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Geldanlage Value-Aktien - es geht an die Substanz

Warum jetzt die richtige Zeit ist, auf Value-Aktien zu setzen. Und wie man unterbewertete Aktien am besten erkennt. Von Nadine Oberhuber

Lücken sind eigentlich nie gut. Egal ob es nun um Zahn-, Wissens- oder Baulücken geht, jedes mal zeigen sie deutlich: Hier fehlt etwas! Meist dauert es zwar nur sehr kurze Zeit, bis so ein Loch wieder geschlossen wird und dann ist alles wieder gut, oder zumindest schön gleichmäßig. Manchmal haben sie aber auch etwas länger Bestand. Auch am Aktienmarkt gibt es derzeit solche Lücken, Bewertungslücken nämlich. Zwischen den besonders gut bewerteten Aktien und den besonders schlechten. Und dieses Loch ist aus Anlegersicht besonders interessant. Der Moment, in dem die Bewertungen derart auseinanderklaffen, lässt sich nämlich gut ausnutzen.

Eigentlich würde man denken, bei einem Indexstand des Deutschen Aktienindex Dax von rund 12.000 Punkten, also kurz unterhalb des Allzeithochs von 12.700 im Mai, seien deutsche Aktien derzeit alle eher gut bewertet. Sind sie natürlich auch, in Summe jedenfalls. Allerdings auch nicht gerade außergewöhnlich gut, denn schaut man sich das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Index an, dann liegt der Wert für den Dax mit 14 derzeit voll im Rahmen. Er hält sich ziemlich genau auf dem Niveau des langjährigen historischen Dax-Durchschnitts von 14,6. So gesehen bewegt sich der Markt derzeit also nur im Mittelmaß. Aber bei Aktien ist es auch nicht anders als bei Menschen: Manche sind besser, andere schlechter. Daher muss man sich die Guten und die Schlechten einmal genau ansehen – insbesondere die Lücke, die zwischen beiden klafft. Dann aber reibt man sich gehörig die Augen.

Selten nämlich klaffen die Bewertungen für Aktien so auseinander wie derzeit. Dazu muss man nicht das Kurs-Gewinn-Verhältnis betrachten, sondern das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Das besagt, wie hoch ein Unternehmen am Markt bewertet wird im Verhältnis zu seinem Buchwert, also dem Gesamtwert seiner Anlagen gewissermaßen. Beträgt der Quotient aus beiden 1, dann gilt die Aktie als fair bewertet. Liegt der Wert deutlich darüber, gilt sie als zu teuer. Und kommt viel weniger als 1 dabei heraus, dann wird das Unternehmen an der Börse unterschätzt. Dann ist seine Marktkapitalisierung nämlich deutlich geringer als allein sein Eigenkapital wert ist.

Die große Lücke bedeutet nichts Gutes

Schaut man sich die Liste der KBVs zurzeit an, so bringen es Commerzbank und Deutsche Bank gerade einmal auf 0,3, sie bleiben also derzeit deutlich unter ihrem Potenzial. Dagegen schießen die Kurse von Pro Sieben Sat 1 und Thyssenkrupp arg darüber hinaus mit einem Wert von ungefähr 6,0. Das bedeutet, dass etwa das 20-Fache zwischen den am besten und den am schlechtesten bewerteten Aktien liegt. Normal ist ein Abstand von etwa dem 10-Fachen bis 13-Fachen. So gesehen ist die Bewertungslücke zwischen beiden also doppelt so groß wie im zehnjährigen Mittel. Ist das nun schlimm?

Man könnte sagen: Wo gewirtschaftet wird und wo Investoren unterschiedliche Einschätzungen hegen, wie hoch die Gewinne künftig wohl ausfallen werden, sei es doch normal, dass mal eine größere und mal eine kleinere Lücke zwischen den Bewertungen klafft. Anderseits geben Analysten zu bedenken: Zu derartigen Abständen im Markt kommt es sehr selten und sie liegen auch deutlich über den durchschnittlichen Differenzen, die es sonst auf 20-Jahres-Sicht gegeben hat. Genauer gesagt: Solche großen Abstände gab es sonst lediglich kurz vor extremen Verwerfungen. Es gab zuletzt genau drei Zeitpunkte, an denen der Markt derart auseinanderklaffte wie jetzt: im Jahr 2000 – kurz vor dem Dotcom-Crash. Im Jahr 2008 – kurz vor der Finanzkrise. Und 2012 zum Höhepunkt der Eurokrise. Ja, und jetzt. Die große Lücke bedeutet also vermutlich nichts Gutes.

Nun muss es nicht zwingend heißen, dass ein riesiger Crash bevorsteht, aber zumindest mit Verwerfungen und größeren Korrekturen rechnen einige Börsianer durchaus. Sie werden vermutlich einsetzen, wenn auch hierzulande endlich die Zentralbanken Schluss machen mit ihrer ultralockeren Geldpolitik und wenn sie beschließen, dass es mit den Zinsen endlich wieder aufwärts geht. Dann nämlich setzt normalerweise ein Umschichten im Markt ein, deren Verlierer für gewöhnlich die Aktien sind. Aber diesmal vor allem auch die Anleihen.

