Johannes Meier (Name v. d. Red. geändert) hat immer vom Meer geträumt. Deshalb ist er vor 20 Jahren aus dem Süden Deutschlands in den Norden gezogen, nun reicht ihm auch der Großraum Hamburg nicht mehr. „Zu viele Menschen, zu wenig Waterkant“, sagt der 58-Jährige. Anfang des Jahres stand sein Entschluss fest: Er wollte „richtig“ an die Küste – und das nicht nur am Wochenende.
Dänemark? „Toll“, sagt Meier, aber leider zu teuer. Etwas an der deutschen Nordseeküste? Für den Marketingmanager zu abgelegen. Dann eben Ostsee. Wochenlang hat der 58-Jährige alles zwischen Kappeln an der Schlei und Usedom abgefahren auf der Suche nach seinem Traumhaus. Fündig wurde er schließlich auf Rügen. Nein, nicht in einem schicken Seebad. „Auf Rügen gibt es entweder Binz oder DDR“, sagt Meier, der sich für den Retrocharme eines Dorfs entschied. In Rambin wartete ein 100 Jahre altes Wohnhaus auf ihn, Ecke Dorfstraße/Strandstraße. Renoviert, neue Bäder, schicke Küche – und der Clou: ein Bungalow auf dem Grundstück, den Meier zum Büro umbauen wird. Das Meer ist nicht weit, und Stralsund liegt gleich hinter der Brücke.
Dieser Flecken Erde sei ein Glücksgriff, findet Meier. 114.000 Euro hat er bezahlt – Nebenkosten, wie die Maklercourtage von 7,14 Prozent, nicht mitgerechnet. Bald, freut sich der Neu-Rambiner, gebe es dank einer Umgehung auch keinen Durchgangsverkehr mehr: „Dann ist es vermutlich so ruhig wie vor der Wende.“ Genauso, wie er es sich erträumt hat.
Ein Häuschen am Meer oder eine Hütte mit Blick auf die Berge, wenigstens ein Apartment in der Nähe eines Sees – so sieht das Sehnsuchtsziel vieler Deutscher aus. Immer mehr gut situierte Bundesbürger suchen nach einem Platz zum Ausspannen. Und wenn sie selbst nicht dort Ferien machen, soll das Domizil möglichst vermietet werden – schließlich gibt es für das Geld auf dem Bankkonto zurzeit kaum Zinsen. Damit das Kalkül aufgeht, gilt es jedoch, Haus oder Apartment sorgfältig auszusuchen sowie Aufwand und mögliche Erträge realistisch zu kalkulieren.
Seit Jahren boomt der Markt mit Urlaubsimmobilien. Viele Angehörige der Erbengeneration verfügen über das nötige Kapital oder übernehmen gleich das Domizil der Familie. Jeder fünfte Besitzer hat sein Ferienobjekt geerbt. Begehrt sind vor allem Ziele nahe den Metropolen Hamburg, Berlin und München, bei denen sich auch ein Wochenendtrip lohnt. Deutsche Küstenlagen liegen in der Gunst ganz weit vorne. „Nahezu jeder dritte Immobilienerwerb fand in den vergangenen vier Jahren an Nord- oder Ostsee statt“, sagt Aye Helsig, Deutschlandchef des Ferienimmobilienportals Fewo-direkt.
Nord- und Ostsee zählen zu den beliebtesten Urlaubsregionen der Deutschen. Dort befindet sich rund ein Viertel aller Objekte. Internationaler wird es in den bayerischen Bergen, wohin auch Österreicher und wegen des starken Frankens die Schweizer drängen. Mehr als die Hälfte der Deutschen mit eigenen Ferienimmobilien hat in der Heimat gekauft. Auf Spanien entfallen gut zehn Prozent der Objekte, Österreich liegt mit einem Anteil von gut sieben Prozent auf dem dritten Rang in der Beliebtheitsskala.
