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Ausblick 2019 Drei wichtige Trends am Immobilienmarkt

Begehrtes Quartier: Altbau im Reuterkiez in Berlin-Neukölln
Begehrtes Quartier: Altbau im Reuterkiez in Berlin-Neukölln
© dpa
Am Immobilienmarkt sind die Preise rasant gestiegen, die Furcht vor einer Blase wächst. Doch in attraktiven Städten geht der Boom wohl weiter – wenn auch langsamer als bisher. Haus- und Wohnungskäufer sollten 2019 wählerischer werden

Wer den Wohntrends im boomenden Berlin folgt, wird im nördlichsten Zipfel von Neukölln schnell fündig – einem Hipsterquartier direkt am Landwehrkanal. Zweimal wöchentlich türmen sich auf dem Türkenmarkt am Maybachufer wahre Berge von Gemüse und Stoffen. Daneben backt Brammibal’s vegane Donuts, und beim Koreaner nebenan bestellt man am besten auf Englisch.

Das Gründerzeitviertel rund um den Reuterkiez mit seinen gepflasterten Straßen, Hinterhöfen und Gewerbebauten ist vom abgerockten Arbeiterquartier in den letzten Jahren in die Liga der begehrten Innenstadtlagen für junge Leute aufgestiegen. Das Publikum ist international – und mittlerweile oft auch das Niveau der Mieten und Kaufpreise.

Wer sich hier einmieten will, kommt unter 1000 Euro monatlich kaum noch davon – oder kauft gleich, wenn die Eltern das Portemonnaie öffnen. In diesem Fall ist immerhin die Zahl der angebotenen Wohnungen dreimal so groß. Im Vergleich zu London oder Paris sind die Preise moderat, aber auch hier werden inzwischen stolze Kurse aufgerufen: In der Schinkestraße sind 34 Quadratmeter zu jeweils 7300 Euro annonciert, 4500 Euro sind im Kiez üblich.

Wann kommt die Trendwende?

Seit Jahren regieren in den Metropolstädten wie Berlin, Hamburg, Frankfurt und München die rasant steigenden Preise und Mieten. Trends am Wohnungsmarkt ergeben sich aus dem Mangel an bezahlbarem Raum – als Ausweichbewegungen der Zu- und Umzügler. Gefragt sind kleine Wohnungen bis hin zu Mikroapartments mit 20 Quadratmetern (nicht nur für Studenten), junge Familien flüchten in gut angebundene Vororte.

Im Jahr acht des Immobilienbooms warten viele auf eine Trendwende in den Städten. Experten sehen den Markt inzwischen zwar in der Spätphase, aber in den A-Städten wird im nächsten Jahr allenfalls ein Abflachen des stürmischen Preisanstiegs erwartet. „Die Trends in den Städten sind intakt und auch die langfristigen Perspektiven gut“, sagt etwa Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Die Nachfrage durch Zuzügler aus dem EU-Ausland bleibe hoch. Auch nach Prognosen der Deutschen Bank sollte der Aufwärtstrend bis 2022 nicht kippen.

Erste Anzeichen einer aufziehenden Wende sind aber nicht zu übersehen. Bei Neubau-Eigentumswohnungen sind die Preise wohl ausgereizt: In den Top-7-Städten halbierte sich der Preisanstieg laut Immobilienverband Deutschland (IVD) nahezu von 14 auf knapp acht Prozent – bundesweit gab das Wachstum von 10,5 auf knapp sieben Prozent nach. Auch bei Einfamilienhäusern ging es spürbar runter. Wohlgemerkt: Was sinkt, ist das Wachstum, nicht die Preise selbst.

Der Preisanstieg in den A-Städten wird allenfalls abflachen, sinkende Preise oder gar eine Blase sehe ich auf Jahre hinaus nicht
Günter Vornholz

Der gebremste Anstieg ist für viele ein Vorbote, dass die Rally am Immobilienmarkt langsam auslaufen könnte. Fast drei Jahre hielt die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins bei null. Weil viele Käufer 2019 noch mit einem Zinsanstieg rechnen, kehrt die Skepsis zurück. „Die EZB-Niedrigzinspolitik ist der Motor für den Preisboom in den Städten“, sagt Günter Vornholz, Immobilienökonom an der EBZ Business School Bochum. Sollten die Bauzinsen tatsächlich steigen, würde dies Selbstnutzern einen Wohnungskauf erschweren – und für Anleger kämen wieder alternative Anlagen in Betracht.

Zumindest kurzfristig dürfte das den Immobilienmarkt noch nicht treffen. Vornholz ist sicher: „Der Preisanstieg in den A-Städten wird allenfalls abflachen, sinkende Preise oder gar eine Blase sehe ich auf Jahre hinaus nicht.“ In dieser Einschätzung sind sich viele Experten einig, weil die Städte weiter mit hoher Nachfrage durch junge Leute und urbane Arbeitsnomaden rechnen können. Zugleich wird zu wenig gebaut. Wegen der hohen Kaufpreise schmelzen aber Studien zufolge auch die Mietrenditen in A- und B-Städten auf Werte von zwei bis drei Prozent.

