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Interview Wie John Strelecky seinen Weg gefunden hat

John Strelecky ©Paul Landerl
John Strelecky ©Paul Landerl
Der amerikanische Autor John Strelecky war Unternehmensberater, doch dann hat er sein Leben auf den Kopf gestellt. Er sagt: Jeder muss seinen eigenen Weg finden, um sein Leben zu verbessern. Capital sprach mit Strelecky

John Strelecky ist ein amerikanischer Bestsellerautor. Besonders bekannt ist sein erstes Buch „Das Café am Rande der Welt“. Er entwickelte außerdem das Konzept „The Big Five of Life“ und dazugehörige Workshop-Formate. Ende Januar ist sein neues Buch bei dtv erschienen: In „ Folge dem Rat deines Herzens und du wirst bei dir selbst ankommen“ gibt er Einblicke in sein Notizbuch, in dem er seine Erfahrungen und Erkenntnisse sammelt.

Capital: Sie haben ein sehr gewöhnliches Leben geführt, bevor sie beschlossen, ihren Job zu kündigen, reisen zu gehen und ein Buch zu schreiben. Was ist die Geschichte dahinter? Warum haben Sie sich dazu entschieden?

JOHN STRELECKY: Ich habe als Unternehmensberater gearbeitet. Das war ein ziemlich guter Job, ich wurde gut bezahlt und war gut darin. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich meinen eigentlichen Traum gerade nicht erfülle. Mit 33 habe ich also fast alles verkauft, was ich hatte, habe meinen Rucksack gepackt und bin mit meiner Frau auf Reisen gegangen.

Und auf dieser Reise änderte sich ihr Blick auf die Welt?

Ja, komplett. Ich wollte immer schon, andere Kulturen, Tiere und Orte kennenlernen. Das allein war also lebensverändernd. Aber es war auch beeindruckend zu sehen, dass man so eine Reise einfach machen kann und dass auch andere Menschen das tun. Bevor wir losgefahren sind, dachten wir, wir wären die einzigen. Die Reise hat uns gezeigt, dass es einen andere Sichtweise gibt, auf das Leben zu blicken.

Was hat diese Einsicht nach der Reise mit Ihnen gemacht?

Ich kam von der Reise zurück und nahm einen Auftrag als Unternehmensberater an. Und als ich am letzten Tag dieses Auftrags nach Hause kam, fing ich an zu schreiben. Innerhalb von 21 Tagen schrieb ich „Das Café am Rande der Welt“.

Was wollten Sie mit dem Buch erreichen?

Ich glaube meine größte Erkenntnis auf der Reise war, dass man seinen eigenen Weg gehen kann und nicht dem traditionellen Weg folgen muss. Man kann das tun, wenn es sich richtig anfühlt, man muss es aber nicht. Für mich fühlte es sich falsch an. Und es war wichtig von der Möglichkeit zu erfahren, einen anderen Weg zu gehen und darin erfolgreich zu sein. Die meisten Menschen haben solche Träume und glauben, sie könnten sie nicht verfolgen, weil ihnen das als Kind gesagt wurde oder weil es eine Wahrnehmung in der Gesellschaft gibt, dass das einfach nicht geht. Man kann nicht einfach mit 33 – am Höhepunkt der Karriere – alles aufgeben und backpacken gehen. Aber mir gab dieser alternative Weg mehr Mut, Kreativität und Erkenntnisse als alles, was ich zuvor getan hatte.

Wahrscheinlich werden trotzdem die wenigsten Menschen, ihr Leben so radikal ändern wie Sie. Nichtsdestotrotz sind Ihre Bücher, vor allem in Deutschland, wahnsinnig erfolgreich. Was glauben Sie, versprechen sich Ihre Leser von den Büchern?

Ich glaube, es geht vor allem darum, zu merken, dass man nicht der einzige mit solchen Gedanken ist. Die meisten Leser haben sich oft gefragt, ob in ihrem Leben alles so läuft wie sie es sich wünschen. Ich denke, es macht Hoffnung zu sehen, dass sie damit nicht alleine sind. Und natürlich werden sie nicht alle kündigen und backpacken, aber das ist auch gut so. Das ist schließlich nicht der richtige Weg für alle. Vielleicht ist es der richtige Weg für manche, jeden Tag 30 Minuten mehr mit den Kindern zu verbringen oder morgens mit dem Hund spazieren zu gehen. Wie man sein Leben verbessern kann, liegt bei jedem selbst. Die Bücher geben Hoffnung, dass es möglich ist – und vielleicht ein paar Hilfen, wie es funktionieren könnte.

Was würden Sie denn empfehlen, um den richtigen Weg für sich selbst zu finden?

Für jeden Menschen gibt es Momente, in denen er sich lebendig fühlt. Der eine geht einmal im Jahr Kayak fahren, der andere verbringt Zeit mit einem bestimmten Freund. Man sollte sich bewusst machen, welche Momente einem zu mehr Glück im Leben verhelfen. Das klingt simpel, ist aber wirkungsvoll.

Es gibt viele Menschen, die ihre Zufriedenheit nicht aus dem Job ziehen, sondern aus ihrer Freizeit. Für diese Menschen ist der Job Mittel zum Zweck. Was ist falsch daran?

