Wer sich auf der Via Condotti in Rom, der Pariser Place Vendôme oder der Londoner Bond Street umsieht, vermutet nicht, dass die Luxusgüterindustrie ein Problem hat. Auf Europas Edel-Einkaufsmeilen tummeln sich tagtäglich Shoppingtouristen aus aller Welt. Italien ist ihr Reiseziel Nummer eins, zeigen Zahlen des Finanzdienstleisters Global Blue. Dahinter folgen Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Mehr als die Hälfte der gutbetuchten Edelboutique-Kunden stammt aus Asien. Führend im Luxuskonsum sind die Chinesen.
Trotz des Ansturms auf die Protz-und-Prunk-Geschäfte hat die Luxusgüterbranche derzeit mit Herausforderungen zu kämpfen. Nach jahrelangem Boom hat sich das Wachstum des weltweiten Luxusgütermarkts abgeschwächt: Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company schrumpfte es von drei Prozent im Jahr 2013 auf zwei Prozent im Jahr 2014. Besonders das langsamere Wirtschaftswachstum in China macht den Luxusgüterkonzernen zu schaffen.
Asien ist für Luxusmarken inzwischen der wachstumsstärkste Markt, jede dritte Schweizer Edeluhr geht nach China. Deren Hersteller litten denn jüngst auch am meisten unter der nachlassenden Nachfrage aus Asien: Auch schärfere Anti-Korruptionsbestimmungen hemmen das Geschäft, denn teure Uhren wurden im Reich der Mitte gern zur Bestechung genutzt. Eine weitere Maßnahme des chinesischen Gesetzgebers sorgte zuletzt ebenfalls für Unmut bei Luxusgüterkonzernen: Die Abwertung des Renminbi macht den Einkauf von Edelwaren für Chinesen, die ohnehin eine Luxussteuer zahlen müssen, im Inland noch teurer.
Dämpfer für Aktienkurse
Die Probleme auf dem Absatzmarkt China haben die Aktienkurse vieler Luxuskonzerne zuletzt sinken lassen. Genau das bietet Anlegern allerdings Chancen, sind Marktbeobachter überzeugt: Sie glauben ganz und gar nicht, dass die fetten Jahre für die Luxusgüterindustrie schon vorbei sind. „Die nachlassende Nachfrage in China wird durch den zunehmenden Shoppingtourismus ausgeglichen“, sagt Anne Leborgne, Managerin eines Luxus- und Lifestyle-Aktienfonds bei der Pariser Investmentboutique Amundi. Reiche Chinesen kauften nun nicht mehr im Inland, sondern bevorzugt in Europa ein: „Der schwache Euro wirkt da noch unterstützend.“ Europäische Luxuskonzerne zählten deshalb zu den Gewinnern des Jahres, hätten nach wie vor gute Wachstumsaussichten – und seien nach den Kurskorrekturen der vergangenen Wochen zum Teil sehr günstig zu haben.
In Europa läuft es also weiterhin rund für viele Edelunternehmen. Und nicht nur dort: „Auch Japan, Korea und Australien kompensieren den schwächeren Absatz in China“, ist Juan Mendoza überzeugt, Fondsmanager des Credit Suisse Global Prestige. Er hat noch einen weiteren Faktor ausgemacht, der das Wachstum der Luxusgüterbranche langfristig weiter vorantreiben soll: „Das Online-Geschäft wird für die Firmen wichtiger“, sagt Mendoza. Ein gut sortierter Online-Shop sei für viele Unternehmen inzwischen ein lukrativeres Investment als die Eröffnung eines weiteren Flaggschiffstores in einer Edel-Einkaufsstraße. Zumal im Internet auch Kunden kauften, die weniger reisefreudig sind als Shoppingtouristen aus Asien: „In Indonesien zum Beispiel steigt die Nachfrage nach Luxusmarken aus Europa“, weiß Mendoza. Zahlen der Unternehmen unterstreichen seine Aussagen: Beim britischen Modehaus Burberry etwa erreichte E-Commerce im vergangenen Jahr einen zweistelligen Anteil am Umsatz.
Der Markt für Luxusgüter dürfte also weiter boomen – nur anders und differenzierter, sagen Marktbeobachter. Anleger, die am Erfolg der Edelmarken teilhaben wollen, sollten sich bei der Aktienauswahl vor allem auf europäische Konzerne konzentrieren: Marktbeobachter halten etwa den Titel des französischen Luxuskonzerns LVMH für aussichtsreich, ebenso den italienischen Brillenhersteller Luxottica sowie die Aktie des französischen Edelkosmetikherstellers L’Oréal. Wer breit in den Luxusgütermarkt investieren will, greift am besten zu einem Luxusgüteraktienfonds: Die Produkte haben sich zuletzt gut entwickelt – und dürften, wenn die Hersteller von Prestige-Produkten die aktuellen Herausforderungen meistern, auch künftig attraktive Renditechancen bieten.