Fünf Regionen im Test
Die Zeiten von Schnäppchen in begehrten Urlaubsregionen sind fast überall vorbei. 205.000 Euro investierten Käufer laut Studien zuletzt durchschnittlich. An den deutschen Küsten steigen Nachfrage und Preise. Sogar in Spanien zeigt die Wertentwicklung wieder nach oben. In Österreich hingegen stehen die Chancen für Käufer auf einen günstigen Einstieg aktuell nicht schlecht, weil vom kommenden Jahr an Immobilienverkäufe höher besteuert werden.
Für die fünf beliebtesten Ferienregionen bildet Capital die Preisspannen für typische Ferienhäuser und -wohnungen ab, die in den vergangenen zwölf Monaten verkauft wurden. Für Deutschland fußen die Angaben auf Daten des iib Dr. Hettenbach Instituts, für die sämtliche Angebote auf den relevanten Immobilienportalen ausgewertet wurden. In Österreich und Spanien wurden lokale Makler befragt. Die Preisangaben wurden um „Ausreißer“ nach oben und unten bereinigt. Jenseits der aufgeführten Obergrenzen werden Spitzenpreise erzielt, die sich zuweilen auf das Doppelte belaufen können.
Das Capital-Urteil (ein Häuschen bis fünf Häuschen) bezieht sich auf die voraussichtliche Wertentwicklung von Immobilien in dem jeweiligen Ferienort. Hier fließen unter anderem Aspekte wie die Verfügbarkeit von Objekten und die mittelfristige Preisentwicklung in den vergangenen fünf Jahren ein.
Egal für welches Land und welche Region sich die Deutschen bisher entschieden haben – die Zahlungsbereitschaft ist immens. Selbst Preise jenseits der 10.000 Euro pro Quadratmeter am Tegernsee oder auf Norderney schrecken nicht ab. Fast alle Käufer sind äußerst zufrieden mit ihrer Investition; jeder Vierte denkt sogar über einen weiteren Kauf nach. Das ergab eine Marktanalyse von Fewo-direkt und dem Maklerhaus Engel & Völkers, für die 4 410 Eigentümer befragt wurden.
Informationen zu deutschen Ferienregionen sowie Kaufpreise und Lagequalitäten in den Urlaubsorten finden Sie – laufend aktualisiert – unter:
immobilien-kompass.capital.de
Niedrige Kreditzinsen und die Wertsteigerungen der vergangenen Jahre lassen die Investition in positivem Licht erscheinen. „Fast jede zweite Ferienimmobilie ist heute mehr wert als vor zehn Jahren“, sagt Helsig. Auf den Nordseeinseln seien die Preise von Immobilien am stärksten gestiegen – etwa um 39 Prozent, im Land Tirol um 30 Prozent und selbst auf Mallorca hätten Ferienobjekte trotz zwischenzeitlicher Einbußen um 15 Prozent zugelegt.
Viele Käufer wollen mit dem Erwerb eines Apartments oder einer Wohnung gleich mehrere Ziele erreichen: ihr Domizil für den eigenen Urlaub nutzen, fürs Alter vorsorgen – und zwischenzeitlich Einnahmen generieren, um wenigstens die laufenden Kosten zu decken. Für rund 60 Prozent der Befragten stehen laut Fewo-Studie Eigennutzung und Vermietung im Vordergrund.
Vor allem an Nord- und Ostsee dürfte die Einquartierung von Gästen künftig schwieriger werden, jedenfalls in Bestandsobjekten. Der Run auf die deutschen Küsten hat die Struktur vieler Orte radikal verändert – nicht immer zum Besseren für die Bewohner. Von Sylt bis Borkum, von Grömitz bis Usedom sind Zigtausende Häuser und Apartmentanlagen aus dem Boden gestampft worden – fast alles Zweitwohnungen, die nur wenige Wochen im Jahr genutzt werden.
„Im Sommer platzen wir für ein paar Wochen aus allen Nähten, im Winter kann man die Bürgersteige hochklappen“, beschreibt ein Ostsee-Makler die Lage. „Wir müssen was unternehmen, wenn wir keine Geisterdörfer haben wollen.“
Ferienwohnungen – ja, aber
Politik und Verwaltung steuern jetzt gegen. In manchen Urlaubsgebieten dürfen nur noch Dauerwohnungen errichtet werden. Auf Sylt will man eine 60-40-Regelung durchsetzen: Wer weitere Ferienapartments bauen will, muss 40 Prozent der Fläche für langfristig vermietete Wohnungen „opfern“. Kampen und Wenningstedt wollen dabei erklärtermaßen nicht mitmachen.
