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Bundesbank-Chef Die Inflation sinkt – ist „das gierige Biest“ wirklich gezähmt?

Joachim Nagel mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Finanzminister Christian Lindner (v.l.n.r.)
Joachim Nagel mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Finanzminister Christian Lindner (v.l.n.r.)
© Marc John / IMAGO
Bundesbankpräsident Joachim Nagel sieht Deutschland auf dem Weg in Richtung Zwei-Prozent-Ziel. Ein gutes Signal für Konjunktur und Leitzins – doch Risiken bleiben, sagen Ökonomen

Joachim Nagel ist ein Freund der bildhaften Sprache. Im November vergangenen Jahres bezeichnete er die Inflation als „gieriges Biest“, das sich in die Wirtschaft fräße und keinen Halt vor Einkommen und Erspartem mache. Nun fand der Präsident der Bundesbank bei einer Veranstaltung in Berlin erneut deutliche Worte – und zwar sehr viel positivere: „Jetzt bin ich davon überzeugt, dass wir dieses gierige Biest gezähmt haben. Es ist mittlerweile handzahm geworden.“ 

Die neuesten Inflationszahlen aus dem Januar scheinen Nagel recht zu geben: Nach Daten des Statistischen Bundesamtes lag die vorläufige Inflationsrate bei 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat – so niedrig wie seit Juni 2021 nicht mehr. In Anbetracht einer Teuerungsrate von 3,7 Prozent im Dezember 2023, bewegt sich die Teuerung langsam aber sicher auf das von der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Euro-Raum vorgegebene Inflationsziel von 2,0 Prozent zu. 

Auch Nagel interpretiert die Entwicklungen positiv und ist überzeugt, dass man 2025 sehr nah an an das Inflationsziel herankommen werde: „Die Richtung stimmt absolut“.

Recht stabil hingegen blieb die sogenannte Kerninflation mit 3,4 Prozent, die die Inflationsrate ohne die meist volatilen Preise für Nahrungsmittel und Energie angibt. Im Dezember 2023 betrug sie 3,5 Prozent. Trotz CO2-Preiserhöhung und dem Wegfall von Preisbremsen für Strom und Gas, waren die Energiepreise um 2,8 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat und trugen zum verringerten Verbraucherpreisindex bei.

Friedrich Heinemann, Ökonom am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, ist positiv überrascht von den neusten Daten. Der Rückgang der Inflationsrate sei wegen der zahlreichen politischen Änderungen nicht selbstverständlich gewesen: „Mit dem Ende der reduzierten Mehrwertsteuer in der Gastronomie und routinemäßigen Preisanpassungen zum Jahresbeginn, gab es definitiv Belastungsfaktoren.“ Dennoch schätzt er die Gefahr einer erneut steigenden Teuerungsrate als nicht vollständig gebannt ein. Besonders von den aktuell „aggressiven Tarifauseinandersetzungen“ und einer damit verbundenen möglichen Lohn-Preis-Spirale geht ihm zufolge ein Risiko aus.

Senkt die EZB jetzt die Zinsen?

Die sinkende Inflationsrate befeuert Rufe nach einer Absenkung des Leitzinses. Die EZB hob die Zinsen seit Juli 2022 schrittweise immer weiter an, zuletzt im September 2023 auf insgesamt 4,5 Prozent. Insbesondere die weiter angespannte Konjunkturlage Deutschlands besorgt einige EZB-Kritiker. Ihr Argument: Das Ziel der hohen Zinsen, nämlich die Eindämmung der Inflation, sei nun erreicht. Jetzt gehe es darum, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. 

Zuletzt progostizierte der Internationale Währungsfonds (IWF) für Deutschland ein Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Im Oktober hatten die Experten noch mit von 0,9 Prozent gerechnet. Die konjunkturellen Schwierigkeiten festigen sich somit weiter und machen Deutschland zu einem der Schlusslichter in Sachen Wachstum.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Deka Bank, spricht sich nichtsdestotrotz gegen ein verfrühtes Handeln seitens der EZB aus: „Es stimmt, dass wir uns im sanften Landeanflug auf das Zwei-Prozent-Ziel befinden, aber das ist kein Grund, jetzt eine Leitzinssenkung vom Zaun zu brechen“, so Kater zu Capital. Er sieht das genaue Timing als entscheidend: „Es sollten die neuen Projektionen im März und die europäischen Lohnzahlen im Mai abgewartet werden. Ich gehe davon aus, dass die EZB im Juli aktiv werden wird.“

Der EZB-Rat, das oberste Beschlussorgan der Europäischen Zentralbank und verantwortlich für eine mögliche Absenkung des Leitzinses, entschied sich erst vergangene Woche dazu, diesen nicht zu verändern. Das Niveau der Zinssätze sei maßgeblich daran beteiligt, mittelfristig das Ziel von zwei Prozent zu erreichen, hieß es in einer Pressemitteilung. Ulrich Kater sieht trotzdem vielversprechende Anzeichen: „Die Äußerungen von Herrn Nagel sind eine merkliche Veränderung im Ton. Der Zentralbankrat scheint zuversichtlich, dass es sich lediglich um eine inflationäre Episode gehandelt hat, die ihr Ende findet.“

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