Die Einkaufspreise für deutsche Unternehmen sind erstmals seit Mai 2020 wieder gesunken – und das gleich deutlich. Im Oktober lagen die Erzeugerpreise um 4,2 Prozent niedriger als einen Monat zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag bekannt gab.
Die Erzeugerpreise gelten als wichtiger Frühindikator für die Inflation – aktuell ist unter Ökonomen jedoch eine Debatte entbrannt, ob die neuen Daten tatsächlich auf eine Entspannung hindeuten. Die Inflation lag im Oktober mit 10,4 Prozent so hoch wie seit 70 Jahren nicht mehr. Allerdings, und darauf weisen Ökonomen hin, ist die Preissteigerung stark von Energiepreisen getrieben – wie nun auch der Rückgang der Erzeugerpreise. Rechnet man die gefallenen Energiepreise heraus, sind die Erzeugerpreise im Oktober sogar noch leicht um 0,4 Prozent gestiegen.
Unter Ökonomen gilt die Faustregel, dass die Erzeugerpreise verzögert zu einem Drittel in die Inflationsrate eingehen. Das heißt: Die teureren Erzeugerpreise im September von 45,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr dürften sich in etwa 15 Prozent Inflationsrate ausdrücken – sprich: einem Drittel. Und wenn die Erzeugerpreise jetzt nicht weiter steigen, dürften die 15 Prozent irgendwann den Höhepunkt darstellen. Die nun veröffentlichten minus 4,2 Prozent gegenüber September müssen dabei im Kontext betrachtet werden. Zwar gab es jetzt ein Minus, das allerdings nur auf Monatsbasis. Wichtiger ist hingegen der Jahresvergleich, und hier gibt es ein Plus von 34,5 Prozent. Das würde sich später einmal – in der Theorie – in einer Inflationsrate von 11,5 Prozent niederschlagen.
Viele Banken und Wirtschaftsinstitute rechnen auch mit einem ähnlichen Szenario: Die Inflation werde in den kommenden Monaten zunächst noch steigen, dann aber fallen. So prognostizieren es etwa das Freiburger Eucken-Institut oder die Commerzbank. Andere sehen durch die neuesten Daten noch keine Entwarnung. Ein Überblick der Einschätzungen:
Erik Fossing Nielsen, Chefökonom der Großbank UniCredit, sieht durch die gefallenen Erzeugerpreise ein deutliches Entspannungssignal. Sein Appell richtet sich an die Europäische Zentralbank, die mit weiteren Zinsschritten vorsichtig sein sollte.
DIW-Chef Marcel Fratzscher findet klare Worte: „Die Aussage, der Höhepunkt der Inflation sei überschritten, ist irreführend“, erklärt er. Sein Argument: Die Erzeugerpreise seien 2022 stärker gestiegen als die Konsumentenpreise. Es sei also nur eine Frage der Zeit, bis die Erzeuger ihre Preise an die Konsumenten durchreichen.
Der Analyst der DZ Bank Christoph Swonke ist ebenfalls skeptisch, ob der Höhepunkt überschritten sein könnte. Er verweist insbesondere auf den Hebeleffekt durch die Energiepreise. Beispielsweise seien die Erzeugerpreise für Lebensmittel gegenüber September um 25,1 Prozent gestiegen – und das sei lange nicht der einzige Anstieg.
Hasan Alkas, Professor für Mikroökonomie an der Hochschule Rhein-Waal, sieht eine Normalisierung bei den Erzeugerpreisen. Die Steigerungen seien zuvor übertrieben gewiesen – und würden nun korrigiert. Doch auch er verweist auf die sinkenden Energiekosten als Grund. Die EZB habe daher nun weniger Anlass, die Zinsen zu erhöhen, um den Inflationsdruck zu senken.
LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch spricht gegenüber Reuters von einem spektakulären Preisrückgang – möglicherweise sogar einem ersten Vorboten für eine Trendumkehr der Inflation. Er schränkt diese Aussage aber gleichzeitig ein und verweist auf den Energiepreisrückgang für Großverbraucher: „Für die Kleinverbraucher, also letztlich private Haushalte, sind die Preise für Strom und Gas auch im Oktober weiter gestiegen. Für die privaten Endverbraucher steht der Inflationshochpunkt somit erst noch bevor.“