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Interview „Wir finden China weiterhin interessant“

J.P. Morgan-Stratege Tilmann Galler über Schwellenländer und warum China sein Favorit ist.
Wirtschaftsmetropole Shanghai: Trotz Wachstumsknick bleibt China der Favorit unter den Schwellenländern
Wirtschaftsmetropole Shanghai: Trotz Wachstumsknick bleibt China der Favorit unter den Schwellenländern

Tilmann Galler ist Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management

Capital: Das vergangene Jahr war für Schwellenländer turbulent. Welche Themen sollten Emerging-Markets-Investoren 2015 im Auge behalten?

Galler: Der stark gesunkene Ölpreis hat im zweiten Halbjahr 2014 rohstoffexportierende Schwellenländer unter Druck gesetzt und zu Differenzen bei der Entwicklung der Aktienmärkte verschiedener Emerging Markets geführt. Dieses Thema wird auch im laufenden Jahr weite Teile der Schwellenländer im Griff haben. Auch der weiter aufwertende US-Dollar wird die Emerging Markets beschäftigen. Wir gehen außerdem davon aus, dass der Leitzins in den USA steigen wird, weil sich die US-Wirtschaft positiv entwickelt. Steigt der Leitzins stärker, als vom Markt erwartet, birgt das Gefahren für Schwellenländer.

Welche Schwellenländer könnten für Anleger im laufenden Jahr besonders interessant sein?

Wir finden China weiterhin interessant, auch wenn die Wirtschaftsdynamik dort zuletzt nachgelassen hat. Chinesische Aktien sind zurzeit günstig bewertet. Außer China haben wir momentan keine dezidierten Lieblinge. Stabile Wachstumsmärkte wie Südostasien oder Mexiko haben die Krux, dass ihre Aktienmärkte recht teuer sind. Märkte mit attraktiven Bewertungen, wie zum Beispiel Brasilien, bergen wiederum konjunkturelle Risiken. Wir sehen auf der Branchenebene mehr Potenzial als auf der Länderebene, zum Beispiel bei zyklischen Konsumwerten und IT-Aktien. Bei Branchen also, die von relativ schwachen Lokalwährungen profitieren.

Eignen sich Aktien aus Emerging Markets noch immer nur für risikofreudige Anleger, oder hat sich das geändert?

Die Kurse von Schwellenländeraktien schwanken nach wie vor stärker als die Kurse von Aktien aus Industriestaaten. Dessen sollten sich Investoren bewusst sein. Das liegt heute allerdings vor allem an der Währungskomponente: In lokaler Währung gerechnet hat sich die Volatilität an den Schwellenländer-Aktienmärkten mittlerweile an die Volatilität an den Aktienmärkten von Industriestaaten angeglichen. Die meisten Anleger investieren aber in Hartwährungen wie Euro oder US-Dollar und müssen deshalb mit stärkeren Schwankungen rechnen.

Durchwachsende Aussichten für Rentenmärkte

Gibt es eine Möglichkeit, diese Schwankungen abzufedern, ohne in Lokalwährungen zu investieren?

Dividendenstrategien haben eine vergleichsweise geringe Volatilität. Anleger sollten dabei allerdings nicht nur auf hohe Dividendenrenditen achten, sondern auf die Stabilität der Ausschüttung.

Wie geht es an den Rentenmärkten der Emerging Markets 2015 weiter?

Es gibt Unsicherheit darüber, ob einige Länder, die unter dem niedrigen Ölpreis leiden, ihre Anleihen im laufenden Jahr bedienen können. Das betrifft vor allem Venezuela und Nigeria. Diese Unsicherheit könnte im Jahresverlauf die Stimmung an den Rentenmärkten verschlechtern. Der Ausblick ist also durchwachsen.

Es gab Jahre, in denen die Wirtschaft in Industriestaaten stärker gewachsen ist als die in Schwellenländern. Könnte 2015 ein solches Jahr werden? Immerhin scheint die US-Wirtschaft auf einem guten Kurs zu sein.

Nein, der Wachstumsvorsprung der Emerging Markets ist zu groß. Wir haben zwar einige Jahre lang die Tendenz gesehen, dass sich das Wachstum in den Schwellenländern im Vergleich zu den Industriestaaten abschwächt. Dieser Trend neigt sich nun aber dem Ende zu. Die Wachstumsdynamik dürfte im laufenden Jahr in einzelnen Schwellenländern deutlich anziehen. Für Indien prognostizieren wir zum Beispiel für 2015 ein Wachstum von deutlich über fünf Prozent.

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