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New Work Dalia Das: „Wir müssen das Potential nutzen, das wir schon haben“

Dalia Das ist CEO von neuefische.
Dalia Das ist CEO von neuefische.
© neuefische
Dalia Das hat das Coding-Bootcamp Neuefische gegründet. Im Interview erzählt sie, warum Deutschland in der Digitalisierung den Anschluss verlieren könnte und welches Potential Quereinsteiger der IT-Branche bieten.

Dalia Das hat 2018 das Coding-Bootcamp neuefische gegründet. Zuvor arbeitete sie mehr als 15 Jahre für Unternehmen wie AOL Europa und Bertelsmann in der Geschäftsentwicklung. Das ist in diesem Jahr für den New Work Award von Xing nominiert.

CAPITAL: Was ist ein Tech- und Coding-Bootcamp und welche Idee steckt dahinter?

DALIA DAS: Coding-Bootcamps sind in den USA schon seit sechs, sieben Jahren als Weg etabliert, um in kurzer Zeit – in unserem Fall in drei Monaten – einen praxisintensiven Kurs zum Programmieren zu absolvieren. Man wird also bei uns, auch wenn man nicht IT studiert hat, so fit gemacht für den Arbeitsmarkt, dass man in nur drei Monaten jobeinstiegsfähig ist – als Programmierer im Bereich Web-Entwicklung oder aber auch als Data Scientist.

Ihr sprecht gezielt Studienabbrecher und Quereinsteiger egal welcher Fachrichtung an. Kann wirklich jeder lernen, eine Website zu programmieren?

Absolut. Wir haben ein Auswahlverfahren, das sich nicht danach richtet, ob man Vorkenntnisse hat, sondern es geht um die Motivation, das Programmieren lernen zu wollen, um ein gewisses analytisches Grundverständnis, um strukturiertes Arbeiten und auch um Teamfähigkeit, weil wir im Bootcamp viel in Gruppen arbeiten. Jeder der unsere Voraussetzungen erfüllt kann Programmieren lernen, und bisher hat es hier auch jeder gelernt. Allein im vergangenen Jahr haben wir knapp 60 Absolventen erfolgreich durch unsere Camps geführt. In 2019 werden es fast doppelt so viele sein.

Wir haben in Deutschland in vielen Positionen den Anschluss verloren
Dalia Das

Die Ausbildung zum Web Developer oder Data Scientist dauert jeweils zwölf Wochen. Können Eure Absolventen im Beruf tatsächlich mit studierten Kollegen mithalten?

Wir haben nicht den Anspruch, das Informatikstudium in zwölf Wochen zu ersetzen. Dort lernt man viele Dinge, die wir hier nicht lehren können. Allerdings lernt man im Informatikstudium in den seltensten Fällen das Programmierhandwerk selbst. Hier setzen wir an. Uns geht es darum, dass man wirklich Programmieren kann und die Sprachen, die für das jeweilige Aufgabenfeld notwendig sind, beherrscht und mit agilen Arbeitsweisen vertraut ist. Zudem starten unsere Absolventen auch als Teil eines Teams, in dem in der Regel Menschen mit Berufserfahrung und IT-Studium dabei sind.

In Deutschland sind tausende Stellen in der IT-Branche unbesetzt. Würdest Du sagen, dass der digitale Wandel vom Fachkräftemangel gehemmt wird?

Definitiv. Alle Unternehmen, die sich stärker digitalisieren wollen, werden durch den Fachkräftemangel gehemmt. Das betrifft sowohl die Old Economy wie auch die schnell wachsenden New Economy-Unternehmen, zum Beispiel in den Bereichen E-Commerce oder Agenturen. Wir sehen ja auch, dass wir an vielen Positionen in Deutschland schon den Anschluss verloren haben. Soweit ich weiß, haben wir in den Top 60 der global wertvollsten digitalen Firmen nur SAP als großen deutschen Player.

„Wir sind nicht geübt darin, Quereinsteiger als Potential zu erkennen“

Sind Weiterbildungsbootcamps eine Antwort auf den Fachkräftemangel in der deutschen IT-Branche? Und wenn ja, warum gibt es nicht mehr davon?

Auf jeden Fall sind Coding-Bootcamps eine der Antworten auf den Fachkräftemangel. Dass es noch nicht mehr davon gibt, liegt daran, dass wir in Deutschland bisher sehr stark auf den traditionellen Ausbildungswegen verharren: Man studiert oder man macht eine klassische Ausbildung. Wir sind hier noch nicht geübt darin, Quereinsteiger als Potential zu erkennen – oder eben auch Studienabbrecher. Dabei gibt es viele Menschen – und das sehen wir an unseren Bewerberzahlen – die bereit wären, drei Monate ihrer Zeit aufzuwenden, um ihrer beruflichen Perspektive eine neue Richtung zu geben.

