In einem „ab“ schwingt schon stets die negative Konnotation mit: abwärts, abtreten, abschreiben, abhören, abseitig. Eindeutig zugewiesen ist sein semantisches Schicksal im „Auf und Ab“. Da steht es für den Rückschritt auf der Karriereleiter, für den Rückschlag im Leben, für den negativen Sound des Alltags.
Auch der Abgang scheint somit ein klarer Fall.
Diese letzte Juli-Woche im Jahr 2013 lehrt uns jedoch, wie facettenreich der Abgang tatsächlich sein kann, wie sehr er changiert je nach Subjekt und Kontext.
Berthold Beitz, der große Ruhrbaron, ist in dieser Woche gestorben. Der 99-Jährige ist ruhig in seinem Ferienhaus entschlafen. So ist es ein ohnehin unabwendbares, doch zumindest würdiges Ableben. Wenn auch so wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag, ist dies noch dazu an einem für ihn sehr bedeutungsvollen Tag geschehen: dem 30. Juli, ausgerechnet dem Jahrestag, an dem auch sein großer Förderer Alfried Krupp von Bohlen und Halbach verstorben ist. An dem Tag vor 46 Jahren hat Beitz dessen Erbe angetreten als mächtiger Vorsitzender der Krupp-Stiftung. Beitz wird gewürdigt als herausragende Unternehmerpersönlichkeit der Nachkriegszeit, als Jahrhundertmanager. Ein endgültiger Abgang von der Bühne des Lebens, der mit Standing Ovations eines großen Publikums begleitet wird.
Ebenso viel Aufmerksamkeit wie dem Lenker des vormals bedeutendsten Industriebetriebs der Nation, wurde dem Chef des nunmehr wichtigsten Konzerns Deutschlands zuteil. Siemens-Chef Peter Löscher wurde nach sechs Jahren im Amt abberufen, wahrlich abgesägt auf offener Bühne. In einem erbärmlichen Akt der Führungsunfähigkeit hat der Aufsichtsrat den österreichischen Manager diffamiert. Hilflos wie in seiner gesamten Amtszeit bäumte sich Löscher in diesem letzten Gefecht zu einem Gegenschlag auf, um seinen ehemaligen Mentor, Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, mit in den Abgrund zu ziehen. Vergeblich. Für Löscher ist der Vorhang gefallen. Ein Abgang begleitet von lauten Buhrufen und Stampfen. Aber es wird nicht der letzte Akt in diesem Drama sein, nicht für Cromme und vielleicht auch nicht für Löscher.
Nicht unabwendbar, nicht unfreiwillig, sondern sehr bewusst und selbstbestimmt hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck seinen Rücktritt in dieser Woche verkündet. Nach einem Schlaganfall und vielen weiteren Warnzeichen seines Körpers, dankt der beliebte SPD-Politiker nach elf Jahren im Amt als Landesvater ab. Wer auftritt, muss auch abtreten. Und das kann durchaus so leise und elegant, mit einer Verbeugung geschehen. Da Platzeck in seiner Nebenrolle als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg auch gleich durch die Hintertür entschwindet, hinterlässt er diesem schillernden Theater gleich noch eine schwierige Neubesetzung.
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