Die EU-Kommission hat am Dienstag Italiens Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 abgelehnt. Die italienische Regierung soll nachbessern, fordert das Gremium. Damit hat die EU-Kommission zum ersten Mal überhaupt den Haushaltsentwurf eines Mitgliedsstaates zurückgewiesen. Eine Überraschung war das nicht: Die italienische Regierungskoalition aus der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega Nord will im kommenden Jahr deutlich mehr Geld ausgeben und damit Italiens Schuldenberg weiter wachsen lassen. Die EU betrachtet diese Pläne mit Sorge und hatte bereits vor Wochen darauf hingewiesen, dass Rom mit seinen Plänen massiv gegen diverse EU-Regeln verstoße.
Anleger müssen nun bangen, ob die EU-Kommission und die italienische Regierung zu einem Kompromiss finden. Andernfalls könnte nämlich der „Italexit“ wieder aufs Tapet kommen. Anlageprofis wie Eduard Baitinger von der Feri-Gruppe befürchten, dass Italiens Austritt aus der EU ohnehin das Hauptziel der Populisten in Rom sein könnte. Die Suche nach einem Haushaltskompromiss wäre dann von vornherein zum Scheitern verurteilt. Andere Marktbeobachter bleiben gelassen: So ist Blackrock-Kapitalmarktstratege Martin Lück überzeugt, dass es nicht zum Äußersten kommt. Bis ein Kompromiss gefunden sei, gebe es aber noch viel Unsicherheit auszustehen, warnt er.
Anleiheinvestoren wissen, wovon Lück spricht. Die Risikoaufschläge italienischer Staatsanleihen, im Fachjargon Spreads genannt, schwanken seit Wochen massiv. Nach viel Auf und Ab sind sie am vergangenen Wochenende wieder einmal gesunken. Der Grund dafür war einigermaßen skurril: Die US-Ratingagentur Moody’s hatte Italiens Bonität herabgestuft, auf „Baa3“. Damit liegen italienische Staatsanleihen nur noch eine Stufe über Ramschniveau. Weil Moody’s zugleich den Ausblick als stabil bewertet und sich damit minimal optimistischer gezeigt hatte als erwartet, gingen die Spreads trotzdem zurück. Sinkende Risikoaufschläge gehen bei Anleihen in der Regel mit steigenden Kursen einher. Nachdem die EM-Kommission Italiens Haushaltsentwurf abgelehnt hatte, stiegen die Spreads italienischer Anleihen wieder. Am Freitag steht nun die Neubewertung durch die Ratingagentur Standard & Poor’s an. Dann könnte erneut Bewegung in die Risikoaufschläge kommen.
Auch die Aktienmärkte goutieren die Unsicherheit nicht. Die Kurse europäischer Aktien fielen Mitte laufender Woche auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. An den Währungsmärkten geriet der Euro unter Druck. Beides sei zwar nicht allein Italiens Schuld gewesen, sagt Neil Wilson, Chefanalyst des Handelsportals markets.com. Die Turbulenzen rund um den italienischen Haushalt haben seiner Einschätzung nach aber eine Rolle gespielt.
Italiens Regierung hat nun drei Wochen Zeit, um einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorzulegen. Tut sie es nicht, stehen der EU diverse Sanktionsinstrumente zur Verfügung, der Konflikt würde weiter eskalieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass Rom den Aufschub nutzt, ist allerdings gering. Das zeigt ein Zwischenfall nach der Pressekonferenz der EU-Kommission in Straßburg: Der Europaabgeordnete Angelo Ciocca von der Lega Nord zog sich als Reaktion auf die Ablehnung der Kommission einen seiner Schuhe aus und traktierte damit die Notizen von Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Der stand fassungslos daneben.