Sind Weiterbildungsbootcamps auch dazu geeignet, Geflüchtete oder Menschen ohne Ausbildung in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Sicherlich auch, aber vielleicht nicht in so kurzer Zeit, weil Weiterbildungsbootcamps ja einen Ansatz haben, der sehr auf die fachliche Ausrichtung fokussiert ist. Ich glaube, wenn es um die Integration von Geflüchteten geht, muss zusätzlich noch mehr getan werden, wie die deutsche Sprache zu fördern. Eventuell müssen auch kulturelle Aspekte mitberücksichtigt werden. Von der fachlichen Seite her ist es aber auf jeden Fall ein sehr gutes Format.

Was muss seitens der Politik passieren, um die deutsche Digitalindustrie besser zu fördern?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Es wird ja viel darauf gesetzt, die schulische Vorbildung attraktiver zu gestalten. Aus meiner Sicht müsste aber auch mehr Aufmerksamkeit für alternative Bildungswege geschaffen werden. Wenn man immer nur auf Schule, Uni und die Systeme, die wir schon haben, verweist, dann wird das Potential für Quereinsteiger eingeschränkt. Aber wenn wir in Deutschland Gas geben wollen mit Digitalisierung, dann müssen wir das Potential, das wir jetzt schon haben nutzen. Das geht zum Beispiel mit Coding-Bootcamps.

Wir erhalten sehr viele Bewerbungen von Frauen
Dalia Das

Insbesondere Frauen sind in der IT-Branche immer noch unterrepräsentiert. Wie kann das verändert werden?

Dieser Weg beginnt schon an den Schulen, indem wir auch Mädchen früh für IT begeistern und sie fördern. Ich glaube aber, dass auch Bootcamps wie das unsere eine Antwort sein können. Wir haben durchweg 50 Prozent Frauen in unseren Kursen. Nicht, weil wir uns selbst eine Quote auferlegt haben, sondern weil wir sehr viele Bewerbungen von Frauen erhalten, die ursprünglich einmal etwas anderes studiert haben und dann über eine Weiterbildung wie wir sie anbieten, den Weg in die IT-Branche finden.

Das Konzept der Technology-Bootcamps hast Du aus den USA mitgebracht. Wie bist Du darauf gestoßen?

Ich war knapp acht Jahre lang für den Bertelsmann-Konzern in den USA tätig und habe mich zuletzt unter anderem mit innovativen Bildungskonzepten beschäftigt. Eines dieser Konzepte waren Technology-Bootcamps. So hatte ich schon viele Berührungspunkte mit Investoren und Gründern, die sich in dieser Szene getummelt haben und habe sehr früh gemerkt, wie erfolgreich die Menschen werden, die ein Coding-Bootcamp absolviert haben.

Für und zählt der Anschluss, nicht der Abschluss
Dalia Das

Du hast den Sprung von der Konzernangestellten zur Gründerin gewagt. Wie ist es dazu gekommen und mit welchen Herausforderungen warst Du konfrontiert?

Ich bin 2015 Mutter geworden und habe während meiner Elternzeit beschlossen, dass ich nach langen Jahren in der Konzernwelt einmal selbst unternehmerisch tätig werden möchte. Natürlich sind die Herausforderungen groß, wenn man weder auf die Gelder noch auf die Infrastruktur zurückgreifen kann, die einem in einem Großkonzern zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite hat es sehr viel Spaß gemacht, alles selbst aufzubauen, selbst die Partner zu finden und zu sehen, dass das Konzept, das ich mir ausgedacht habe Anklang im Arbeitsmarkt findet. Letzteres war für mich ein ganz wichtiger Punkt.

Warum?

Wir verstehen uns schon auch als Mittler zwischen denen, die den Fachkräftemangel haben und denen, die in die Digitalindustrie wollen. Für mich ist es deshalb sehr wichtig, dass erstens möglichst viele Leute Zugang zu unseren Programmen haben und dass zweitens, die Ausbildung nicht einfach mit dem Zertifikat endet, sondern wir den Absolventen auch helfen, eine Anstellung zu bekommen. Das kommt oftmals zu kurz. Am Ende hat man sein Zeugnis in der Hand, aber ob man seinen Wunschjob findet oder nicht, liegt nicht mehr in der Verantwortung der Bildungsinstitutionen. Das versuchen wir anders zu denken. Für uns zählt der Anschluss, nicht der Abschluss.

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