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Kolumne Die Lemming-DNA der Immobilienprofis

Die Irrtümer der Projektentwickler: Energieersparnis und neue Wohntrends – die Kunden interessiert es wenig. Von Susanne Osadnik
Hinweisschild für Neubauten in Frankfurt: Manchmal wird an den Kundenwünschen vorbei gebaut (Foto: Johannes Mink)
Hinweisschild für Neubauten in Frankfurt: Manchmal wird an den Kundenwünschen vorbei gebaut (Foto: Johannes Mink)
Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen
Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen

Susanne Osadnik ist freie Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt an dieser Stelle über Immobilienthemen

Selten plaudern die Herrschaften aus der Immobilienwirtschaft mal aus dem Nähkästchen. Noch seltener machen sie es öffentlich. Jetzt hat´s doch mal einer gewagt und offiziell über die „Irrtümer“ gesprochen, denen Mieter, Käufer und die eigene Branche häufig unterliegen.

Ein Hamburger Maklerhaus, das auch in der Projektentwicklung aktiv ist, hat vom Leder gezogen und erklärt, was aus seiner Sicht alles völliger Quatsch ist – aber gerne bei der Vermarktung von Immobilien als Werbemittel eingesetzt wird. Da wäre etwa die ökologische Variante, die vor allem die Besserverdienenden zum Kauf animieren und gleichzeitig ein gutes Gewissen bescheren soll. Alles fein, so lange es nichts extra kostet.

Geht es aber an den Geldbeutel des deutschen Michels, sieht das anders aus. Auch bei denen, die es sich vielleicht leisten könnten: Weder für die Fotovoltaikanlage auf dem Dach noch für moderne Be- und Entlüftungssysteme in den Wohnräumen mit Wärmerückgewinnung oder Erdwärmetauscher zum Erwärmen oder Kühlen der von außen einströmenden Luft – vieles, was Bauträger zusätzlich zur effizienteren Verwertung von Energie installieren oder einbauen wollen, rechnet sich für sie nicht. Denn weder Mieter noch Käufer sind bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen. Und das ist vielleicht auch gut so. Denn die Wohnnebenkosten steigen inzwischen häufiger durch die hohen Wartungskosten der installierten Technik als durch die verbrauchte Energie.

Keine Nachfrage, kein Bedarf

Interessant ist auch, wie die Profis nach eigener Erfahrung die so genannten „Wohntrends“ einschätzen: Ob Service-, Hybrid- oder Mehrgenerationenwohnen – alles nichts für die breite Masse, so ihr Fazit. Für Extra-Services wie Concierge, Handwerker- oder Reinigungsdienste, Küchen- oder Restaurantanschluss zahlt höchstens die sehr verwöhnte Luxus-Klientel, aber nicht der Durchschnittskäufer. Hybridwohnen – die Kombination aus Wohnen und Gewerbe – scheint auch eine eher maue Modeerscheinung. Die, die es interessiert, können es sich nicht leisten. Die anderen wollen schicke Büros – weit weg von zu Hause.

Und das Wohnen mehrerer Generationen unter einem Dach spielt in der immobilienwirtschaftlichen Praxis auch keine wirklich bedeutende Rolle: „Es wird weder nachgefragt noch als Angebot dankend angenommen“, sagen die Hamburger Wohnimmobilienexperten. Und ist außerdem auch viel zu teuer. Wer für weitere Familienmitglieder Wohnraum einplant, muss in deutschen Großstädten schon über reichlich Kapital verfügen.

Wie kommt es also, dass sich solche „Irrtümer“ so hartnäckig im kollektiven Gedächtnis halten, wenn das tatsächliche Immobiliengeschäft doch ganz anders aussieht? Vermutlich tragen auch Projektentwickler reichlich Lemming- DNA in sich. Wer auch immer sich bewegt, dem folgt man. Sind erst einmal Massen in dieselbe Richtung unterwegs, stellt niemand mehr in Frage, ob es die richtige ist.

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