Bei ihrer ersten Analystenkonferenz als Vorstandschefin der Commerzbank am Mittwoch wurde Bettina Orlopp nicht müde, zu betonen, wie gut die Zahlen sind. Die auf Privatkunden und Mittelstand fokussierte Bank sei auf dem richtigen Weg, das zeigten schon die gestiegenen Provisionseinnahmen, die den zinsempfindlichen Erträgen auch nach weiteren Senkungen der EZB auf die Sprünge helfen sollen. Zugleich hob Orlop die Prognose fürs Gesamtjahr an. Zudem gibt es Zusicherungen für die Anteilseigner: Bis Februar will die Commerzbank für 600 Mio. Euro Aktien zurückkaufen und zudem 70 Prozent des Gewinns als Dividende ausschütten. Klingt gut.
Anleger überzeugt das dennoch wenig, der Kurs rutschte im Tagesverlauf knapp drei Prozent ab. Das war sicher nicht die von Orlopp erhoffte Reaktion. Sie kämpft um die Eigenständigkeit der Bank mit Sitz in Frankfurt. Bereits am 11. September hat die Unicredit ein Paket mit 4,49 Prozent der Anteile von der Bundesregierung erworben und dieses rasch ausgebaut. Über Derivate hält die italienische Großbank mittlerweile 21 Prozent. Vorstandschef Andrea Orcel machte kein Geheimnis daraus, dass er die Commerzbank übernehmen möchte. Beide Banken passten perfekt zueinander, erklärte er auf der ebenfalls am Mittwoch stattfindenden Konferenz zu den Quartalszahlen der Unicredit. Aber er schließt auch nicht aus, dass er die Position wieder abbaut, „hoffentlich mit einem deutlichen Gewinn“.
Auf der einen Seite steht also die Commerzbank und pocht auf die Unabhängigkeit. Rückenwind erhält sie von den Gewerkschaften und der Bundesregierung, die Jobabbau und Bedeutungsverlust befürchten. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Commerzbank nach einer Übernahme von der deutschen Unicredit-Tochter Hypovereinsbank geschluckt wird, ist hoch. Auch die mittelständischen Kunden der Commerzbank sind mehrheitlich dagegen und befürchten, dass mit einer Übernahme das „Gespür für den Mittelstand“ verloren gehen würde, wie eine Umfrage von „Finance“ unter 153 Entscheidern ergab.
Hängepartie bahnt sich an
Auf der anderen Seite steht die Unicredit, die sich mit Absichtsbekundungen immer ein wenig im Ungefähren hält, vielleicht auch, weil noch einige regulatorische Hürden auszuräumen sind, bis die Italiener ihre Anteile weiter erhöhen können. Es habe zwar bereits ein Gespräch mit der Unicredit gegeben, meint Orlopp, und ein Weiteres sei anberaumt. Es sei jedoch ein Gespräch zwischen Investor und Unternehmen gewesen. „Wir haben kein Angebot erhalten“, sagte sie. „Wir konzentrieren uns auf die Umsetzung unserer eigenen Strategie, denn es liegt nichts auf dem Tisch.“ Diese Strategie sei mit geringen Risiken verbunden und dürfte den Aktienkurs nach oben treiben.
Dieser Kurs ist jedoch zuletzt vor allem aufgrund der sich anbahnenden Übernahme gestiegen. Und weil sich eine Hängepartie andeutet – der Bund ist immer noch Hauptanteilseigner und dürfte den Verkauf der restlichen 12 Prozent, der erst ab Anfang 2025 möglich ist, nun an Bedingungen knüpfen – dürften einige Investoren die Geduld verlieren und wieder aussteigen.
Ein weiterer Grund: Noch sind die Zahlen nicht so überzeugend, wie Orlopp das weismachen möchte: Zwar übertrifft der Gewinn von 642 Mio. Euro im Herbstquartal die Erwartungen der Analysten. Die Bank mit Sitz in Frankfurt hat das jedoch nur dank Sondereffekten geschafft: Rücklagen aus der Corona-Zeit wurden aufgelöst, die Steuerlast ist gesunken und Beteiligungen – etwa die in der Frankenkrise strauchelnden polnischen mBank – lieferten mehr ab als ursprünglich angenommen. Und auch die Anhebung der Gewinnprognose von 8,1 Mrd. Euro auf 8,2 Mrd. Euro wird dadurch getrübt, dass die Prognose für das kommende Jahr mit 7,9 Mrd. Euro unter den Erwartungen der Analysten liegt.
Anleger müssen also einiges an Geduld mitbringen, bis sich entscheidet, ob es zu einer Übernahmeschlacht kommt oder die Commerzbank aus der eigenen Stärke heraus ihre Unabhängigkeit bewahren kann.