handele. Er hatte zuvor wegen möglicher Schmiergeldzahlungen gegen die Regierung ermittelt. Der BBC sagte er nun: „Die ganze Sache war offensichtlich politisch, weil ich in meinen Untersuchungen der Familie von Jelzin sehr nahe kam – inklusive der Ermittlungen wegen der Sibneft-Privatisierung.“
Bei der ersten Auktion hatte sich Abramowitsch mit Beresowski verbündet, der nach der Übernahme der Präsidentschaft durch Putin nach London floh. Beresowski verklagte Abramowitsch 2012 in Großbritannien und behauptet, sein ehemaliger Geschäftspartner habe die Gelegenheit genutzt und ihn gezwungen, ihm seine Anteile für einen Bruchteil des tatsächlichen Werts zu verkaufen. Ein britisches Gericht gab Abramowitsch recht und wies die Vorwürfe Beresowskis zurück.
Doch in dem Prozess sagte Abramowitsch aus, er habe Beresowski vor der ersten Sibneft-Auktion zehn Millionen Dollar gegeben, um damit einen Kreml-Mitarbeiter zu bestechen. Dadurch gelang es beiden, die Anteile weit unter dem echten Wert von geschätzt mehreren Milliarden zu kaufen.
Chinesen machen Rückzieher
In dem Dokument geht es auch um eine weitere Auktion, an der Abramowitsch beteiligt war. 2002 hatte die russische Regierung eine Beteiligung an der Ölfirma Slavneft versteigert. Der Startpreis war viel geringer als von russischen Behörden gefordert. Nachdem einige Bieter vor der Aktion einen Rückzieher gemacht hatten und andere Interessenten gar nicht erst zugelassen worden waren, blieben nur drei Firmen übrig: auf der einen Seite Sibneft und TNK. Auf der anderen Seite die chinesische Firma CNPC.
Die russischen Firmen hatten sich dem Bericht zufolge vorher untereinander abgesprochen, dass Sibneft die Anteile bekommt – für etwas mehr als das Mindestgebot von umgerechnet 1,7 Milliarden Dollar. Auch Kreml-Beamte seien mit im Boot gewesen. Das Problem: Die Chinesen hatten vor, zum Start doppelt so viel wie die Russen zu bieten.
Die Chinesen zogen kurz vor der Auktion ihr Angebot überraschend zurück und die Slavneft-Beteiligung ging für knapp 1,9 Milliarden Dollar an Sibneft. Die Schlussauktion war bereits nach sieben Minuten beendet. Das Dossier liefert eine Erklärung dafür, warum die Chinesen einen Rückzieher machten: Der Delegationsleiter sei kurz nach der Landung in Moskau entführt worden. Erst nachdem CNPC von der Auktion zurückgetreten sei, sei er freigelassen worden.
Die BBC betont, dass es keinerlei Verdacht gebe, Abramowitsch habe von der Entführung Kenntnis oder gar etwas mit ihr zu tun. Seine Anwälte sagten, Abramowitsch wisse nichts von dieser angeblichen Entführung. Korruptionsvorwürfe beim Kauf von Anteilen von Sibneft und Slavneft seien falsch. Auch die Behauptung, ihr Mandant habe unter dem Schutz von Jelzin gestanden, sei unzutreffend.
Der Beitrag ist zuerst auf ntv.de erschienen.