Vor Krisen sollte man Value-Aktien kaufen

Alan Greenspan hat davor erst dieser Tage gewarnt: Die Anleihenmärkte sollten Anleger beobachten! Nicht an den Aktienmärkten nämlich, sondern bei den Anleihen habe sich eine Blase aufgebläht, die zu platzen drohe, sobald die Zinswende abrupt käme. Es gilt tatsächlich als ausgemacht, dass sich Investoren scharenweise von alten Zinspapieren trennen werden und deren Kurse stürzen, sobald neue Bonds mit viel besseren Zinsen auf den Markt kommen werden. Und was haben die Anleihen nun mit der Lücke bei den Aktienbewertungen zu tun? Ganz einfach: In Zeiten, in denen die Zinsen steigen und Investoren ihre Anleihen verkaufen, wird die Verkaufswelle auch über den Aktienmarkt schwappen. Denn beide Märkte agieren in Extremsituationen gar nicht so abgekoppelt voneinander, wie viele Finanzwissenschaftler lange Zeit angenommen haben. Zuletzt war es jedenfalls immer so: Krachte der eine Markt, so zog er den anderen zumindest in Mitleidenschaft.

Allerdings werden sich die Anleger nicht gleichermaßen von allen Aktien trennen, sondern zuerst von denen, die sie für stark überbewertet halten. An den unterbewerteten dagegen, werden sie in der Folgezeit vermehrt festhalten. In der Hoffnung nämlich, dass sie die gerade noch billig erworben haben und dass sie in der Folgezeit den Rückstand aufholen und sich wieder auf das Niveau berappeln, auf dem sie zumindest fair bewertet sind.

Bisher funktionierte das zumindest. Daraus leiteten Börsianer die Strategie ab: Wenn Krisen bevorstehen, sollte man Value-Aktien kaufen. Also substanzstarke Aktien, die sich – neben ihrer Unterbewertung am Markt - vor allem dadurch auszeichnen, dass sie Antizykliker sind, stabile Cashflows generieren und ihr Wert weniger schwankt. Dazu gehören gemeinhin die Aktien von Nahrungsmittelkonzernen, Getränkeproduzenten, Gebrauchsgüterherstellern und Kosmetikfirmen sowie Körperpflegeprodukt-Herstellern, aber auch Pharmaunternehmen. Mit ihnen segelt man nämlich vergleichsweise stabil durch harte Zeiten. Manche nennen sie deshalb auch „Aktien mit anleiheähnlichen Merkmalen“.

Aufpassen bei Nestlé

Um nun diese Value-Aktien zu finden, durchforsten die Analysten die Listen der Kurs-Buchwert-Verhältnisse und schauen sich dabei nicht nur an, wie klein die jeweiligen Werte sind, sondern auch, wie stark sie nach unten vom langjährigen Mittel abweichen. Demnach sind derzeit im Dax tatsächlich folgende Firmen interessant: Bayer, Beiersdorf und Merck. Auf europäischer und globaler Ebene finden Marktbeobachter außerdem Coca Cola, Nestlé, L´Oréal, Kimberly & Clark und Unilever bemerkenswert und die Investmentbank Goldman Sachs warf den Namen Goodyear als unglaublich unterbewertete Aktie auf den Markt. Ihnen allen trauen derzeit viele Aktienprofis zu, dass sie die Lücke in der Bewertung demnächst wieder wett machen – vor allem wenn die Konjunktur beginnen sollte zu schwächeln oder sich die Stimmung an den Aktienmärkten wirklich drehen sollte.

Aufpassen sollte man derzeit jedoch bei einem Wert: bei Nestlé. Zurzeit macht der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern nämlich hauptsächlich dadurch Schlagzeilen, dass sein neuer Firmenchef Mark Schneider das Unternehmen nicht nur „radikal umbauen“ will, wie er kurz nach seinem Amtsantritt sagte. Sondern es gibt neuerdings auch ein Machtgerangel mit Daniel Loeb, Chef eines großen Hedgefonds, der jüngst einen Anteil von knapp über einem Prozent an Nestlé gekauft hat, aber mächtig Rabatz macht. Der Hedgefonds fordert von Nestlé, sich an seiner Beteiligung an L´Oréal zu trennen und er fordert auch sonst eine kräftige Neustrukturierung des Konzerns. Wie der Machtkampf ausgeht, bleibt abzuwarten. Vorerst sind die Analysten aber noch sehr positiv gestimmt, die überwältigende Mehrheit empfiehlt die Nestlé-Aktie derzeit zum Kauf.

Ohnehin ist ja die Frage, ob Anleger sich das Risiko von Einzelwerten antun sollten, oder ob es nicht besser ist, auf einen Fonds zu setzen. Das können nämlich auch Value-Anleger tun: Aktiv gemanagte Fonds wie der DJE Dividende und Substanz (er setzt auf rund 90 ausgewählte Papiere), DWS Global Value (mit 40 Titeln) oder Acatis Gané Value Event (mit 70 Titeln) übernehmen die Auswahl der jeweils aussichtsreichsten Aktien. Und es gibt sogar passive Value-Indexfonds wie den Source MSCI Europe Value ETF, den Euro Stoxx TMI Value Large oder den MSCI World Value Factor, die genau diese Strategie abbilden und dabei unabhängig von Fondsmanagern sind. Auf Jahressicht haben sie zuletzt 20 Prozent oder mehr zugelegt. Und das schon in Zeiten, in denen das Value-Anlegen noch nicht im Fokus der allermeisten Investoren stand. Wenn das mal kein Argument ist, künftig an die Subtanz zu gehen.

Geldanlage: Value-Aktien - es geht an die Substanz

Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen

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