Nadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen
Natürlich sind Namen oft Schall und Rauch. Manchmal aber sollte man sie dennoch durchaus wörtlich nehmen. Bei Hybridanleihen zum Beispiel. Denn so wie der Rufname bei Menschen viel über die Herkunftsfamilie und den Charakter seines Trägers verrät, so sagen auch die Namen von Finanzprodukten oft mehr als man denkt. Nun macht es einem die Branche mit ihren Begriffen bei der Deutung nicht gerade leicht: Steckt sie unterschiedliche Anlageklassen in ein Produkt, nennt sie das Mischfonds, Multi-Asset-Fonds, Multi-Strategy- oder multiple-Opportunities-Produkt.
Der Unterschied zwischen ihnen ist meist so groß wie der zwischen Hans und Franz – winzig. Davon gehen anscheinend viele auch im Anleihenbereich aus: Anleihen sind relativ sichere Papiere, die regelmäßig Zinsen abwerfen. Manche haben noch nützliche Zusatzeigenschaften, Wandelanleihen etwa versprechen Zinserträge, können aber noch viel höhere Gewinne abwerfen, wenn die Aktienkurse stark steigen. Weil die Zinspapiere später in Aktie getauscht werden können. So ähnlich werden doch auch Hybridanleihen funktionieren, oder?
Gekauft werden sie von europäischen Anlegern derzeit massenhaft. Doch zwischen beiden Papierarten liegen Welten. Die Bezeichnung Hybrid spielt zwar gekonnt mit der Assoziation, auch hier könne man zwischen zwei Dingen umschalten, je nach Marktlage. Man denkt unweigerlich an Hybridfahrzeuge, bei denen zwischen zwei Antriebsarten in die jeweils verbrauchsfreundlichste gewechselt wird. Wer bei den Hybridpapieren ein wenig Namensforschung betreibt, ahnt aber, dass in den Dingern noch etwas viel Gewagteres steckt: Ein Hybrid bezeichnet zwar etwas Gebündeltes, Vermischtes, doch im Ursinne kommt der griechischstämmige Begriff von Hybris und er bedeutet Übermut und Anmaßung. Aus dem Lateinischen Hybrida wurde übersetzt das Wort Bastard. Allein das deutet schon darauf hin: Es ist kein ganz normales Finanzprodukt, Vorsicht ist geboten.
Höhere Zinsen locken Käufer
Dessen ungeachtet läuft der Verkauf solcher Anleihen im Euroraum neuerdings auf Hochtouren. Noch nie wurden so viele Hybridanleihen ausgegeben wie jetzt: Im gesamten vergangenen Jahr fanden Papiere für 28 Mrd. Euro den Weg zu den Anlegern. In den ersten vier Monaten diesen Jahres wurden bereits Hybride für 19 Mrd. Euro vom Markt aufgesogen. Etliche Unternehmen, die solche Wertpapiere auf den Markt warfen, um auf dem Wege Kapital von Anlegern aufzunehmen, wurden von Interessenten überrannt und konnten teils erheblich größere Tranchen platzieren als geplant. Mindestens 42 Mrd. Euro schwer soll der Gesamtmarkt neu aufgelegter Hybridanleihen in diesem Jahr noch werden, schätzen Banken. Das entspräche einem Wachstum von rund 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Warum die Papiere bei den Käufern so beliebt sind, lässt sich schnell erklären: Im Gegensatz zu herkömmlichen Anleihen bieten sie deutlich höhere Zinsen. Und genau darauf fahren die Anleger ab. Schließlich kommen Staatsanleihen teilweise bereits auf Negativrenditen und sind dadurch unattraktiv geworden. Auch die üblichen Unternehmensanleihen sind kaum noch eine Alternative für diejenigen, die nach verhältnismäßig sicheren Papieren mit regelmäßigen Zinserträgen suchen. Denn Firmen mit guter Bonität zahlen ihren Anlegern im Schnitt nur noch ein Prozent Zinsen, die bekäme man auch beim Tagesgeld. Hybridanleihen dagegen versprechen mit durchschnittlich 2,84 Prozent noch deutlich höhere Jahreserträge.
Zwei bis drei Prozent Zinsen bei einem Mindestanlagevolumen von 1000 Euro – da lassen sich viele Investoren nicht zweimal bitten. Zumal die Herausgeber solcher Anleihen bekannte Konzerne sind wie deutsche Autobauer, heimische Mineralölkonzerne, Stromkonzerne, Chemiehersteller oder europäische Fluggesellschaften. Was kann da schon groß schiefgehen?
Einiges. Denn die Hybride sind deutlich komplizierter konstruiert als andere Anleiheprodukte und dadurch erheblich riskanter für die Anleger. Es fängt damit an, dass die verhältnismäßig hohen Zinsen zwar versprochen werden, niemand aber den Emittenten darauf verpflichten kann, dieses Versprechen auch einzuhalten. Die Unternehmen können die Zinszahlungen einfach ausfallen lassen. Als gebräuchliche Regel gilt: Schüttet die Firma im entsprechenden Jahr Dividenden aus, dann werden auch die Hybridanleihenzinsen gezahlt. Und gerade bei einigen europäischen Banken oder auch Fluggesellschaften wie Air France KLM sind Analysten skeptisch, ob die Anleger wirklich von solchen Unternehmen mit Zinsen bedacht werden. Die Airline etwa hat seit 2008 keine Dividende mehr gezahlt.
Hohe Risiken im Pleitefall
Hinzu kommt, dass die Laufzeiten solcher Anleihen nicht festgelegt sind, sondern die Firmen selber entscheiden, wann sie diese Papiere zurückzahlen. Die Laufzeiten können auch 50 Jahre betragen oder unendlich sein. Die Zinssätze werden dann ebenfalls von fix auf variabel geändert und orientieren sich an den dann gültigen Interbankensätzen. Man sollte daher darauf achten, dass die Papiere halbwegs liquide sind, also einigermaßen an den Börsen gehandelt werden, falls man sie loswerden will. Vorsicht aber: Ihre Kurse schwanken ebenfalls sehr stark.
Im Falle eines Pleitefalles sind Hybridanleihenbesitzer zudem die letzten in der Kette der vielen Gläubiger, die ihr Geld wiedersehen, wenn überhaupt. Deshalb werden Hybridbonds von Ratingagenturen generell rund zwei bis drei Stufen niedriger eingeordnet als andere Anleihen derselben Unternehmen. Ist es denn wahrscheinlich, dass einer der Anleihenherausgeber in die Insolvenz schlittert? Die Gefahr nimmt zumindest zu, stellen Auswertungen fest: Die durchschnittliche Bonitätsnote der Hybridanleihen-Aufleger war seit vielen Monaten nicht mehr so tief wie derzeit. Auch immer mehr Firmen, die nicht gerade über die üppigsten Kapitalpolster verfügen, bringen nun solche Papiere unters Volk.
Für die Firmen besitzen die Hybridpapiere nämlich den Vorteil, dass sie nur zu 50 Prozent dem Eigenkapital des Unternehmens zugerechnet werden. Damit lässt sich also die Schuldenquote drücken und das eigene Rating verbessern oder stabil halten – obwohl man Kapital von Investoren aufnimmt. Das ist auch der Grund, weswegen die Unternehmen den Anlegern einen Risikoaufschlag in Form von höheren Zinsen versprechen. Wohl wissend, wie wenig sie einhalten müssen, was sie übermütig ankündigen. Ist das nicht reichlich anmaßend? Es kann jedenfalls niemand sagen, beim Namen Hybrid habe er das nicht geahnt.