Russlands Präsident Wladimir Putin muss für seinen Kurs im Ukraine-Konflikt einen immer höheren Preis zahlen. Die Sanktionen der EU und der USA belasten die russische Wirtschaft, ausländische Investoren ziehen Kapital ab. „Die Kapitalflucht scheint so schlimm zu sein, dass die russische Zentralbank bereits mit dem Gedanken der Kapitalkontrolle spielt“, sagt John J. Hardy, Währungsexperte der Saxo Bank. Russlands Finanzminister Anton Siluanow hat entsprechende Berichte bisher aber dementiert. Auch am russischen Devisenmarkt gibt es Turbulenzen: Der Rubel rollte Anfang Oktober auf ein Rekordtief. Die russische Zentralbank sah sich zum Eingreifen gezwungen, um den Verfall der Währung zu bremsen. Zurzeit bekommt man für einen US-Dollar rund 40 Rubel. Im Januar stand der Kurs noch bei knapp 33 Rubel je Dollar.
Der Konflikt mit der Ukraine, die Sanktionen des Westens und die Schwäche des Rubels sind die drei größten Probleme, mit denen die russische Wirtschaft derzeit zu kämpfen hat – sie sind aber nicht die einzigen. Auch der Sturz des Ölpreises in den vergangenen Wochen macht Russland zu schaffen, ebenso wie die schwächelnde Binnenkonjunktur. Der russische Leitindex RTS befindet sich bereits seit Anfang 2011 in einem Abwärtstrend. Analysten sind unterschiedlicher Ansicht, wie weit er noch sinken wird. In einer Frage sind sie sich allerdings weitgehend einig: In den kommenden Monaten wird es stürmisch bleiben am russischen Aktienmarkt.
Was zählt, ist Putins Politik
Die harten Zahlen lassen einen Einstieg in russische Aktien verlockend erscheinen. Russlands Aktienmarkt gehört mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von fünf derzeit zu den günstigsten Märkten der Welt. Zahlen und Fundamentaldaten zählen dort für Investoren aber momentan nicht viel. Was zählt, ist Putins Politik. „Die russische Börse ist ein Musterbeispiel für eine politische Börse, in der die Nachrichten den Markt bestimmen“, sagt Lothar Koch, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter GSAM + Spee. Der Markt werde erst zur Ruhe kommen, wenn es eine politische Lösung für den Konflikt gibt.
Die kurzfristigen Risiken sind sogar vielen Anlageprofis zu hoch. Denn die Folgen der EU-Sanktionen, die Anfang August verschärft wurden, lassen sich noch nicht komplett abschätzen. „Die Wirtschaftsbeschränkungen betreffen verschiedene Bereiche“, erklärt Jörg Horneber, Portfoliomanager des Vermögensverwalters KSW. Unternehmen aus der EU dürfen keine Hochtechnologiegüter mehr an die russische Armee liefern, die Ausfuhr von Spezialtechnik zur Ölförderung wurde verboten und russischen Banken wurde der Zugang zu EU-Finanzmärkten erschwert. Die Geldinstitute dürfen neue Wertpapiere nun nicht mehr an europäischen Börsen handeln. „Weil auch die USA ein solches Handelsverbot erlassen haben, wird es für russische Banken schwieriger, sich neue Gelder zu beschaffen“, sagt Horneber.
Banken recht gut aufgestellt
Nicht alle Investment-Profis sind so pessimistisch. Die russischen Banken seien vergleichsweise gut aufgestellt, heißt es etwa vom Fondsanbieter Candriam, ehemals Dexia Asset Management. Die Institute hätten, verglichen mit jenen in anderen osteuropäischen Ländern, einen geringen Anteil an notleidenden Krediten im Portfolio und wiesen eine hohe Kapitalrentabilität auf. Die Optimisten verweisen zudem auf Russlands hohe Devisenreserven. Bislang konnte das Land damit, zusammen mit den Leistungsbilanzüberschüssen, die Kapitalabflüsse ausgleichen, urteilt Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management. Der russische Finanzmarkt sei deshalb trotz aller Widrigkeiten relativ stabil geblieben.
Profis verstehen unter „relativ stabil“ allerdings nicht unbedingt dasselbe wie Privatanleger. Wer einen Russland-Aktienfonds im Portfolio hat, musste seit Jahresbeginn jedenfalls im Schnitt rund 18 Prozent Minus hinnehmen. Zum Vergleich: Fonds, die in europäische Schwellenländer investieren und Russland außen vor lassen, liegen seit Januar durchschnittlich sieben Prozent im Plus. Weil niemand weiß, wann die Talfahrt am russischen Aktienmarkt vorbei sein wird, bleibt das Investment also riskant.