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Kolumne Brexit-Chance für den Finanzplatz Deutschland

Die Regierung muss ihre Abneigung gegenüber der Finanzbranche überwinden. Von Christoph Bruns
Christoph Bruns
Christoph Bruns

Christoph Bruns ist Fondsmanager, Vorstand und Teilhaber der Fondsgesellschaft Loys AG.

Mit einer solchen historischen Chance war nicht mehr zu rechnen, denn eigentlich war der Zug zu einem starken Finanzplatz Deutschland längst in einen der vielen Londoner Bahnhöfe eingefahren. Neben New York stellt London den zentralen Handelsplatz für Finanzgeschäfte und die vielen daran hängenden Dienstleistungsbranchen dar. In manchen Bereichen wie etwa dem Devisenhandel nimmt die britische Hauptstadt sogar dominante Positionen ein. Alle wesentlichen Banken der Welt haben in London maßgebliche Geschäftseinheiten gebildet und nicht wenige große Institute – wie beispielsweise die angeschlagene Deutsche Bank - werden von der Themse aus gesteuert.

Neben den niedrigen Unternehmenssteuern spielt auch das finanzmarktfreudige Regierungshandeln in Großbritannien eine wesentliche Rolle für das Gedeihen des Finanzplatzes London. Dabei ist den Briten nicht entgangen, dass die gut bezahlten und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in der City nicht von der Konkurrenz aus China verdrängt werden können; im Gegensatz zu vielen Beschäftigungsverhältnissen im produzierenden Gewerbe, die zwischenzeitlich durch die industrielle Revolution im Reich der Mitte auf der Insel verloren gegangen sind.

Deutsche sind eher eigenkapitalfeindlich

Ganz anders ist das Bild in der Bundesrepublik Deutschland, wo man Finanzdienstleistungen gegenüber traditionell eher skeptisch eingestellt ist. Seit der großen Finanzkrise 2007 ff. ist die Skepsis noch größer geworden. In zahlreichen zusätzlichen Regulierungen hat sie ihren Niederschlag gefunden. Einigermaßen bekannt geworden war ja die Bezeichnung „Heuschrecken“ für Hedgefonds, mit welcher der damalige SPD-Generalsekretär Franz Müntefering diesen Zweig der Finanzindustrie zu diskreditieren versuchte. Nachdem es übrigens die rot-grüne Regierung Schröder/Fischer war, die Hedgefonds in Deutschland gesetzlich erlaubte.

Tatsache ist heute jedoch, dass es in Deutschland keine Hedgefonds-Industrie mit entsprechenden Arbeitsplätzen gibt. Grosso modo gilt dies auch für die Venture-Capital-Szene und das Private-Equity-Geschäft, sodass es mitunter peinlich ist, wenn deutsche Unternehmensgründer sich an Angelsachsen wenden müssen, um an Startkapital für ihre Unternehmen zu gelangen. Überhaupt sind die Deutschen eher eigenkapitalfeindlich eingestellt und fördern lieber Verschuldungstitel- und Industrien, wie die Bankenrettungen eindrücklich gezeigt haben. Zur Erinnerung: Fonds müssen nicht gerettet werden, weil sie eigenkapitalbasiert sind und zudem in der Regel pleitegeschütztes Sondervermögen darstellen. Besonders pikant wird der Befund noch dadurch, dass vor allem staatlich betriebene Landesbanken (West LB, Sachsen LB, Bayern LB etc.) in vorderster Krisenreihe standen.

Im Ganzen betrachtet weist die Bundesrepublik einen verkümmerten Finanzmarkt auf, der im krassen Gegensatz zur robusten deutschen Güterwirtschaft steht. Hoffentlich gilt aber der Satz des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten nicht mehr, der weiland sagte, die Deutschen bedienten lieber Maschinen als Menschen. Immerhin dürfte aber den Wirtschaftsleuten in der Bundesregierung klar sein, dass Dienstleistungen – man denke nur an den Gesundheitssektor – angesichts einer zunehmend alternden Gesellschaft in der Tendenz wichtiger werden. Für Finanzdienstleistungen gilt das ebenso, wie ja die Notwendigkeit zur privaten Altersvorsorge belegt. Übrigens weiß das der Staat sehr wohl, denn genau aus diesem Grund hat er die gescheiterten Riester- und Rürup-Renten eingeführt.

Bundesregierung muss die Chance nutzen

Die Bundesregierung wäre angesichts des Brexit-Votums der Briten nunmehr gut beraten, ihre traditionelle Abneigung gegenüber der Finanzmarktindustrie zu überwinden und das hohe Wertschöpfungspotential dieser Branche in Deutschland zu heben. Von ganz allein wird dies jedoch nicht passieren, denn Großbritannien wird versuchen, die Finanzindustrie in London mit steuerlichen und regulatorischen Anreizen zu halten. Eine wesentliche Maßnahme der Bundesregierung könnte darin bestehen, die Altersvorsorge der Deutschen durch die Beteiligung an der Wirtschaft (sprich Aktien) zu fördern und damit der seit vielen Jahren unterdurchschnittlichen realen Vermögensbildung in der Bevölkerung endlich wirkungsvoll entgegenzuwirken. Eigenkapital sollte künftig den Vorzug vor Schulden bekommen, deshalb müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Zum Abschluss noch ein etwas unvermutetes weil unökonomisches Argument zugunsten eines stärkeren deutschen Finanzplatzes. Wie bekannt ist, entwickelten die Bundesregierungen der letzten Jahre enormen Eifer bei der Rettung des Weltklimas. Anders als das produzierende Gewerbe ist der Ressourcenverbrauch im Finanzsektor minimal. Daher wäre es allein schon aus Umweltgründen klug, jetzt den Brexit als einmalige und wohl auch letztmalige Chance zum Aufbau eines starken Finanzplatzes Deutschland zu nutzen.

Aus Chicago,Ihr

Dr. Christoph Bruns

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