Wer in diesem zunehmend schwierigen Umfeld kaufen will, sollte die Bewegungen am Markt kennen. Capital hat drei Trends ausgemacht – und nennt die Folgen für Käufer:

Trend 1: Blasengefahr (noch) gering

Es ist ja beileibe nicht so, als suche niemand nach Preisblasen am Immobilienmarkt. Im Gegenteil. Die Gefahr wird von vielen gesehen. So unterschiedliche Marktbeobachter wie Bundesbank, Forschungsinstitute sowie die Immobilienweisen verfolgen die Marktentwicklungen genau. Ihr Befund klingt überraschend einhellig: Für eine kreditfinanzierte Preisblase spricht in Deutschland bislang wenig – von regionalen Überbewertungen in den Städten einmal abgesehen.

Die geteilte Entwicklung des Marktes – starke Preissteigerungen in Großstädten, eher sinkende Preise auf dem Land – dürfte sich fortsetzen, erwartete schon das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen. Die Finanzierungen scheinen aber noch solide. Zwar ist das Volumen der Wohnungsbaukredite in den ersten drei Quartalen 2018 um 4,4 Prozent zum Vorjahr gewachsen – die Steigerung liegt aber unter dem historischen Durchschnitt. Laut Bundesbank vereinbarten auch mehr Privathaushalte lange Zinsbindungen. „Boom ist nicht gleich Blase!“, schreibt denn auch die Deutsche Bank in ihrem Ausblick für 2019.

Weil die erzielbaren Mieten vielerorts nicht mehr mit den galoppierenden Preisen mithalten, sinkt die Renditeerwartung für sicherheitsorientierte Anleger weiter. In den sieben A-Städten sind laut dem -Marktforscher Bulwiengesa noch 1,9 bis 2,6 Prozent zu erwarten, etwas besser stehen B-Märkte wie Bonn, Leipzig oder Hannover und Unistädte wie Aachen und Magdeburg da.

Fazit für Käufer: Die schwächelnden Mietrenditen zeigen: Die Unsicherheiten am Immobilienmarkt wachsen. „Private Anleger müssen jetzt schon sehr genau hingucken, um noch Gelegenheiten zu finden – etwa im Umland der Metropolen oder in aufstrebenden Städten wie Magdeburg oder Hannover“, rät Jürgen Michael Schick, Präsident des IVD.

Und auch für Selbstnutzer schließt sich zusehends ein historisch günstiges Zeitfenster mit steigender Kaufkraft und ultraniedrigen Bauzinsen. Sie müssen tendenziell mit höheren Kreditkosten und steigenden Anforderungen ans Eigenkapital rechnen. Wer auf Nummer sicher gehen will, plant laut Ökonom Vornholz mit 30 Prozent Eigenkapital, einer langen Finanzierung über 15 oder 20 Jahre und einer möglichst hohen Tilgung ab drei Prozent aufwärts.

Trend 2: Raus ins Umland

Als Folge der stark gestiegenen Preise und abgegraster Märkte in den Metropolen zieht es vor allem junge Familien mit Platzbedarf wieder vor die Stadt. „Die Nachfrage wird förmlich ins Umland gedrückt. Pendeln erscheint vielen aktuell günstiger, als etwas in der Stadt zu kaufen“, sagt Claus Michelsen, Wohnungsmarktforscher vom DIW. Der Druck in den Vororten nehme schon jetzt spürbar zu.

Seit Jahren gewinnen etwa die Regionen um Frankfurt oder Stuttgart mehr Einwohner aus den jeweiligen Städten als umgekehrt hineinziehen. Die Wanderung dürfte anhalten. „Es sind durchaus Wohlhabende, die die Städte verlassen, um sich vor den Toren etwas zu suchen“, sagt Vornholz. Man habe Geld, suche aber Platz und wolle nicht alles für die Miete ausgeben.

Die Flucht vor den Preisen setzt sich fort bis hin zur Art der Objekte: So steigen die Preise für Reihenhäuser laut IVD-Daten derzeit schneller als die frei stehender Eigenheime. Für Letztere müssen Käufer in den 14 größten Städten rund 470.000 Euro einplanen. „Reihenhäuser sind noch erschwinglicher“, sagt IVD-Mann Schick.

Zugleich zieht es auch junge Leute vermehrt in die zweite Reihe, weil es sich dort billiger und besser leben lässt – gern auch im Osten der Republik. Schwarmstädte wie das pulsierende Leipzig, Schwerin oder Halle sowie Passau oder Bonn ziehen junge Menschen laut Forschungsinstitut Empirica heute eher an als kostspielige Metropolen, wo sie mit anderen Zuzüglern konkurrieren.

