Nach den ersten sieben Monaten des Jahres liegen nahezu alle größeren weltweiten Indizes im Gewinn. Allerdings fällt die Spanne der Zuwächse sehr unterschiedlich aus. So kletterte Österreichs Aktienbarometer, der ATX, ähnlich wie die Börse in Zürich (SMI) bisher nur um rund drei bis fünf Prozent. Für den international vergleichbaren Dax-Kursindex ging es um 14 Prozent aufwärts, Europas Leitindex EuroStoxx 50 rückte um 18 Prozent vor.
In den USA gewinnen die Substanzwerte an Wert, der Dow-Jones-Index verringerte mit sieben Prozent Zuwachs den Performancerückstand zum S&P 500, der 19 Prozent höher steht. Die im Nasdaq 100 dominanten Tech-Schwergewichte waren bisher die tragenden Säulen der Rally und ließen den Index um satte 44 Prozent steigen. „Der Hype um Künstliche Intelligenz beflügelte vor allem die US-Firmen“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. In Deutschland sind hingegen nur wenige Unternehmen stärker in diesem Bereich tätig, der TecDax enttäuschte daher auch mit elf Prozent Gewinn 2023.
Jahresgewinner mit Problemen
Bewertungsseitig läuft die Berichtssaison zwar weiterhin überzeugend, die Kursreaktionen fallen aber sehr heterogen aus. Während Nachzügler tendenziell profitieren, ist es für die Jahresgewinner deutlich schwieriger. „Microsoft, Netflix und Tesla konnten die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Zuletzt agierten Anleger auch bei Paypal oder Lufthansa mit dem sogenannten „sell-on-good-news“, so Analyst Molnar. Zudem müssen Späteinsteiger mit einem KGV von 31 für die acht größten Techtitel sehr tief in die Tasche greifen.
Gleiches gilt für den breiten US-Markt: Trotz höherer Zinsen und stagnierender Gewinne sind die Kurse weiter gestiegen. Viele Investoren liegen mit ihren Fonds deutlich hinter der Benchmark und müssen kaufen, um den Performancerückstand aufzuholen. Die daraus resultierende Bewertungsexpansion ließ eine wichtige Kennzahl für die Bewertung des Marktes deutlich zulegen: das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). „Im S&P 500 liegt diese Ziffer inzwischen bei rund 21 auf einem sehr hohen Niveau“, erklärt Trive-Deutschland-Chef Dennis Austinat. „Verglichen mit dem langfristigen Durchschnitt von 17 bezahlen Anleger aktuell also einen satten Aufschlag von mehr als 20 Prozent“, so Austinat. Damit sind selbst die derzeit erhofften kräftigen Gewinnzuwächse ab dem vierten Quartal meist schon ausreichend eingepreist.
Aktien sind teuer
„Aktien sind aber nicht nur hoch bewertet im Vergleich zur Vergangenheit, sondern auch im Vergleich zu weniger riskanten Alternativen“, sagt Salah-Eddine Bouhmidi, Head of Markets beim Online Broker IG Europe. Zehnjährige US-Anleihen werfen aktuell wieder rund vier Prozent ab, die Gewinnrendite des S&P 500 liegt bei fünf Prozent. Somit erhält man nur noch eine magere Aktienrisikoprämie von weniger als einem Prozent. „Tiefer lag die Kennzahl zuletzt vor rund 20 Jahren“, erläutert Bouhmidi.
Gefahren werden derzeit an der Börse aber nicht gespielt, im Gegenteil. Das Goldlöckchen-Szenario aus sinkender Inflation ohne Rezession treibt immer mehr Anleger an den Aktienmarkt. Diese Entwicklung kann durchaus noch weiter gehen, der Weg des größten Schmerzes scheint noch auf der Oberseite zu liegen. So waren Anleger, die erst nach einer Rally des Nasdaq 100 von 35 Prozent innerhalb von sechs Monaten den Index kauften und die Position ein halbes Jahr hielten, bisher in 90 Prozent der Fälle erfolgreich und realisierten im Durchschnitt einen Gewinn von rund 14 Prozent.
Doch die Risiken nehmen im gleichen Maße zu, wie die Kurse weiter steigen. Man sollte sich nicht gegen eine starke Rally stellen, aber zumindest das Depot wetterfest machen gegen mögliche Sommergewitter. In den ersten Augusttagen gab der Dax deutlich nach. Dank der sehr tiefen Volatilitätsbewertung sind Absicherungen so günstig zu haben wie selten zuvor. Ausgerüstet mit einer langen Laufzeit sind die Papiere ein guter Schutz, vor allem dann, wenn die zu Jahresbeginn noch pessimistischen Profis ins Bullenlager wechseln.