Anzeige

Deeptech-Start-up Führungsumbau und Entlassungen bei Quantencomputer-Hoffnung IQM

Innenleben des IQM-Quantencomputers in Helsinki
Innenleben eines IQM-Quantencomputers
© Juuso Westerlund
Das Quantencomputer-Start-up IQM gilt als technologisch führend – doch noch bleibt der kommerzielle Erfolg aus. Ein Umbau an der Firmenspitze soll helfen – und ein Abbau beim Personal

Quantencomputer gelten in Europa als Zukunftshoffnung für die Technologiebranche, bei der Amerikaner und Chinesen noch nicht hoffnungslos enteilt sind – und das deutsch-finnische Start-up IQM wird in der Branche wiederum als besonders wertvoller Hoffnungsträger angesehen. Über 230 Mio. Euro investierten Geldgeber bislang in das Unternehmen, Spitzenpolitiker wie Ursula von der Leyen oder Emmanuel Macron machten IQM bereits ihre Aufwartung, das „Handelsblatt“ kürte Gründer und CEO Jan Goetz Ende 2023 zum „Gründer des Jahres“.

Die letzte Finanzierungsrunde von 128 Mio. Euro im Juli 2022 liegt allerdings schon eine Weile zurück. Zugleich hat sich das Investmentklima für Start-ups aufgrund der gestiegenen Zinsen generell deutlich verschlechtert. Unternehmen sollten schon Umsätze und bestenfalls Profite vorzeigen können, wenn sie bei Risikokapitalinvestoren eine Chance haben wollen. Für Deeptech-Start-ups wie IQM, die technologisch extrem dicke Bretter bohren und von regelmäßigen Cashflows meist noch Jahre entfernt sind, kann das zu besonderen Schwierigkeiten führen.

Bei IQM wurde nun offenbar die Reißleine gezogen. Um das Business mit den Quantencomputern bei der 2018 gegründeten Firma endlich zum Laufen zu bringen, wurde CEO Jan Goetz ein weiterer Geschäftsführer an die Seite gestellt: Der Finne Mikko Välimäki, der Erfahrung als Softwareunternehmer mitbringt und bislang Mitglied des IQM-Aufsichtsrats war, solle dafür sorgen, „Vertrieb und Marketing mit unserer außerordentlich starken technologischen Basis in Einklang zu bringen“, gab das Unternehmen am Mittwoch bekannt.

10,5 Mio. Euro Umsatz in 2022

Nach Ansicht von Branchenkennern gilt IQM bei der Entwicklung der Computer, die für bestimmte Anwendungen revolutionäre Rechenpower versprechen, als technologisch tatsächlich führend und etwa auf einem Level mit Techgiganten wie IBM. Indem sie sich die eigentümlichen Gesetze der Quantenphysik zunutze machen, schüren Quantencomputer die Hoffnung auf Milliardeneinsparungen in Logistik und Finanzwesen, auf die Entdeckung neuer Medikamente oder die Entwicklung ungleich leistungsfähigerer Batterien.

Doch noch ist all das Zukunftsmusik – Abnehmer aus Industrie und Unternehmen sind einstweilen rar. IQM kann hier allenfalls Projekte im Proof-of-Concept-Stadium vorweisen. Die Einnahmen, die das Unternehmen bislang erzielt, kommen aus staatlichen Aufträgen von Forschungsinstituten und deren Rechenzentren. Entsprechend verzeichnete IQM 2022 laut der jüngsten im finnischem Handelsregister einsehbaren Daten überschaubare Umsätze von 10,5 Mio. Euro – unterm Strich stand ein Verlust von 19,4 Mio. Euro.

Wie es heißt, soll das vorhandene Kapital noch bis Jahresende reichen. Goetz betont, die Runway des Start-ups reiche „noch deutlich über zwölf Monate und bis in 2025 hinein“. In jedem Fall müsste aber vorher die nächste Finanzierungsrunde stehen – und um potenziellen Geldgeber ein Investment schmackhaft zu machen, gilt es nun, den kommerziellen Teil der Unternehmung zu stärken (und den technologischen nicht zu vernachlässigen). So lobt Goetz gegenüber Capital die „Sales-Erfahrung“ seines neuen Co-CEOs. Eine Entmachtung bedeute die Personale nicht, es gehe schließlich um ein sehr komplexes Thema: „Man braucht alle Hände an Deck.“

Dutzende Mitarbeiter sollen gehen

Gleichzeitig müssen die Kosten reduziert werden, um mit dem Kapital besser zu haushalten – und dabei geht es dem Vernehmen nach auch um den Abbau von Personal. Von den knapp 300 Mitarbeitern sollen mehrere Dutzend gehen, heißt es aus dem Umfeld der Firma. CEO Goetz betont, IQM habe bislang noch keine Stellen abgebaut, sondern befinde sich in einer im finnischem Arbeitsrecht vorgesehenen mehrwöchigen Verhandlungsphase zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern. Daher könne IQM „zur Zeit keine Kommentare zur Anzahl von potentiell betroffenen Mitarbeitern machen“. Nach Capital-Informationen wurde die Entlassungsrunde intern aber bereits vor einigen Tagen kommuniziert.

„Wir wollen uns stärker kommerziell fokussieren und im Rahmen dessen schauen wir uns die Performance gewisser Firmenteile an“, sagt Goetz. Außerdem würden Investitionspläne revidiert, „um schlanker zu werden“.

Im Umfeld des Unternehmens wird trotzdem Zuversicht verbreitet: Verwiesen wird auf den erfolgreichen Launch eines vergleichsweise beschränkten Quantenrechners im vergangenen Jahr, der mit einem Kampfreis von unter 1 Mio. Euro etwa für Universitäten interessant sei, sowie auf die Ankündigung, im dritten Quartal 2024 einen besonders leistungsstarken Rechner ausliefern zu können, der auf Unternehmenskunden zugeschnitten sei. Aufträge im dreistelligen Millionenbereich lägen dieses Jahr durchaus im Bereich des Möglichen, heißt es.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel