2022 ist als eines der schlechtesten Aktienjahre der vergangenen Jahrzehnte in die Geschichte eingegangen. Für nahezu alle Assetklassen ging es im vergangenen Jahr bergab. Die Probleme waren vielfältig, wie Norbert Betz, Leiter der Handelsüberwachung der Börse München/gettex, erläutert: „Nach der Rückkehr des Inflationsgespenstes und geopolitisch bedingter Energiepreissteigerungen setzte eine restriktive Geldpolitik mit deutlich anziehenden Leitzinsen in den USA und Europa den Börsen kräftig zu. 2022 war aber auch für Anleger schwierig, die ihr Geld nach ESG-Kriterien angelegt haben“.
Unter einer ESG-konformen Geldanlage werden Investments zusammengefasst, die sich nach Kriterien aus den Bereich Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) richten – bei allem Vorbehalt gegenüber der Schwammigkeit dieser Begrifflichkeiten. Mit einer solchen Strategie, die auch als SRI (Socially Responsable Investment) bezeichnet wird, sollen vor allem nachhaltige und somit langfristig bessere Investments getätigt werden.
„Waren Investments nach ESG-Aspekten in den Jahren bis 2021 auch in Sachen Rendite oft eine gute Geldanlage, so konnte dieser Ansatz bei sinkenden Aktienkursen 2022 nicht überzeugen“, erläutert Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Ein Vergleich des weltweit anlegenden MSCI verdeutlicht die Diskrepanz. „Der MSCI-SRI verlor 2022 rund 15 Prozent während der herkömmliche MSCI einen Verlust von 12 Prozent auswies“, berechnet Analyst Molnar.
Technologie-Aktien haben ESG-Performance 2022 belastet
Beim Blick auf die Jahresperformance der verschiedenen Indizes wird der Grund für die schwache Entwicklung der ESG-Indizes 2022 deutlich. Dabei sticht eine Aktie besonders heraus: Tesla. Der E-Autohersteller ist in vielen ESG-Indizes häufig vertreten, weil der CO2-Ausstoß von E-Autos geringer ist als bei Benzin- und Dieselfahrzeugen, die herkömmliche Automobilhersteller überwiegend im Programm haben. Im MSCI-SRI ist Tesla zuletzt mit einem Gewicht von 3,8 Prozent im Index vertreten gewesen, in der Nicht-ESG-Variante sind es rund 1 Prozent. Verliert die Tesla-Aktie wie 2022 mehr als 60 Prozent, wirkt sich das im MSCI-SRI viel stärker aus und umgekehrt. 2023 nun sieht dies deutlich anders aus. Tesla steht im Vergleich zum Jahresanfang in US-Dollar 65 Prozent höher. Auch andere Titel aus dem Sektor erholten sich merklich. In Deutschland legte zuletzt SMA Solar stattlich zu.
Es kommt also bei den Indexvarianten nach ESG-Kriterien wie bei herkömmlichen Indizes auf Zusammensetzung und Gewichtung an. Dort sind in den vergangenen Jahren neben Tesla viele andere Tech-Aktien mit großem Anteil zu finden gewesen, weil sie mit ihren Produkten und Dienstleistungen als CO2-arm und nachhaltig eingestuft wurden.
Wer aber findet generell Einzug in ESG-ETFs? Es werden Unternehmen aufgenommen, die ein grünes Kerngeschäft haben oder eine nachhaltige Unternehmensführung betreiben. Ausgeschlossen werden Firmen, die Kinderarbeit zulassen oder ihr Geld mit Glücksspiel, Pornografie, Kohleabbau, Ölförderung, Menschenhandel oder der Kriegswirtschaft verdienen. Durch den russisch-ukrainischen Krieg seit Februar 2022 konnten aber Aktien aus der Rüstungsindustrie 2022 kräftig zulegen. 2023 ist dies anders, die große Story bei den Rüstungskonzernen ist vorüber. „Rheinmetall etwa war mit einem Jahresgewinn von mehr als 120 Prozent der beste MDAX-Wert 2022 während im Dow Jones Chevron mit plus 60 Prozent am besten abschnitt“, ordnet Analyst Molnar für RoboMarkets die Besonderheiten von 2022 zu 2023 ein.
Während sich breit gefächerte ESG-Aktienindizes auf bestehende, häufig populäre Indizes beziehen, liegen den sogenannten ESG-Themen-ETFs oder -Zertifikaten solche Indizes zugrunde, die einen besonderen Anlageschwerpunkt aus dem Bereich nachhaltiger Investments haben. Dazu gehören etwa ETFs oder Zertifikate auf erneuerbare Energien, Plastik-Müllbeseitigung oder sauberes Wasser. „Bei thematischen Nachhaltigkeits-ETFs, wie zum Beispiel Clean Energy, ist die Performance naturgemäß nicht an einen zugrundliegenden marktbreiten Index gekoppelt, was das Chance-Risiko-Verhältnis verändert“, erklärt Stefan Kuhn, Europas ETF-Vertriebschef bei Fidelity. Themen-ETFs und -Zertifikate sind meist weniger breit aufgestellt als die großen Indizes, weshalb die Performance in der Regel stärker nach oben und unten schwanken kann.
Aktive ETF-Strategie
Um die Schwankungen und damit vor allem eine negative Rendite so gering wie möglich zu halten, setzen inzwischen viele Häuser bei ihren ESG-ETFs auf eigenes Research bei der Auswahl und Zusammensetzung eines Index. „Sowohl thematische und nicht-thematische Nachhaltigkeits-ETFs werden bei uns aktiv gemanagt, wir greifen dafür auf Fidelitys Research-Netzwerk und hauseigenes ESG-Rating zurück“, erklärt Kuhn. Tatsächlich konnten die auf diese Art und Weise gemanagten ETFs im Krisenjahr 2022 besser abschneiden als ESG-ETFs ohne aktiven Ansatz.
Eine ähnliche Vorgehensweise verfolgt JP Morgan Asset Management, weil es nach Meinung des Investmenthauses möglich ist, mit einer aktiven Aktienauswahl innerhalb eines bestimmter ESG-Vorgaben mit ETFs höhere Renditechancen bei gleichzeitig niedrigerem Tracking-Error wahrzunehmen. Ob dies 2023 gelingt werden wir dann final am 31.12.23 wissen.