Anzeige

Wochenrückblick Selbstherrliche Schutzherren und überforderte Hüter

Großbritannien will seine Bürger vor Pornos schützen und die USA schützen ihre Botschaften vor Anschlägen. Nicht immer ist Schutz willkommen: Moskaus Schutz für den Whistleblower Snowden sorgt für einen Eklat.
Figure

Wer braucht sie nicht gelegentlich: Die schützende Hand, die Böses fern hält. Den breiten Rücken, der Gegnern den Weg versperrt. Den Schutzschild, der Verwundbares vor feindlichen Einflüssen abschirmt. Wer schützt, schiebt - in der älteren Bedeutung des Verbs – gar einen Riegel vor, oder verschließt – in Anlehnung an das verwandte englische „shut“. In dieser zweiten August-Woche 2013 hatten einige Schutzherren gut zu tun.

So will David Cameron, der britische Premier, seine Mitbürger vor pornographischen Inhalten im Internet schützen. Familienfreundliche Filter sollen den Durchlass verwehren – außer, aha ein Schlupfloch, für jene Erwachsene, die explizit darauf verzichten. Schlupflöcher schließen wollen dagegen Agrarministerin Ilse Aigner und TV-Koch Tim Mälzer für deutsche Fischer, die ihre Fangquoten kleinrechnen. Auf Mission zum Schutz bedrohter Dorsche, Heringe und Flundern schipperte das Zweckduo gut gelaunt mit Kameras über die Ostsee.

Figure
Marina Zapf

Aus Fürsorge für seine Diplomaten schloss die US-Regierung mehr 20 ihrer Vertretungen in Nahost, am Persischen Golf und in Afrika. Konkrete Hinweise auf drohende islamistische Anschläge blieb das Außenministerium in Washington schuldig. Aber eine Terrorwarnung zum 15. Jahrestag von Attacken auf US-Einrichtungen in Kenia und Tansania - und zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan – schien wohl angebracht. Obwohl böse Zungen behaupten, der US-Sicherheitsdienst NSA solle der Welt vor Augen führen, wie zielführend das in Verruf geratene Abhörprogramm Prism doch arbeite. Gar von abgefangenen Gesprächen zwischen al-Kaida-Anführern war die Rede: Spuren, die das Netzwerk selten hinterlässt.

Für nachhaltige Spuren der Vergrätzung sorgte dagegen Russlands Geste, dem NSA-Geheimnisverräter Edward Snowden Asyl zu gewähren – zur Bewahrung vor einer drakonischer Strafe der US-Justiz. Ein Motiv, das Kreml-Chef Putin sonst eher fremd ist... dürfte auch Präsident Barack Obama gedacht haben – und sagte ein Treffen mit dem KGB-Emporkömmling in Moskau kurzerhand ab.

Rupie im freien Fall

Weniger machtpolitisch als überlebenswichtig sind die Motive der indischen Regierung, ihren glücklosen Währungshüter zu ersetzen. Die Finanzmärkte begrüßten die Berufung von Raghuram Rajan im September. Aber nur kurz hielt die Rupie inne in ihrem freien Fall, den der frühere Chefökonom des IWF dringend stoppen soll. Das Schwellenland Indien bleibt nicht verschont von der Interessens-verlagerung der Investoren auf US-Anleihen. Rajan steht vor der Mammutaufgabe, die Währung zu schützen, ohne das Wachstum abzuwürgen und Kapitalgeber zu verprellen.

Wer dem jüngsten Abgesang auf die Schwellenländer als Wachstumslokotive übrigens nicht glauben mag, der nehme noch die neuesten chinesischen Handelszahlen zur Kenntnis: Im- und Exporte wuchsen kräftig im Juli nach einem wechselhaften ersten Halbjahr. Kleine stützende Eingriffe der chinesischen Regierung – darunter eine Steuerpause für kleine Unternehmen und die Ankündigung vereinfachter Zollregularien – mögen helfen, den Trend zu halten.

Dass die Volksrepublik ihre Verbraucher so wirksam schützt wie ihre Volkswirtschaft, wäre verwegen zu behaupten. Auf zahlreiche heimische Lebensmittelskandale folgt aber gerade ein kurioser Rollentausch: Es ist nun Peking, das mit dem Finger anklagend auf ausländische Hersteller zeigt. Im Visier: der weltgrößte Molkereikonzern Fontera aus Neuseeland, das 90 Prozent des chinesischen Milchpulverbedarfs bedient. In einigen Produkten wurde ein potenziell gefährliches Bakterium entdeckt.

Und weil Chinas Wirtschaft nicht mehr so brummt wie bisher, will die Führung ihren Verbrauchern auch keine überhöhten Preise für Milchpulver zumuten: sechs ausländische Hersteller wurden wegen Preisabsprachen zu umgerechnet 100 Mio. Dollar Bußgeld verdonnert. Wie heißt es so schön: Lauf nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann.

Fotos: © Getty Images; Trevor Good

Folgen Sie uns auf Twitter: @capitalMagazin

Mehr zum Thema

Neueste Artikel