Am Donnerstag wird es ernst für Italiens neue Regierung: Sie muss der EU-Kommission ihren Haushaltsentwurf für das kommende Jahr vorlegen. Die ersten Ansätze haben nichts Gutes erwarten lassen. Die Koalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega Nord hat ihren Wählern großzügige Geschenke in Aussicht gestellt. Um diese zu finanzieren, müsste sich Italien noch stärker verschulden als bisher. Brüssel würde das nicht gefallen. Sollte Rom die EU-Vorgaben zur Haushaltsstabilität demonstrativ ignorieren, könnte das zur Zerreißprobe für die EU und die Eurozone werden, fürchten Ökonomen.
Drei Szenarien sind möglich, sagt Annalisa Usardi, Italien-Expertin beim Fondsanbieter Amundi. Das erste: Ein schlanker Haushaltsentwurf, der unter anderem eine Pauschalsteuer für Kleinunternehmen vorsieht. In diesem Fall müsste Italien für das kommende Jahr mit einem Haushaltsdefizit von 1,9 Prozent rechnen. Als zweites Szenario nennt Usardi die teilweise Umsetzung der Wahlversprechen. Für diesen Fall rechnet sie mit einem Defizit von 2,5 Prozent. Die dritte Möglichkeit ist, dass Italiens Regierung sämtliche Versprechen aus dem Regierungsvertrag auf einen Schlag umsetzen will. In diesem Fall läge das Haushaltsdefizit bei 5,8 Prozent, warnt die Amundi-Expertin. Italien würde dann gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen, die EU müsste reagieren.
Wir glauben, dass die generelle Wahrnehmung des politischen Risikos in Italien übertrieben ist
Ken Hsia
Es ist möglich, dass die italienische Regierung den Zusammenstoß mit der EU sogar dezidiert sucht, sagt Eduard Baitinger, Leiter des Bereichs Asset-Allocation bei der Feri-Gruppe. „Spieltheoretisch haben die regierenden Populisten durchaus einen Anreiz, eine Eurokrise zu provozieren“, sagt er. Sie könnten dann nämlich den Austritt Italiens aus der EU, mit dem sie ohnehin liebäugeln, als alternativlos verkaufen – und der EU den Schwarzen Peter zuschieben. Der Feri-Volkswirt betrachtet Italien derzeit als größtes Risiko für die Stabilität der Eurozone.
Andere Marktbeobachter zeigen sich gelassen. „Wir glauben, dass die generelle Wahrnehmung des politischen Risikos in Italien übertrieben ist“, sagt Ken Hsia, Fondsmanager bei Investec Asset Management. Er hält die Ausgaben, die Italiens Regierung zugesagt hat, angesichts des italienischen Wirtschaftswachstums in Höhe von 2,5 Prozent für überschaubar. Subventionen an ärmere Haushalte würden schnell in den Konsum fließen und so die Wirtschaft ankurbeln. „Die Befürchtungen, dass Italien die Eurozone verlässt, haben sich gelegt“, sagt Hsia.
Tatsächlich zeigt sich bei italienischen Staatsanleihen, dass Anleger nicht mehr so nervös sind wie direkt nach den italienischen Parlamentswahlen, als unklar war, wer künftig in Rom regieren würde. Die Risikoaufschläge der Papiere, die in den vergangenen Monaten phasenweise in die Höhe geschnellt waren, sind zuletzt wieder gesunken. Parallel dazu haben sich die Kurse italienischer Staatsanleihen von ihrer jüngsten Schwächephase erholt. Für eine Entwarnung ist es aber zu früh, selbst wenn die EU-Kommission den Haushaltsplan nicht beanstanden sollte: Am 20. Oktober muss Italiens Regierung den dann festgelegten Haushaltsplan noch dem italienischen Parlament vorlegen. Erst danach ist klar, wie stark sich Italien im kommenden Jahr auf Pump finanzieren muss und kann.