Die Lage ist unübersichtlich, jede Gemeinde entscheidet selbst. Käufer, die auch vermieten wollen, sollten sich gründlich über die Lage in ihrem Wunschort informieren. „Wer bei älteren Objekten auf Nummer sicher gehen will, erkundigt sich am besten im Rathaus, ob er an Urlauber vermieten darf“, sagt Thomas Beyerle, Chefresearcher der Immobilienberatung Catella.
Inzwischen greifen viele Kreisverwaltungen mithilfe eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts Greifswald von 2007 durch. Es besagt: Ferienimmobilien in Wohngebieten sind nicht erlaubt. Jahrelang hat sich niemand daran gestört, doch mittlerweile häufen sich die Beschwerden von Einheimischen, die fürchten, bei der Immobiliensuche zu kurz zu kommen. Kühlungsborns Bürgermeister Rainer Karl spricht von „einer regelrechten Anzeigenflut“.
2014 durften im Ostseebad Rerik zwei Drittel der Bestandswohnungen nicht mehr an Feriengäste vergeben werden. Auch Vermieter in Fehmarn und Grömitz bekamen das Urteil zu spüren. Es betrifft fast alle Regionen, selbst wenn Bettenwechsel bislang still geduldet wurde – schließlich bringen die Gäste das Geld.
Politische Unsicherheiten
Die Probleme sind mittlerweile bereits bis nach Berlin durchgedrungen. Die Bürgermeister der sieben ostfriesischen Inseln funkten im vergangenen Jahr SOS – und fordern nun eine Änderung des Baugesetzes, um den „Ausverkauf“ von Wohnraum zu stoppen. Sie hoffen, dass sich der Bundestag damit bald beschäftigt. Sollten sie Erfolg haben, dürfte das die Preise noch weiter nach oben treiben.
Heikel ist der schwelende Konflikt vor allem für Ferienhaus-Finanzierer: Wer ein älteres Objekt gekauft hat und vermietet, um den Kredit zu tilgen, gerät womöglich in die Bredouille, wenn er keine Gäste mehr unterbringen darf. „Was momentan noch geduldet wird, kann morgen schon nicht mehr gelten“, warnt Experte Beyerle. „Daher ist Vorsicht angebracht beim Kauf von älteren Immobilien in Ortskernen.“
Wer mit seiner Ferienimmobilie nichts verdienen muss, ist hingegen fein raus. Millionenobjekte auf Sylt oder in Garmisch-Partenkirchen werden ohnehin nicht vermietet, weiß man bei Engel & Völkers. Und auch für Käufer frisch gebauter Objekte ist das Vermietungsverbot ohne Belang. „Neuere Ferienwohnanlagen wurden in den vergangenen Jahren in der Regel nur auf Grundstücken errichtet, die dafür ausgewiesen wurden“, bestätigt Immobilienexperte Beyerle.
In Travemünde setzt man auf „geregelte Bewirtschaftung“: Neue Ferienwohnungen sind gestattet, müssen dann aber auch vermietet werden. Pilotprojekt ist ein Apartmenthaus mit 100 Ferienquartieren. Die Wohnungen lassen sich nur über ein Betreibermodell erwerben, bei dem eine professionelle Vermietung gewährleistet ist. Zwei Drittel des Jahres sollen die Apartments ausgelastet sein. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.
Der Ferienimmobilien-Kompass ist in Capital 10/2015 erschienen. Wir werden die Untertsuchungsergebnisse der fünf Regionen in nächster Zeit auf Capital.de veröffentlichen. Auf einen Blick gibt es den Ferienimmobilien-Kompass im aktuellen Heft oder in der iPad-Ausgabe. Hier können Sie sich die iPad-Ausgabeherunterladen. Hier geht es zum Abo-Shop, wenn Sie die Print-Ausgabe bestellen möchten.