Arbeitswelt Das sind die größten Probleme mit flachen Hierarchien

Flache Hierarchien in Unternehmen sind angesagt, unproblematisch sind sie aber nicht
Flache Hierarchien in Unternehmen sind angesagt, unproblematisch sind sie aber nicht
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Es klingt so schön basisdemokratisch, geht aber gern nach hinten los. Flache Hierarchien gehören zu den Versprechungen der modernen Arbeitswelt. Größter Störfaktor ist leider der Mensch

Angestellte sind weisungsgebunden. Der Arbeitgeber bestimmt weitgehend Inhalt, Ort und Zeit ihrer Tätigkeit. Immer mehr moderne Unternehmer erinnert das zu stark an Zeiten unmündiger Untertanen. Sie setzen auch innerhalb der Firmenstrukturen auf die große Freiheit und Gleichheit. Hierarchien werden geglättet oder ganz abgeschafft. Mitarbeiter stehen auf derselben Stufe, begegnen einander auf Augenhöhe. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, Kollegen organisieren sich selbstständig.

Diese Mischung aus Individualität und Schwarmintelligenz klingt modern. Aber ist sie auch alltagstauglich? Diese drei Probleme ergeben sich häufig, wenn klare Hierarchien fehlen.

#1 Unklarer Status

„Für Sie bin ich nicht der Herr Kohl“: Altbundeskanzler DOKTOR Helmut Kohl legte Wert auf Titel – vor allem im Umgang mit ihm nicht genehmen Journalisten. Auch Chefs von Firmen mit flachen Hierarchien stellen oft fest, dass ihre Mitarbeiter den Status vermissen, der ein Titel ihnen verleiht. Da mag die Stellenbezeichnung noch so eine Luftnummer sein. Sie ist trotzdem ein wirksames Instrument, um Fachkräfte abzuwerben. Ein Jobtitel verleiht Prestige und hebt aus der Masse heraus. Das zieht auch bei Mitarbeitern, die angeblich nur einer unter Gleichen sein wollen. Besonders prekär: Überkandidelte Titel („Sandwich Artist“ bei Subway), die höhere Qualifikation und Entlohnung vorgaukeln.

#2 Niemand übernimmt Verantwortung

Warum wimmelt es in der Welt nicht nur so von Bill Gates', Elon Musks oder Arianna Huffingtons? Weil die große Masse der Menschen eben sogar unter perfekten Bedingungen nicht das Zeug zum Ausnahmeunternehmer hat. Dasselbe muss man auch auf sehr viel kleinerem Maßstab über die Belegschaften von Firmen sagen. Oft ist nur eine Minderheit der Mitarbeiter fähig und motiviert, Verantwortung zu tragen. Der große Rest wird sich wegducken, wenn es darum geht, klar für eine Entscheidung oder auch nur eine möglicherweise unpopuläre Meinung einzutreten. Wer sich mit dem Gedanken trägt, sein Unternehmen basisdemokratisch umzustellen, sollte vorher einen Blick in die Kaffeeküche werfen. Herrscht das übliche Chaos? Dann sind die Mitarbeiter auch nicht reif genug für flache Hierarchien.

#3 Machtvakuum und Schattenstrukturen

Es muss ja nicht immer gleich das berüchtigte Stanford-Prison-Experiment sein. Aber manchmal führen Versuche mit dem Grad an Autorität in einer geschlossenen Gemeinschaft zu ungewollten Konsequenzen. Der Mensch scheint als sozial veranlagtes Wesen schlecht mit völliger Gleichheit zurechtzukommen. Es bilden sich zwangsläufig Cliquen und Interessengemeinschaften, in denen nicht alle Mitglieder einander ebenbürtig sind. Diese Gruppierungen können im Machtvakuum zu einer Art Schattenhierarchie mit heimlichen Anführern heranwachsen. Diese inoffiziellen Strukturen sind fluide und schwer zu kontrollieren. Manch ein Unternehmer ist mit dem basisdemokratischen Traum gescheitert und schweren Herzens zu alten Hierarchien zurückgekehrt.

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