Fazit für Käufer: Für Kapitalanleger eröffnen prosperierende B-Städte und Universitätsstandorte ebenso neue Chancen wie der Trend zur Peripherie. Die Kaufkraft liege in den Vororten mitunter höher als in der Kernstadt, meint IVD-Präsident Schick. Im Berliner Umland wie Brandenburg an der Havel oder Strausberg seien dank guter Wirtschaftsdaten inzwischen ordentliche Renditen drin, urteilt auch die Immobiliengesellschaft TAG.

Als Geheimtipp für Investoren sieht Empirica-Forscher Reiner Braun vor allem Gebrauchtimmobilien. Das Risiko sei im Umland allerdings höher als in den Städten: „Die meisten ziehen nicht freiwillig raus, sondern weil die Preise sie treiben“, glaubt er. Auf mittlere Sicht dürfte das aber so bleiben: Braun geht davon aus, dass Wohnungsknappheit und hohe Mieten in den Metropolen noch fünf bis zehn Jahre anhalten.

Wer für sich selbst kaufen will, muss angesichts hoher Preise und beschränkter Budgets abwägen, was ihm wichtiger ist: lieber ein kleines Domizil in der Stadt, unter Umständen in einem weniger begehrten Viertel, oder mehr Platz und Komfort im Umland – inklusive der täglichen Pendelei.

Pfiffige Großstädter mit guten Nerven können mitunter auch einen dritten Weg beschreiten: Wer den langen Marsch durch die Instanzen der Bürokratie nicht scheut, kann auch ein gewerbliches oder teilgewerbliches Objekt zu Wohnraum umwidmen – mit Zustimmung des Bauamts und aller Miteigentümer, versteht sich.

Trend 3: Mikro-/Mini-Apartments

In Großstädten wie Frankfurt, München oder Berlin, wo Arbeitsnomaden, einheimische Singles und Studenten um bezahlbaren Wohnraum rangeln, kommen immer mehr Mikro- und Miniapartments mit nur 20 oder 40 Quadratmetern Wohnfläche auf den Markt – teils voll möbliert. Dieses Format bietet Vermietern die Chance, höhere Mieten aufzurufen. Mittlerweile ist die Renditeerwartung allerdings auch hier fast auf Normalniveau gesunken. Doch die Nachfrage bleibt weiter hoch – schon wegen der hohen Zahl der Singlehaushalte. In Hamburg, Berlin und München liegt deren Anteil mittlerweile bei über 50 Prozent, in Frankfurt und Stuttgart kommt er nahe ran.

Nach Ansicht von Experten bleiben Mikroapartments ein Nischenangebot, selbst wenn sie Anforderungen wie Komfort, exzellente Anbindung an den Hauptbahnhof und Infrastruktur wie Restaurants erfüllen. Empirica-Forscher Braun hält sie in der Masse für „eine Zeitgeisterscheinung“. Bedarf sieht auch IW-Experte Voigtländer in den Metropolen eher bei kleinen Wohnungen, die aber deutlich preisgünstiger liegen: „20 Quadratmeter für 600 oder 700 Euro im Monat – das wird auf Dauer nicht funktionieren.“

Umfragen bestätigen diese Einschätzung eindrücklich: 73 Prozent der Deutschen wünschen sich einer repräsentativen Befragung der Interhyp zufolge mindestens 100 Quadratmeter Wohnfläche, obgleich nur 44 Prozent tatsächlich so viel Platz haben. Ein Trend zur Verzwergung des Wohnens lässt sich daraus nicht ablesen.

Fazit für Käufer: Private Anleger sollten bei möblierten Kleinstwohnungen schon deshalb vorsichtig agieren, weil die hohe Fluktuation samt Renovierungsbedarf den erhofften Ertrag merklich drücken kann. Besser sieht es schon wegen der zunehmenden Zahl an Senioren hingegen bei kleinen städtischen Domizilen ab 40 Quadratmetern aus, am besten mit abgetrenntem Schlafraum. „Niemand will dort essen, wo man auch schläft“, weiß Schick als Makler aus Erfahrung. Sobald das Budget reiche, gehe es in anderthalb oder zwei Zimmer – auch als Single oder Rentner. Die Zukunft der Deutschen, da ist er sicher, liege nicht in Mikroapartments.

Auch Selbstnutzer sollten sich fragen, ob sie wirklich länger auf kleinem Raum wohnen wollen oder vermieten können – schon wegen der Kaufnebenkosten. Schließlich dauert es Jahre, bis Wohnungskäufer die Spesen für Makler, Notar, Grunderwerbsteuer et cetera – zehn bis 15 Prozent auf den Kaufpreis – wieder heraushaben. Ganz abgesehen davon, dass Wertzuwächse versteuert werden müssen, wenn die Immobilie nach weniger als zehn Jahren wieder verkauft wird.

Als Trial-and-Error-Anlagemodell eignet sich eine Immobilie eben nicht einmal in Boomzeiten.

Der Beitrag ist in Capital 01/2019 erschienen. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop , wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes , GooglePlay und Amazon

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