Die Aktionäre von Verizon haben schon einmal bessere Zeiten erlebt. In den vergangenen vier Wochen fiel der Aktienkurs des US-Telekommunikationskonzerns um rund sieben Prozent, Analysten raten zum Verkauf. Verizon hat kürzlich den Internetanbieter AOL übernommen, um mit Internetvideos Wachstum zu generieren. Bis sich diese Akquisition auszahlt, dürften allerdings Jahre vergehen, prophezeien die Experten der Investmentbank J.P. Morgan.
Irina Sidorovitch kann warten. Die Managerin des Fonds „Deutsche Invest II Global Contra Strategy“ hält an der Verizon-Aktie fest – gerade weil die Aktie zuletzt gefallen ist. Sidorovitch verfolgt eine Strategie, die unter dem Namen Contrarian-Investing bekannt ist. Dabei suchen Fondsmanager gezielt nach Wertpapieren, die vom Markt abgestraft wurden, investieren also antizyklisch. Die Idee dahinter ist, dass Unterbewertungen nicht von Dauer sind. Contrarian-Investoren gehen davon aus, dass der Preis einer Aktie in der Regel auf lange Sicht zum Mittelwert zurückkehrt. Im Fachjargon heißt dieses Phänomen „Mean Reversion“.
Gegen das Bauchgefühl handeln
Läuft alles nach Plan, lässt sich mit der Contrarian-Strategie viel Geld verdienen. Ein Beispiel: Im Jahr 2011 steckte Irland in einer tiefen Krise, galt als eines der größten Sorgenkinder Europas, kaum jemand wollte der irischen Regierung noch Geld leihen. Außer Michael Hasenstab, Fondsmanager bei Franklin Templeton und bekannter Contrarian-Investor. Er kaufte so viele irische Staatsanleihen, dass die von ihm verwalteten Fonds zeitweise zum größten privaten Schuldner des Landes avancierten. Die Wette auf Irlands Erholung ging auf, Hasenstabs Fonds fuhr wenig später satte Gewinne ein.
Auch Privatanleger können antizyklisch investieren. Die Kunst liegt darin, Wertpapiere zu finden, die relativ gesehen günstig bewertet sind, und sie so lange zu halten, bis sich ihr Kurs erholt hat. Das klingt einfacher, als es ist. Viele Investoren tun sich schwer damit, vermeintliche Verlierer-Titel zu kaufen und womöglich mit anzusehen, wie deren Kurse erst einmal weiter fallen – und bei Kursstürzen auch noch nachzukaufen. Wer antizyklisch investiert, muss im Widerspruch zu seinem Bauchgefühl handeln und im Widerspruch zu bekannten Investmentregeln wie „Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen“ oder „Greife nie in ein fallendes Messer“. Das erfordert viel Disziplin.
Dazu müssen Investoren vor allem passende Titel finden. Contrarian-Investing kann Anlegern hohe Verluste bescheren, denn nicht immer erholt sich der Preis eines Wertpapiers wieder. Und nicht immer erholt er sich innerhalb einer Zeitspanne, die für Privatanleger tragbar ist. Profis finden derzeit etwa Bankaktien aussichtsreich: Diese haben sich von ihrem Kurseinbruch seit der Finanzkrise noch immer nicht erholt, dürften es nach Einschätzung vieler Contrarians aber früher oder später tun. Das Warten auf die Rückkehr zu höheren Kursen dauert nun allerdings schon sechs Jahre.
Breite Streuung mindert Risiken
Privatanleger, die auf die Contrarian-Strategie setzen wollen, sind mit Fonds besser bedient als mit einzelnen Aktien oder Anleihen. Ausgewiesene Contrarian-Fonds gibt es allerdings nur wenige. Neben dem relativ jungen „Deutsche Invest II Global Contra Strategy“ von Deutsche Asset & Wealth Management können Anleger etwa den Fonds „Threadneedle US Contrarian Core Equities“ kaufen, der antizyklisch in US-Aktien investiert. Auch Hedge-Fonds-Anbieter wie die Man Group bieten Contrarian-Produkte an.
Fonds mildern die Risiken der Contrarian-Strategie durch ihre breite Streuung ab. Das zeigt das Beispiel von Templeton-Star Hasenstab: Er hat im vergangenen Jahr ukrainische Staatsanleihen gekauft, in der Annahme, dass die Ukraine in einigen Jahren wirtschaftlich prosperieren wird. Bisher sieht es dort düster aus. Der Fondsmanager habe für mehr als 7 Mrd. US-Dollar Ukraine-Bonds gekauft, berichtet die Presseagentur Bloomberg. Diese seien Anfang dieses Jahres nur noch rund 4 Mrd. Dollar wert gewesen, mittlerweile ist es wohl noch weniger. Franklin Templeton will die Zahlen nicht kommentieren, weist aber darauf hin, dass ukrainische Anleihen nur einen winzigen Teil des Portfolios von Hasenstabs Fonds ausmachen.