Ende April war es soweit: Der japanische Leitindex Nikkei übersprang nach langer Aufholjagd zum ersten Mal seit 15 Jahren die 20.000-Punkte-Marke. Seitdem steigt bei Marktbeobachtern die Zuversicht. Eine weiterhin expansive Geldpolitik, ein auf Wachstum ausgerichtetes Konjunkturprogramm und die Ankündigung von Strukturreformen wecken die Hoffnung auf dauerhaft steigende Aktienkurse. „Wir sehen im japanischen Aktienmarkt ein Aufwärtspotenzial von etwa 15 Prozent bis Ende des Jahres“, sagt Yuichi Takayama, Vertriebsleiter der japanischen Vermögensverwaltung Tokio Marine Asset Management.
Die jüngsten Entwicklungen stimmen optimistisch. Im vergangenen Jahr verzeichnete die japanische Wirtschaft ein Wachstum von rund 1,5 Prozent, Exporte und Produktion haben sich stabilisiert. Darüber hinaus versprechen Lohnerhöhungen und der niedrige Ölpreis einen Anstieg des privaten Konsums. In den kommenden Wochen könnten die Aktienkurse zwar leicht sinken. Der Grund: Die Gewinnprognosen der japanischen Unternehmen fallen derzeit wegen der unsicheren geopolitischen Lage tendenziell verhalten aus. Mittelfristig gehen Analysten in Tokio aber von einem Aufwärtstrend aus. Das größte Potenzial sieht Takayama bei Wachstumswerten: Diese verzeichneten seit 2013 die größten Gewinne und werden auch weiterhin am stärksten von der aktuellen japanischen Politik profitieren, ist der Spezialist überzeugt.
Inflation liegt weiterhin bei null
Anleger sollten allerdings nicht übermütig werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Dornröschenschlaf der japanischen Wirtschaft vorschnell für beendet erklärt würde. So mahnt das Bankhaus Sal. Oppenheim zur Vorsicht: Auch wenn Japans Wirtschaftswachstum 2014 unter dem Strich positiv ausfiel – im Schlussquartal des vergangenen Jahres schrumpfte die japanische Wirtschaft. Außerdem hat das Land die jahrelange Deflationsspirale noch nicht überwunden, warnen die Oppenheim-Analysten. Die Inflation liegt weiterhin bei null.
Der jüngste Aufwärtstrend in der Wirtschaft und an der Tokioter Börse ist nach Ansicht von Analysten zu großen Teilen der expansiven Geldpolitik der japanischen Notenbank zu verdanken. Die Frage ist, wie lange diese ihren aktuellen Kurs weiterführen wird. Langfristig werde die Zentralbank die niedrigen Zinsen nicht halten können, befürchten Experten – der Druck auf den Yen werde zu groß. Auch die expansive Fiskalpolitik von Premier Shinzo Abe hat Japans Wirtschaft zuletzt angekurbelt. Nachdem die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit Japans Ende April wegen der wachsenden Staatsverschuldung herabgestuft hat, ist allerdings fraglich, wie lange der Staat die kreditfinanzierten Investitionspakete noch fortführen wird.
Anleger sollten angesichts dieser Entwicklungen nicht unüberlegt investieren, rät Peter Jenkins, Investmentstratege beim Fondsanbieter Nomura Asset Management. „Investoren sollten nicht den Markt kaufen, sondern sich auf gute, nachhaltig ausgerichtete Unternehmen konzentrieren.“ Unternehmen, die die Wirtschaftsreformen der Regierung annehmen, versprechen langfristiges Wachstum, ist er überzeugt. Europäische Anleger sollten sich darüber hinaus mit währungsgesicherten Fonds gegen einen fallenden Yen absichern. Kurzfristige Schwankungen am Aktienmarkt seien kein Grund zur Sorge, sagt Jenkins: Auf lange Sicht zeige der Trend klar nach oben.