Daniel Saurenz betreibt das Investment- und Anlageportal Feingold Research. Der Journalist hat unter anderem für Börse Online und die Financial Times Deutschland geschrieben
Die Zinsen in den USA steigen, na selbstverständlich. Diese Prognose hörte man in den letzten Monaten beständig, die Analysten übertrafen sich sogar mit der Dynamik. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht die Leitzinsen in den USA Ende 2016 sogar bei zwei Prozent. Er führt die Wachstumsschwäche im ersten Quartal auf Sondereffekte zurück. Dabei ist die US-Wirtschaft im ersten Quartal nur noch minimal gewachsen. Statt über mögliche Zinserhöhungen nachzudenken werden sich Investoren verstärkt fragen, ob die Wirtschaft möglicherweise bereits in die Rezession abgerutscht ist. Dies könnte den Euro weiter stützen und auch bei Gold die Stabilisierung vorantreiben. Denn es zeichnet sich ab, dass die USA ohne die Droge QE – Quantitative Easing – kaum etwas auf die Beine stellen in Sachen Wachstum.
Nach den jüngsten Daten zur Handelsbilanz geraten die Aktienmärkte in den USA und in Europa gehörig unter Druck: Das US-Handelsbilanzdefizit für März war mit 51,4 Mrd. Dollar das größte seit dem Oktober 2008 und damit viel schlechter als das Minus von 41,2 Mrd. Dollar, das Volkswirte vorhergesagt hatten. Für das hohe Defizit ist ein starker Anstieg der Importe von Konsumgütern, Investitionsgütern, sowie Autos und Autoteilen verantwortlich. Nach der Vorlage der Zahlen reduzierten Volkswirte reihenweise ihre Prognosen zum Wirtschaftswachstum für das erste Quartal, denn ein größer als erwartetes Handelsdefizit verringert das Wirtschaftswachstum.
Laut der ersten Schätzung ging es aufs Jahr gerechnet auf lediglich 0,2 Prozent zurück. Der Wert wird errechnet, indem man die Veränderung gegenüber dem Vorquartal mit dem Faktor vier multipliziert. „Die Daten für das Wirtschaftswachstum dürften um 70 Basispunkte auf (annualisiert) minus 0,5 Prozent nach unten revidiert werden“, schreibt Joseph LaVorgna, US-Chefvolkswirt der Deutschen Bank nach der Vorlage der Handelsbilanzdaten. Damit wäre die Wirtschaft im ersten Quartal sogar geschrumpft.
USA sind nicht wettbewerbsfähig
In den Märzdaten sind zwar Sonderfaktoren enthalten, die auch die Commerzbank anführt. So führte der Streik der Hafenarbeiter an der Westküste dazu, dass die USA im Februar deutlich weniger importierten. Mit dem Ende des Streiks sind die Importe im März aber nach oben geschossen, wodurch das Defizit mit China von 23,7 Mrd. Dollar auf 37,8 Mrd. Dollar kletterte. Insgesamt zeigen die Zahlen aber, wie wenig wettbewerbsfähig die US-Wirtschaft ist. So stieg das um Ölimporte bereinigte US-Handelsdefizit auf 43,7 Mrd. Dollar.
Das ist Negativrekord und zeigt, wie sehr der starke Dollar die ohnehin schwache Wettbewerbsfähigkeit der Exportwirtschaft belastet. Trotz der anhaltend schwachen Konjunkturdaten gehen viele Volkswirte davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal kräftig beschleunigen wird auf annualisiert rund drei Prozent. Die Notenbank von Atlanta, die mit ihrer Prognose eines Wachstums von annualisiert 0,1 Prozent für das erste Quartal goldrichtig gelegen hatte, geht für das zweite Quartal aber von lediglich annualisiert 0,8 Prozent aus. Sollte das Wetter in den USA auch nur ein bisschen schlechter ausfallen als erwartet, könnte die Wirtschaft auch im zweiten Quartal schrumpfen, womit sie in der Rezession wäre.
Die US-Konjunkturdaten dürften weiter enttäuschen. Etliche Daten liegen bereits unter dem Vorjahresniveau. Wie schon in unseren Webinaren bei Feingold Research seit Wochen beschrieben dürften sich Investoren statt Gedanken über mögliche Zinserhöhungen zu machen in den nächsten Monaten verstärkt fragen, ob die Wirtschaft bereits in der Rezession ist. Dies könnte den Euro weiter stützen und auch manchen Anleger dazu bewegen, Gold als sicheren Hafen wieder ins Feld zu führen. Goldhändler wie Ophirum in Frankfurt bestätigen schon länger, dass mit Beginn des Jahres 2015 die Nachfrage wieder merklich angezogen hat, als sicherer Hafen längst nicht nur der US-Dollar oder die oft beschriebenen dividendenstarken Aktien herangezogen werden. Die jüngsten Konjunkturdaten scheinen den Investoren Recht zu geben – die USA sind nicht die Insel der Glückseeligen.