Was dem einen seine Eule, ist dem anderen seine Nachtigall. So sagt es der Volksmund in meiner westfälischen Heimat und zwar vorzugsweise auf Plattdeutsch. Was den Briten ihr Brexit, ist den Deutschen ihre Umwelt- und Energiepolitik.
Immer dann, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Meisterin verbaler Zuspitzung mutiert, weiß das Publikum, dass es ernst wird. Zuletzt war aus dem Munde der noch amtierenden Regierungschefin zu hören, der Klimawandel sei die „Schicksalsfrage der Menschheit“. Sodann lässt sich ahnen, dass Frau Merkel es ernst meint, denn bei den beiden weltbekannten Vorläufersätzen „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ (auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise) und „ Wir schaffen das “ (bei der Öffnung der Grenzen für die Zuwanderer) wurde ein regelrechtes Fass aufgemacht.
Nun also das Klima als Menetekel für die Menschheit und zugleich Primat deutscher Politik. Man muss kein Prophet sein, um bereits jetzt eines mit großer Gewissheit prognostizieren zu können: Es wird sehr teuer, genau wie bei der Eurorettung und der „Willkommenskultur“!
Die Umweltpolitik der letzten Jahre ist ein Desaster
Wie die gescheiterten Koalitionsverhandlungen gezeigt haben, schießt die Politik auf die Stromerzeugung durch Kohlekraftwerke. Das Leitmotiv der Verhandlungen lief darauf hinaus, nach dem beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie nun auch den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu finalisieren. Es ging nur noch um die Höhe der abzuschaltenden Megawatt. Zur Begründung heißt es, Kohlekraftwerke hätten die höchsten CO2-Ausstöße und verhinderten, dass Deutschland seine zugesagten Emissionsreduzierungen einhalten könne.
Tatsächlich ist die Umweltpolitik der letzten Jahre ein komplettes Desaster, denn sie hat per Saldo zu einer höheren Umweltbelastung, höheren Preisen, der Einführung einer Zentralverwaltungswirtschaft im Energiesektor und dem Verlust vieler guter Arbeitsplätze geführt.
Am deutschen Umweltwesen soll die Welt genesen
Neben der Kumpanei von Staat und Industrie bei Abgasemissionen von Fahrzeugen ist vor allem der völlig überhastete Atomausstieg den Parteien auf die Füße gefallen. Er hat dazu geführt, dass die verlorenen Strommengen zum großen Teil durch das Hochfahren von Kohlekraftwerken ersetzt werden mussten. Während aber Nuklearstrom keinen CO2-Ausstoß produziert, sind Kohlekraftwerke Dreckschleudern.
Durch die hochverehrten alternativen Energien aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft ließen sich aber die verloren gegangenen Stromerzeugungskapazitäten nicht ersetzen, sieht man einmal davon ab, dass es keine hinreichenden Übertragungskapazitäten vor allem für den Windstrom vom Norden in den Süden gibt.
In Berlin beeindruckt es niemanden, dass nicht nur im Fukushima-Land Japan, sondern auch in Frankreich, Finnland, Großbritannien, den USA und vielen anderen Ländern auf die immerhin CO2 freie Atomtechnik als Übergangstechnik gesetzt wird. Mit dem Credo „Am deutschen Umweltwesen soll die Welt genesen“ marschieren die maßgeblichen deutschen Parteien nahezu geschlossen in die selbst gestellte Klimafalle.
Zugleich kursieren Wünsche, Verbrennungsmotoren und Fleischverzehr zu verbieten, damit auch den Verkehrsemissionen und der Massentierhaltung der Garaus bereitet werden kann. Freilich müsste für die herbeigewünschten Elektroautos eine gewaltige zusätzliche Strommenge produziert werden, deren Quelle schleierhaft bleibt.
Umweltpolitik und ihre Nebenwirkungen
Ich erkläre mir den unausgegorenen Eifer der deutschen Politik in der Umweltpolitik mit dem Schuldgefühl für den zweiten Weltkrieg. Es scheint einen Hang in Berlin zu geben, der Welt unbedingt zeigen zu wollen, dass Deutschland moralisch an der Weltspitze steht. Und es sind keineswegs nur die Grünen, die von dieser Besessenheit infiziert sind. Über die Nebenwirkungen schweigt man indes vornehm.
Welche unerwünschten Nebenwirkungen der eingeschlagene politische Kurs unter anderem hat, konnte man in der letzten Woche bei Siemens beobachten. Nach der Nukleartechnik gerät nun auch die Gasturbinensparte unter Schrumpfungszwang. Dies, nachdem die Solarindustrie (Conergy, Q-Cells, Solarworld, etc.) trotz exorbitanter Subventionen bereits seit Längerem erledigt ist und auch die Windindustrie (zum Beispiel Nordex oder auch Vestas) strauchelt.
Wer ist noch so tollkühn, in Deutschland in neue Energieerzeugungsanlagen zu investieren, wenn nicht der Staat Renditegarantien für mindestens zwanzig Jahre gibt und einen kompletten Rückfluss der Investitionssumme garantiert? Die großen Energieversorger werden, sofern sie nicht in öffentlicher Hand stehen, angesichts der erstens wankelmütigen, zweitens unberechenbaren und drittens ideologischen Politik der Berliner Zeloten einen Teufel tun.
Es läuft über kurz oder lang darauf hinaus, dass die gesamte Stromerzeugung in Deutschland vom lenkenden Staat betrieben werden muss. Ich schließe nicht einmal aus, dass eine Mehrzahl der Bürger sich diesen Zustand wünscht. Die diesbezüglichen Erfahrungen aus der untergegangenen DDR und dem Ostblock sind längst vergessen.
Aus Chicago Ihr
Dr. Christoph Bruns