Da ist überhaupt nichts falsch dran. Ich glaube, es ist eine geniale Einsicht. Schon allein, sich das bewusst zu machen, kann das Gefühl bei der Arbeit verändern. Manchmal vergessen wir, was die Arbeit uns ermöglicht. Für manche Menschen ist der Beruf nur ein finanzielles Mittel, die Dinge zu machen, die sie lieben. Wenn ihnen das bewusst ist, ist das Gefühl, zur Arbeit zu gehen ein ganz anderes. Auch wenn die Arbeit ihnen keine Freude bringt.

Oft wird gesagt, dass es ein neues Phänomen ist, dass Menschen nach der Sinnhaftigkeit in ihrem Job fragen. Vielleicht sogar ein Phänomen der sogenannten Generation Y. Glauben Sie, das stimmt?

Nein, ich glaube nicht, dass es ein neues Phänomen ist. Ich glaube einfach, das hängt an der aktuellen ökonomischen Situation. Wenn die wirtschaftlichen Probleme größer sind, dann sind die Menschen mit anderen Bedürfnissen beschäftigt als der Selbstverwirklichung. In besseren wirtschaftlichen Zeiten rutschen sie in der Bedürfnispyramide nach oben und beschäftigen sich mit Zufriedenheit. Sie haben dann die Flexibilität und Freiheit, das zu tun. Das ist meiner Meinung nach auch keine Frage der Generationen, sondern eher eine der Zeit, in der man lebt. Menschen allen Alters lesen meine Bücher, letztens bekam ich eine Mail einer 80-Jährigen.

Aber gibt es nicht auch in der heutigen Zeit Menschen mit wirtschaftlichen Problemen, die ihrer Selbstverwirklichung im Weg stehen?

Ja, das stimmt. Aber es gibt fast nie eine Lösung für alle Menschen. Ich möchte, dass sich die Menschen fragen, ob das Konzept für sie funktioniert – für ihre Situation und ihr Leben. Denn es zählt nicht, ob es auch für andere funktioniert. Wenn ich mir ein Smartphone kaufe, entscheide ich auch, welches für mich am besten geeignet ist und nicht, welches für andere passt.

Sie geben auf Workshops für Unternehmen, um deren Bestimmung herauszufinden. Ist die Bestimmung eines Unternehmens nicht intrinsisch, Dinge zu verkaufen, die Menschen haben wollen und damit Geld zu verdienen?

Der erste Zweck eines Unternehmen ist es, Geld zu verdienen. Sonst geht es bankrott. Aber der effizienteste und wirksamste Weg zur Profitabilität ist, die Bestimmung des Unternehmens zu definieren, die nicht nur die Mitarbeiter kennen, sondern auch alle anderen Menschen auf der Welt. Auch weil Unternehmen dann erfolgreich sind, wenn sie gute Mitarbeiter haben. Und die klügsten und talentiertesten Menschen wollen nicht mehr nur ein gutes Gehalt, sondern einen Job, der mit ihren Lebenszielen vereinbar ist. Deswegen müssen Unternehmen ihre Ziele so deutlich kommunizieren.

Mit dem Verkauf von Büchern und Angebot von Workshops sind Sie selbst eine Art Unternehmen. Sind Ihre Lebensziele dieselben wie die des Unternehmens?

Die sind definitiv verknüpft. Eins meiner fünf großen Ziele ist es, so viele Menschen wie möglich zu inspirieren. Und das ist auch das Ziel des Unternehmens. Indem ich Interviews gebe, Bücher schreibe und Workshops gebe, verbreite ich meine Ideen.

Ihr Ansatz ist sehr auf den Einzelnen bezogen, braucht es auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, um die Suche nach der eigenen Sinnhaftigkeit zu unterstützen?

Es gibt Bedingungen, die Menschen die Freiheit und Flexibilität geben, über den Sinn ihres Tuns nachzudenken. Und eine dieser Bedingungen ist der Zugang zu Ressourcen. Denn egal was man sich selbst als Ziel setzt, es gibt garantiert jemanden, der irgendwann und irgendwo schon einmal das gleiche Ziel verfolgt und Erfahrungen gesammelt hat. Ich glaube fest daran, dass man diese Menschen finden muss und alles über sie lernen sollte, was möglich ist. Und dieser Zugang zu Wissen existiert in unserer Gesellschaft. Fast jeder besitzt ein Handy, einen Computer oder den Zugang zu einer Bibliothek. Jeder hat Zugang zu Informationen über seine Vorbilder. Und dann geht es wieder um individuelle Entscheidungen: Ist dir bewusst, dass es Vorbilder gibt und bist du bereit, Zeit und Energie aufzuwenden, um mehr über sie zu lernen? Ich glaube wirklich, jeder hat die Möglichkeit dazu.

Ist es nicht auch etwas egoistisch, sich nur mit seinem eigenen Wohlergehen zu beschäftigen?

Diesen Eindruck haben viele Menschen. Aber ich vergleiche das mit der Situation im Flugzeug. Wenn die Sauerstoffmasken herunterfallen, soll man sie sich erst selbst anziehen, bevor man anderen hilft. Im Leben ist das glaube ich ähnlich. Für fast alle Menschen ergibt sich ihre Sinnhaftigkeit auch darin, anderen Menschen, Tieren oder der Natur zu helfen. Menschen wollen einen Unterschied machen. Wenn man ihnen die Freiheit und die Flexibilität gibt, die Sachen zu tun, die sie tun wollen, dann wird das zu einer besseren Welt führen.

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